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JOURNAL

ORNITHOLOGIE

GEGRÜNDET VON J. CABANIS Im Auftrage der

Deutschen Ornithologischen Gesellschaft

mit Beiträgen von

M. Bartels, v. Bianchi, R. Blasius, F. Braun, Conwentz, Frhr. C. v. Erlanger, O. Finsch, Frhr. H. Geyr v. Schweppenburg, B. Hantzsch, E. Hartert, O. Heinroth, Ed. Hellmayr,

F. Helm, O. Kleinschmidt, P.Kollibay, O. Neumann, F. Poche, W. Schuster, J. Thienemann

herausgegeben

von

Prof. Dr. Ant. Reichenow,

Kustos der Ornithologischen Abteilung des Kgl. Zoologischen Museums in Berlin, Generalsekretär der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft.

LII. Jahrgang.

Mit 20 Tafeln, 5 Karten und einem Bildnis.

Leipzig 1904. Verlag von L. A. Kittler.

9 London, ris, New-York, F Williams & Norgate,.14 F. Vieweg, rue Richelieu 67. B. Westermann & Üo. % Henrietta Street, Coventgarden. 812 Broadway.

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Inhalt des Lil. Jahrganges (1904).

Seite V. Bianchi, Übersicht der Formen der Gattung Ithaginis. (Aus dem Russischen übersetzt von R. Schmidt) . . EN) R. Blasius, Gustav Radde f. Ein Lebensbld . . . „2... 1 F. Braun, Zugvögel und Florenwechsel . . . . 2.2.2... 448 Conwentz, Zur Abwehr. . . 1.2 650 C. v. Erlanger, Beiträge zur Vogelfauna Nordostafulas a Taf. 1—19))..% 02%. a . 137 O0. Finsch und M. Bartels, Über eine neue Pinkenart von Java. (Eiierzu Dar. oA) 2 122 H. Geyr v. Schweppenbu m, Kleine Notizen zum Vogelzuge 1903. 506 B. Hantzsch, [Über eine Reise nach Island]. BE ARLER 0.2.88 E. Hartert, Antikritik BERNER . 558 0. Heinroth, [Bemerkenswerte Hreignisse i im Berliner Zoologischen Garten] . . REN REISDE. aa SS Ed. Hellmayr, [Über Iyn« pectoralis] ER .. 807 F. Helm, Weitere Beiträge zu der Gätkeschen Hypothese über den Zug ir Vögel nach Alter und Geschlecht . . . . a) Ornithologische Beobachtungen . . 408 O0. Kleinschmidt, Über die geographische Verbreitung und den Zug der Santa 9 Blaukehlchen . . Sa N 12 P. Kollibay, Die Vogelfauna der Bocche di Cataror I=.204880,.487 0. Neumann, Vögel von Schoa und nn ee ra ie Über name A : 5 RE EHER [Über Rotflügelglanzstare] RR 50T F. Poche, Über die Zulässigkeit der : von lisa in seiner „Trait6 d’Ornithologie“ eingeführten Namen . . . 2. 2 2020....296 A. Reichenow, [Neue Vogelarten] . » © 2 2.2... 183, 307 [Über den Begriff der Subspezies] 3 700 [Über d. Unterschiede d. in Deutschland arkamıananllen N ucifraga- Formen] . . N A Ne EN Er 3 Zur Banlankemns EN: a 0 W. Schuster, Entwickelung "oder Nicht-Entwickelung® ae an . 431

J. Thienemann, III. Jahresbericht (1903) der Vogelwarte Rossitten der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft . . . 245

IV

Deutsche Ornithologische Gesellschaft. Seite Bericht über die Oktobersitzung 1903 (Von P. se) a Bericht über die Novembersitzung 1903 . . . en Bericht über die Dezembersitzung 1908 . - . 2 2.2.2.2...808 Bericht über die Januarsitzung 1904. 2, er Bericht über die Februarsitzung 1904 2313 Bericht über die Aprilsitzung 1904 . . 2 2 2 2.2 22.7566 Mitsliederverzeichnis 1904 7... nn Dem Herausgeber zugesandte Schriften. . . . 135, 316, 455, 570

Abbildungen.

Bildnis G. Radde’s.

Taf. A. Orithagra estherae Finsch.

I.

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° 3A, EXIT. RENT. AXIVE BERN DER ONE ON, x E00

Gyps fulvus (Gm.)

Gyps rüppelli Bp.

Pseudogyps africanus (Salvad.)

Serpentarius serpentarius (Mill.) u. orientalis (Verr.) Melierax canorus(Risl.)‚metabates(Heugl.),poliopterusCab. Aceipiter hilgerti Eıl.

Aceipiter minullus tropicalis Rehw.

Accipiter minullus (Daud.) u. m. intermedius Eıl. Hieraaetus spilogaster ([Du Bus] Bp.)

Hieraaetus fasciatus minor Erl.

Duteo anceps A. Brehm.

Milvus aegyptius (Gm.), M. korschun (&m.) u. k. reiche- nowi Erl.

Milvus korschun affıinis (J. Gd.)

Falco eleonorae Gene u. schistaceus Hempr. Ehr. Falco concolor Tem.

Cerchneis tinnunculus arthuri (Gurn.)

Cerchneis fieldi El.

Asio otus abyssinicus (Gußr.)

Asio leucotis nigrovertex Erl.

Karten.

Taf. 1. Übersichtskarte des Nordosthorns Afrikas nebst Darstellung der VII zoogeographischen Gebiete. Taf. 2—5. Geographische Ergebnisse der Expedition Carlo Freiherr von

Erlanger in Nordost-Afrika.

JOURNAL

ORNITHOLOGIE

Zweiundfünfzigster Jahrgang.

No. 1. Januar 1904.

Gustav Radde 7. Ein Lebensbild.

Von Rudolf Blasius. (Mit Schwarzbild.)

Gustav Radde wurde am 27. November 1831 als Sohn eines Schullehrers in Danzig geboren. Er besuchte dort das Real- eymnasium zu Petri und Pauli und wurde dann Apotheker. Namentlich Professor A. Menge unterstützte ihn bei seinen Studien. Besonderes Interesse zeigte Radde schon in frühster Jugend für Naturwissenschaften und sein glühendster Wunsch war, die weite Welt kennen zu lernen. Es gelang ihm, eine - geringe Reiseunterstützung von der Naturforschenden Gesellschaft in Danzig zu bekommen, 'und. mit Empfehlungen des damaligen russischen Konsuls in. Danzig, Herrn von Adelung, ging er im Winter 1852 nach der Krim.

Hier und in Südrussland blieb er 3 Jahre und sammelte und beobachtete unermüdlich, indem er meistens zu Fuss Ge- birg und Tal durchstreifte. Die Resultate dieser Reisen, „Über das Tierleben am Faulen Meer“, „Versuch einer Pflanzenphy- siognomik Tauriens“, „Beiträge zur Ornithologie Südrusslands“ veröffentlichte er im „Bulletin der Moskauer naturforschenden Gesellschaft‘ und erregte hierdurch Aufsehen in dem massgeben- den Kreise Petersburgs. Von der Kaiserl. Geographischen Ge- sellschaft nach Petersburg berufen, traf er dort 1855 mit seinen reichen Sammlungen ein und wurde dann einer wissenschaftlichen Expedition nach Ostsibirien und Kamtschatka beigegeben. Im

Journ. f. Orn. LII. Jahrg. Januar 1904. 1

2 Rudolf Blasius:

September 1855 war er am Baikal-See, kam dann nach Seleginsk und blieb 11 Monate in Daurien, der hohen Gobi, ging westlich bis zu den Quellgebieten des Onon, östlich bis zum grossen Chin- san. In den Jahren 1857/58 lebte er am mittleren Amur in den damals 250 km auf- und abwärts menschenleeren Urwäldern des Bureja-Gebirges, dem sogenannten kleinen Chingan mit 2 Kosaken, einem Tungusen und einem Hunde in einem selbsterbauten Block- hause. 1859 erforschte er den östlichen Sajan, die Quellgebirge des Irkut, die östlichen Quellen des Jenissei und erstieg den 3500 m hohen Munku-Sardyk. Nach Gründung einer Kosaken- Stanitza, nach ihm Raddowka genannt, kehrte er im Winter 1860 mit reichen zoologischen und botanischen Sammlungen nach 5jährigem Einsiedler-Leben nach Petersburg zurück.

Die Resultate dieser Forschungen sind veröffentlicht in den Schriften der Kaiserlich Russischen Geographischen Gesellschaft, im Bulletin der Kaiserl. Russischen Akademie der Wissenschaften, im 23. Bande der Beiträge zur Kenntnis des russischen Reichs (Berichte über Reisen im Süden von ÖOstsibirien) und in einem zweibändigen selbständigen Werke: „Reisen im Süden von Ost- sibirien: I Die Säugetierfauna, Il. Die Festlandornis“, das von der Akademie der Wissenschaften herausgegeben und mit dem Demidow-Preise belohnt wurde. Einiges erschien auch in „Peter- manns Mitteilungen“, z. B. „3 Vorträge über den Amur‘ 1860 und 1861 und in den Veröffentlichungen der Danziger Natur- forschenden Gesellschaft.

Nach seiner Rückkehr nach Petersburg wurde er zum Kon- servator bei der Akademie ernannt, begleitete die Akademiker von Brandt und von Baer auf mehreren wissenschaftlichen Reisen nach Südrussland und wurde 1863 als Direktor des transkauka- sischen Museums und Leiter der öffentlichen Bibliothek nach Tiflis berufen, wo er bis zu seinem Lebensende blieb. Am 21. Juni 1863 vermählte er sich mit Marie, der Tochter des Akademikers von Brandt.

Die wissenschaftliche biologisch-geographische Er- forschung der Kaukasus-Länder war von nun an seine Lebensaufgabe. Jahr für Jahr durchstreifte er unermüdlich den kleinen und grossen Kaukasus, die Tiefländer zwischen bei- den Gebirgen, die Umgebung des Kaspischen Meeres, er beob- achtete und sammelte in den kolchischen Hochtälern, in Svane- tien, in den Quellgebieten des Rion und Ingur, am Elbrus (bis

Gustav Radde 7. 3

14300 Fuss), bei den Chewsuren, Tuschen, Pschawen, im Hoch- gebirge des Daghestan, im Quellgebiet des Argun, in den Hoch- tälern des westlichen Kaukasus bis zu der Küste des Schwarzen Meeres, in Talysch am Kaspischen Meer, am Salawan, im arme- nischen Hochlande, am Ararat (bis 14500 Fuss) und Alagös, am Goktschai-See, an den Quellen der Kura, in Karabag, Transkas- pien und Chorassan.

Ausser diesen besonders Transkaukasien und Zentral-Asien betreffenden Reisen, hatte Radde das Glück, mehrere Male zum Begleiter auf Reisen russischer Grossfürsten auserwählt zu werden. Als er nach Tiflis kam, war der Grossfürst Michael Nicola- jewitsch Statthalter des Kaukasus. Dieser in hohem Grade für wissenschaftliche Bestrebungen empfängliche Fürst hatte die ausserordentliche Bedeutung eines so allgemein naturwissenschaft- lich durchgebildeten Mannes, wie Radde, richtig erkannt und zog ihn immer näher und näher an die grossfürstliche Familie heran. Ein wahres Freundschaftsverhältnis entwickelte sich zwischen Radde und dem ältesten Sohne des Grossfürsten Michael Nicolajewitsch, dem Grossfürsten Nicolai Michailowitsch, und Radde erhielt den Auftrag, den Grossfürsten 1870 auf dessen Reise in die Tiefländer des Kaspi-See’s zu begleiten, ähnlich 1888 bei einer Erforschungs- Reise nach Kolchis und Svanetien. In den Jahren 1890 und 1891 begleitete er die jüngeren Söhne des Grossfürsten Michael Nico- lajewitsch, Alexander und Sergei, auf der Yacht „Tamara“ für 9 Monate nach Ceylon, den Sunda-Inseln und Vorderindien und in den Jahren 1895 auf der Yacht „Polarstern“, und 1898 auf der Yacht „Sarniza‘‘ (Wetterleuchten) ging er zur Begleitung des damals schon schwerlungenkranken Grossfürsten Thronfolger und Caesarewitsch Georg Alexandrowitsch auf mehrere Monate nach den nordafrikanischen Küstenländern, nach Algier und Tunis, und streifte weiter südlich in mehreren Landtouren bis zum afrikanischen Wüstenrande.

Die Beschreibungen dieser Reisen sind meistens in selb- ständigen Werken erschienen, vieles damals in geographischen (namentlich „Petermann’s Mitteilungen) und naturwissenschaft- lichen Zeitschriften, wie „Journal für Ornithologie“ und ‚Ornis“ ver- öffentlicht. Von selbständigen grösseren Werken seien erwähnt: „Berichte über die biologisch-geographischen Untersuchungen in den Kaukasusländern“, „Die Chewsuren und ihr Land“, „Reisen an der russisch-persischen Grenze: Talysch“, „Wissenschaftliche

1*

4 Rudolf Blasius:

Ergebnisse der Expedition nach Transkaspien, Bd. I, Zoologie“; verschiedene Ergänzungshefte von Petermann’s Mitteilungen („Vier Vorträge über den Kaukasus“, „Aus den Hochalpen des Daghestan“, „Karabagh“, „Das Ostufer des Pontus‘“, „Der Nordfuss des Da- ghestan“, „Transkaspien und Chorassan“); „23000 Meilen auf der Yacht „Tamara“, Reise Ihrer K. K. Hoheiten der Grossfürsten Alexander und Sergei Michailowitsch nach Ceylon, den Sunda- Inseln und Vorder-Indien“ (russisch).

Die Resultate seiner speziell naturwissenschaftlichen For- schungen hat er zusammengefasst in: 1) „Die Ornis caucasica“ (von der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg mit der Makarow-Prämie gekrönt), 2) „Die Fische der Kaukasusländer“, 3) „Die Grundzüge der Pflanzenverbreitung in den Kaukasus- ländern (als 3. Band des Sammelwerkes der Professoren Engler und Drude „Die Vegetation der Erde‘, Leipzig, Engelmann, 1899), endlich 4) „Die Sammlungen des Kaukasischen Museums“, ein Werk, das auf 6 Bände berechnet war, wovon aber bis jetzt nur 4, Zoologie, Botanik, Geologie und Archaeologie erschienen sind.

Mir ist das seltene Glück geworden, diesen hochgegabten unermüdlichen Forscher seit ungefähr 40 Jahren persönlich ge- kannt zu haben und ihm in der freundschaftlichsten Weise näher setreten zu sein. Nach dem er seine Amur-Reise vollendet hatte, kam er nach Braunschweig, um meinen Vater persönlich kennen zu lernen. Da sah ich ihn Anfang der 60er Jahre als junger Student in meinem elterlichen Hause, ein unauslöschlicher Ein- druck, den ich nie vergessen werde. Die Freundschaft, die ihn mit meinem Vater verband, übertrug er auf dessen Söhne, meinen Bruder Wilhelm und mich, 5 mal besuchte er mich, jedes Mal auf mehrere Tage, in meinem Hause in Braunschweig, zuletzt 1899 mit seiner Frau, 1885 war ich mit meinem Vetter, Oberst- leutnant Brenning, mehrere Wochen bei ihm in Tiflis; auf mehreren Kongresse, so 1884 auf dem ersten in Wien und 1900 auf dem dritten internationalen Ornithologen-Kongresse in Paris waren wir zusammen, seit 1878 unterhielten wir einen regen Briefwechsel (über 100 Briefe verwahre ich als teures Andenken meines mir unvergesslichen Freundes!). So habe ich einen tiefen Einblick gewinnen können in Radde’s Entwicklung als Mensch und als Pionier der Wissenschaft.

Am besten lernt man den Menschen kennen im traulichen Gespräche unter guten Freunden und aus seinen Briefen. Einiges

Gustav Radde 7. 5

hieraus will ich zur Charakterisierung Radde’s mitteilen, zunächst aus den an meinen Vater gerichteten Briefen, dann aus den an die „lieben Braunschweiger“ Adolf Nehrkorn, Wilhelm und Rudolf Blasius. Der älteste Brief, den ich besitze, ist geschrieben am 7./19. Oktober 1857: .‚In Ching-gan Gebirge am linken Amur- ufer, etwas oberhalb der Mitte des Ching-gan, 60 Werst strom- abwärts von seinem Beginne; auf meinem neu erbauten Schlosse‘. Ohne hier auf alle zoologischen Einzelnheiten einzugehen, will ich nur die geradezu klassische Schilderung mitteilen, die Radde uns von der Umgebung seines „Schlosses“ (es war dies ein ein- faches, von ihm selbst erbautes Blockhaus, in dem er monate- lang wohnte) und dem Leben im Urwalde gibt:

„Jetzt endlich sind die Urwälder, die mich hier rings um- geben, einigermassen gelichtet und das Auge hat wenigstens auf den Höhen diejenige freie Gewalt, die ihm nötig ist zum Auf- spüren jeglichen Wildes. Nur in den Tälern verhindern dicht- gedrängte Gebüsche, besonders einer stacheligen Epheu - Art (Hedera senticosa) sowie Philadelphus sp. im Vereine mit Corylus rostrata, Berberis sp. etc.) das deutliche Sehen und so kam es, dass wir, ich und mein Tunguse, gestern ein Tigerweibchen mit Jungen, auf welches unser Hund uns aufmerksam machte, nicht gewahr wurden. Sie werden gewiss begierig sein, etwas Näheres über F. tigris zu hören und da kann ich denn Ihnen der Wahrheit gemäss Folgendes sagen: Der Tiger ist hier ein beständiger und namentlich im unteren Teile des Ching-gan ein recht häufiger Be- wohner, sodass ich fast mit Sicherheit darauf rechne, ihn irgendwo zu schiessen oder zu vergiften. In diesem Sommer wurde ein junges Weibchen 25 Werst unterhalb meiner Wohnung erlegt, und ich habe die sehr schöne Haut käuflich an mich gebracht. Auch schwamm vor fast einem Monat ein mächtiger Tiger durch den Amur und landete wenige hundert Faden von unserer Wohnung, wurde indessen zu spät bemerkt, um erlegt werden zu können. Viel seltener ist F. irbzs hier, die aber in den Ebenen des Son- gari vorkommen soll. Dagegen wird das Vorkommen des Luchses mir durch die Jagd treibenden Solonen (etwa 20 Seelen im ganzen Ching- gan, ein Mongolenstamm friedlicher Natur) als nicht selten angegeben, und tiefer im Hochgebirge soll Canis alpınus („Dschergül‘“ genannt) in kleinen Gesellschaften hausen. Bären gibt es hier die schwere Menge, leider aber sind sie sehr furcht- samer Natur, so dass wir, obgleich wir bei unseren Jagden viele

6 Rudolf Blasius:

sahen, nur wenige erlegen konnten. Wenn Sie einen Tag hier in der Wildnis spazieren gehen würden, so bin ich überzeugt, dass Ihnen 10—15 Petze begegneten, die aber alle so flink sind und Reissaus nehmen, dass selbst unser guter Hund sie nicht stellen kann. Besser aber werden wir mit den Wildschweinen fertig, ein erlegter Eber gab uns 10 Pud prachtvolles Fleisch, und Hirsch und Reh werden zur Genüge für mich und meine 4 Leute getötet. Ich lebe, wie Sie schon bemerkt haben werden, ein wahres Jägerleben, und das muss auch geschehen, wenn man sich in menschenleeren Urwäldern wohl befinden will. Die Jagd erhält mich frisch, gesund und mutig, sässe ich hier in meiner Stube und wollte auf europäische Weise leben, so würden Miss- mut, Langeweile etc. mich bald befallen und dann sich traurige Folgen anderer Art nur zu bald einstellen; denn Sie müssen wissen, dass ich, obgleich Gottlob für den Winter geborgen und ohne Mangel am Nötigsten zu leiden, doch viele Entbehrungen zu ertragen habe, wie solches nicht anders möglich ist, wenn man dergleichen Unternehmungen macht. Allein ich darf auch Ihnen sagen, dass mir bei Schwarzbrot und selbsterlegtem Wilde in diesen Einsamkeiten durchaus nicht die frohe Stimmung fehlt und dass ich als leidenschaftlicher Jäger ebensoviel Zerstreuung im Urwalde mir suche, als ich brauche, um Sehnsucht zum Westen mit Gleichmut zu ertragen. Ich habe die Wälder sehr lieb ge- wonnen, wer sich mit ihnen befreundet und ein wenig die tausend- fachen Stimmen der freien Natur versteht, der findet für Herz und Kopf, sei er selbst ganz isoliert, genug Stoff zu jeder Zeit.“

Die schalkhafte Ader Radde’s, die er in seinem späteren Alter so meisterhaft in der mündlichen Unterhaltung zeigte, spricht schon aus einem Briefe vom 9./21. August 1858 „Im Ching-gan in meiner Wohnung“: „Verehrtester Herr Professor! Ich muss Ihnen diesmal einen Irrtum nehmen, den Sie über meine Person haben. Ich bin gar nicht, wie Sie glauben, Dr.; obgleich es mir recht lieb wäre, wenn ich es sein würde. Seit dem 20. Jahre treibe ich mich ununterbrochen in Gottes freier Natur umher und dafür bekommt man keinen gelehrten Grad. Die schöne Zeit vor dem 20. Jahre habe ich leider so gut wie ganz für meine jetzige Laufbahn verloren, da fast 4 volle Jahre in einer Lehre zugebracht wurden, die strenge sein musste und die zwar zur Bildung meines Charakters viel beigetragen, allein zur Kenntnis der Natur nur sehr wenig. Das, was ich von der

Gustav Radde 7. 7

Natur weiss, verdanke ich einigen wohlwollenden Lehrern und Freunden, manchen Büchern, mir selbst und endlich meinen Reisen, die unter den kläglichsten Umständen begonnen, dafür ein recht günstiges Ende scheinen nehmen zu wollen. Auch soll der Magister oder Doktor später noch kommen, denn da die Hunde ohne Halsband und Namen, wie Sie wissen, ein schlechtes Leben auf offener Strasse führen und zuletzt doch nur dazu dienen, dass man ihnen das Fell über die Ohren zieht und es benutzt; so will ich mir solche Hunde zum Beispiel nehmen“ ..... „Jetzt hat man in der Nähe meines Schlosses eine Kosakenan- siedlung gegründet, deren Kommandeur ich für die Zeit meines Hierseins bin, und hat sie nach mir benannt „Raddedorf“.‘“ Schon auf der Rückreise begriffen, gibt er meinem Vater in einem Briefe vom 29. Januar /10. Februar 1859 eine schöne kurze nnd characteristische Schilderung der Flora des mittleren Amur-Landes mit Streiflichtern auf die Fauna: „Was mir in der ganzen organischen Schöpfung am mittleren Amur besonders auffiel und wohl die sorgsamste Prüfung bei späterer Bearbeitung erfordern wird, ist: der schneidenste Contrast vieler Tier- und Pflanzenformen im Vergleiche zu den dort waltenden klimatischen Zuständen. Es gehören diesen Gegenden, die im Winter die strengste Kälte eines continentalen Klimas heimsucht, eine ge- wisse und nicht geringe Anzahl fast tropischer Pflanzen und Tiere an. Papilio Maakii (eine neue Art, von der ich etwa 80 Prachtexemplare mitbringe) ist eine jener tropischen Formen, und wintert als Puppe (2te Brut) bei anhaltender arktischer Kälte (30—35° R); freilich sind die Frühlings-Exemplare (April) fast nur halb so gross als die Sommerexemplare, allein es kommt uns hier nicht auf relative Grösse, sondern vielmehr auf über- raschende Lebenszähigkeit an. Es liegt mir nun leider nur ein an mehreren Stellen in kleinen Intervallen unterbrochener Jahreseyklus meteorologischer Beobachtungen vor, da ich allein reise und Niemand während der unvermeidlichen Exeursionen ablesen und notieren konnte; allein etwas ist besser als garnichts und annäherungsweise wird sich wohl die mittlere Jahrestempe- ratur ermitteln lassen, und somit kann es sich herausstellen, ob sich die manigfaltigen Beispiele aus der belebten Natur, hier den bis dahin gültigen Theorien über die Abhängigkeit der Pflanzen vom Klima werden fügen wollen oder nicht. Bis jetzt kann ich Ihnen nur sagen, dass ebensowohl der plötzliche Wechsel südlicher

8 Rudolf Blasius:

und nordischer Typen, wie auch der augenscheinliche Wider- spruch der organischen Schöpfung zum Klima den mittleren Amur nicht nur zur interessantesten Gegend, sondern auch zur wichtigsten in Ostasien macht.“

Schon als junger Mann, Ende der 20er, hatte Radde diesen weiten Blick bei seinem Aufenthalte in der freien Natur. Diese ausgezeichnete Gabe, nicht bioss Pflanzen oder Tiere zu sehen oder zu sammeln, sondern zu gleicher Zeit ein offenes Auge zu haben für geologische, geographische, ethnographische und archaeologische Fragen, wurde gerade während der Hauptarbeits- zeit seines Lebens, als es galt, die Kaukasusländer zu erforschen und im Transkaukasischen Museum in Tiflis ein Bild des Er- forschten zu geben, besonders ausgebildet. Dazu kam eine ur- sprünglich vortreffliche Gesundheit und ein eiserner Fleiss im Ar- beiten bei einer übrigens für materielle Genüsse durchaus nicht enthaltsamen Natur.

Nachdem Radde 1878 nach Besuch des Pariser interna- tionalen Kongresses der Botaniker zum ersten Male einige Tage bei mir in Braunschweig gewohnt hatte und wir manches Stündchen im Kreise guter und andächtig seinen Schilderungen lauschender Freunde zugebracht hatten, schrieb er mir am 12./24. Juni 1879 aus Tiflis: „Ich sass seit Januar wie festgenagelt an meiner Ornis caucasica. Jetzt bin ich freier, weil die Systematik mit ca. 400 Arten einstweilen abgeschlossen wurde. Ich kam gestern von einer Reise zum Kasbek zurück und sehe jetzt überall aus- schliesslich mit ornitholegischen Augen, um meine Beobachtungen im Manuskripte zu vervollständigen. Der eigentliche Zweck der Reise war ein botanischer. Ich habe ca. 50 Arten hochalpine Pflanzen mit Erdballen in vielen Exemplaren gehoben und sie lebendig nach Petersburg expediert. Ein Teil wird erst dort in der sibirisch -kaukasischen Alpengruppe auf’s Neue erwachsen. Die Pflanzen wurden in 9—11000° Meereshöhe genommen, es sind Pedicularis-, Anemone-, Androsace-, Primula-, Pulsatilla-, Alsine-, Draba-, Gentiana- etc. Arten. Ich hatte scheussliches Wetter, ich schimpfte den Geist des Kasbek, aber es half nichts. Fast den ganzen Tag dort oben Schnee und Regen ich wurde ganz nass. 3 Carabus Pushkinii brachte ich dito mit, mehrere Pierostichus- und Nebria-Arten. Nun kam ich Abends auf die Poststation, so zu sagen „mistnass,“ trank einen riesigen Schnaps, ass Forellen aus den Terek -Quellen

Gustav Radde 7. 9

und legte mich totmüde hin, schlief bis 3 Uhr, es goss wie aus Eimern, ich duselte weiter. Es wurde hell. Wieder Nebel, Regen und damit Basta! Ich liess den Postkarren anspannen, zog meine Filzburka über den Kopf und flog im Regen mit dem Dreigespann davon. So wurden 23 Meilen in 24 Stunden zurückgelegt und ich kam im heissen Tiflis am anderen Morgen an. Reine Wäsche, 2 Stunden Schlaf Kopfschmerzen. Ich denke an Typhus ich stehe auf, es geht gut; nochmals 4 Stunden Schlaf, ich stehe auf, es geht gut. Ich expediere meine Pflanzen nach Petersburg, es ist abends, ich bekomme Appetit

am anderen Morgen ganz frisch und gesund. Ich muss mich beim lieben Herrgott recht sehr für so starken Körper be- danken. Das tue ich auch oft“....... „Bei Gelegenheit von

Lanius Homeyeri komme ich auf den „Ragout fin“, den Cabanis mir in Bezug auf excubitor und major im Journal zum Vorwurf macht, zu sprechen (nämlich in der Ornis caucasica. Bl.). Die weissen Binden der Flügel sind sehr variabel. Das sind keine Arten. Nicht anders geht es mir mit den 6 oder 7 Species, die man aus Phileremos alpestris und aus Garrulus glandarius creirt hat. Dass man unterscheidet, ist gut; dass man aber Alles trennt, was geringfügige Farben-Varietät ist, das ist nicht gut. Dadurch wird vor Allem das geographische Verständnis für weit verbreitete Species gestört und nicht selten ganz unmöglich gemacht. Blanford geht noch weiter als Cabanis. Seine Rubecula hyrcanica ist absolut gleich dem Rotkehlchen. Ich kann meinen Standpunkt nicht ändern, so lange ich nicht bessere Beweise für den Wert der Species habe, als die bei- gebrachten sind. Bei den Saxicola-Arten ist die Verteilung von Schwarz und Weiss ebenfalls sehr variabel. Ich halte an den Ansichten Pallas’, Gloger’s, Middendorff’s Schrenk’s und namentlich an denen Ihres Vaters fest, freilich wird Bremen und Berlin mich dafür schmähen“.

Die Speziesmacherei der damaligen Zeit beschäftigte Radde immer auf das lebhafteste, so schreibt er mir in einem Briefe vom 14. Oktober 1880, eben zurückgekehrt von einer Sammelreise nach Lenkoran: „An E. von Hömeyer ist vorgestern langer „offener Brief“ zum Druck abgegangen. Da haben wir es nun, Homeyer selbst zieht Lanius major, excubitor und Homeyeri jetzt zusammen. Cabanis hat mir seiner Zeit im Journal einen „Ragout“, den ich gekocht hätte, vorgeworfen. Ich habe ihm,

10 Rudolf Blasius:

bevor ich Homeyer’s letzte Arbeit kannte, in meiner Ornis aus- einandergesetzt, dass ich trotz feiner Nase und einer gewissen Gourmandise diesen Ragout nicht im Stande war, zu entwirren, und dass der liebe Herrgott selbst ihn so gekocht hatte Behm wird in Gotha bald drucken (Bericht über Lenkoran in Peter- manns Geographischen Mitteilungen! Bl.) und wenn auch, dem Zwecke der Zeitschrift entsprechend, dort vornehmlich Geogra- phica behandelt werden, so bietet doch auch die Lebensweise der Vögel ausserordentlich viele Beziehungen zu Land und Klima, Boden und Nahrung, so dass er in geographischer Beziehung oft interessanter wird als in systematischer. Dies gilt gerade vom Kaukasus. Die wesentlichsten Gesichtspunkte Gioger’s teile ich vollkommen und bin stolz darauf, ein Jünger Pallas’ zu sein... . Die Zeit der Reformation auf dem Gebiete der syste- matischen Ornithologie tut sehr Not.“

1881 tagte der V. Archäologen-Kongress in Tiflis, und Radde hatte als Präsident des disponierenden Komites die Reise mit den Kongressmitgliedern nach Kutais zu arrangieren.

Im Winter 1882/83 war Radde wieder in Deutschland und hatte die Ehre, Seiner Kaiserlichen Königlichen Hoheit dem Kronprinzen Rudolf von Österreich am 2. Februar seine im Manuskript fertig gestellte Ornis caucasica in Prag im Hradshin zeigen zu dürfen. Er schreibt mir unter dem 2. Februar 1883 aus Prag: ‚Seit gestern Abend bin ich hier im Palais Seiner Kaiserl. Hoheit und erfreue mich der grössten Liebenswürdigkeit, die man sich nur wünschen und denken kann. Wenn alle Kron- prinzen der Erde so freundlich und gescheut, wie dieser, wären, so müsste man sie beneiden und jeder anderen Staatsform ausser der constitutionellen Monarchie fluchen. Es gibt viel zu er- zählen und auch die Allergnädigste Kronprinzessin hört, wie es scheint, ganz gern zu. Mein Leben, lieber Freund, ist reich, und ich habe in der Tat die Gabe vom Himmel erhalten, mein treues Gedächtnis mit der Phantasie einigermassen zu schmücken und meine gehorsame Zunge dann sprechen zu lassen. Nach einer halben Stunde bringe ich dem Prinzen meine Ornis und halte Vortrag. Er steht in Bezug auf Spezies-Begriff durchaus ganz auf unserem Standpunkt, und es wäre wünschenswert, wenn er sich an die Spitze der reformierenden Richtung stellen wollte.“ Von Prag ging’s über Wien zurück. „Das Ende der Reise war schlecht (schreibt mir Radde im Briefe vom 24. Febr. aus

Gustav Radde 7. 11

Tiflis!), man sagt ja gewöhnlich: Das dicke Ende kommt nach, und so ist es mir gegangen. Nach 2tägigem Aufenthalte in Wien, wo ich auch Pelzeln sah (er steht auf unserem Standpunkte in der Systematik) ging ich an die Grenze und nach Odessa in der Hoffnung, dort sofort ein Schiff nach Batum zu finden. Aber der Hafen war zugefroren und es setzte bei NO. so starke Kälte ein, dass an ein Fortkommen nicht zu denken war. Ich wartete 9 Tage und machte mich dann per Bahn über Charkow nach Wladikawkas auf, wo ich am 4. Tage Abends ankam, sofort an- spannen liess und Gott sei Dank schon in der Nacht das Gebirge mit seinem 8400’ hohen Pass forcierte und um 4 Uhr Nachmittag in mein Haus trat.‘‘ Die nächsten Monate wurden nun ganz der Fertigstellung der Ornis caucasica gewidmet. Mein Bruder Wilhelm und ich hatten die Korrektur des bei Fischer in Kassel erscheinenden Werkes übernommen, um das zeitraubende Hin- und Hersenden nach Tiflis zu vermeiden.

Nebenher beschäftigte sich Radde auf das Eingehendste mit dem auch decorativ prächtig auszustattenden Gebäuden des Museums und der Bibliothek in Tiflis. Bei seiner künstlerischen Veranlagung hatte er grossartige Pläne. So schreibt er mir unter dem 10. December 1883, nachdem er sich eingehend über den Druck der Ornis caucasica mit mir verständigt hatte, Fol- sendes: „Ich lebe und webe seit 2 Monaten in ganz anderen Sphären! Ich will Museum und Bibliothek durch eine „Ruhmes- halle“ verbinden und darin 15 riesige Fresken malen. Sie sollen die Haupterfolge der russischen Waffen in Vorderasien im Bilde für alle Zeiten fesseln. Dazu in Vitrinen der Nachlass der Heroen und die sonstigen Decorationen, vornehmlich durch Kriegstrophäen hergestellt. Ich habe mich derartig in diese Ideen hineingelebt, dass ich sie nicht mehr los werden kann und, da sie allerseits die grösste Sympathie hier finden, so zweifle ich gar nicht an der endlichen Ausführung. Bereits wird über das Terrain unter- handelt und mein Project will der Fürst Dondukow persönlich S. M. dem Kaiser vorlegen und um die Erlaubnis einer allgemeinen Subscription bitten. Die Sache muss gehen und in meiner leb- haften Phantasie sind schon alle Bilder fertig. Ich male schon. In 4 Jahren muss Alles fertig sein.“

Im Frühjahr 1884 ging Radde zum ersten internationalen Ornithologen-Kongresse nach Wien. Vom 7.—14. April waren die bedeutendsten Ornithologen der Gegenwart dort versammelt.

12 Rudolf Blasius:

Der hohe Protector, Kronprinz Rudolf, eröffnete die Versamm- lung mit jener für alle, die sich mit Ornithologie beschäftigen, unvergesslichen Rede: „Seien wir nur eingedenk der Tatsache, dass die Ornithologie, der zu Ehren wir uns heute hier vereinigt haben, ein schöner und wichtiger Teil der Naturwissenschaften ist, und die Naturwissenschaften mit ihren klaren, realen Thesen, mit ihrer Erforschung der Naturgesetze, mit ihrer Nutzbarmachung der Naturkräfte, haben diesem Jahrhundert den Stempel aufge- drückt, und unter dem Zeichen wahrer, weil wissenschaftlich be- sründeter, Aufklärung, dringen sie siegreich vor, die Forscher, gleichviel, ob ihre Werkstatt aufgeschlagen ist in hoher Stern- warte, im chemischen Laboratorium, im Seziersaale, in der Studier- stube, oder in Walde draussen bei der Beobachtung des Lebens, Schaffens und Vergehens in der Natur.“ Radde wurde zum Prä- sidenten gewählt und leitete die Versammlungen bei seiner ausser- ordentlichen Sprachgewandtheit (er sprach ausser russisch und deutsch, fertig französisch und konnte sich sehr gut englisch verständigen!) vortrefflich. Ausserdem erfreute er uns mit einer farbenreichen Schilderung seiner Reisen im Kaukasus, am Ararat und am Kaspischen Meere. Schöne unvergessliche Tage verlebte ich mit ihm zusammen in Wien. Hochinteressant war unser ge- meinschaftlicher Besuch beim Prinzen Ferdinand von Coburg (jetzigem Fürsten von Bulgarien), bekanntlich einem eifrigen sehr tüchtigen Ornithologen, der uns selbst in seiner grossartigen Vogel-Voliere umherführte, einem prächtigen luftigen, mit Dampf- heizung mässig erwärmten Raume, in dem wohl einige hundert der seltensten ausländischen, namentlich südamerikanischen, Vögel wie in einem tropischen Urwalde untergebracht waren und ihren lustigen Gesang erschallen liessen.

Am 22. April wurde er in die Gesellschaft zur „Grünen Insel‘ als fahrender Ritter Prometheus in den Ritterbund aufge- nommen und mit folgendem Hymnus feierlich bewillkommnet

Der Du von Tiflis mit dem Zug der Wandervögel

Zum Strand der lieben blauen Donau kamst Und von der „grünen Insel“ Ritterordensregel Und ihrem schlichten Wirken Kenntnis nahmst, Sei uns gegrüsst in uns’rer treuen Freundesrunde, Du Mann der Wissenschaft aus fernem Land, Und lass nicht reuen Dich die hier verlebte Stunde, In der Dein Herz hier Treue fand!

Gustav Radde y. 13

Als Forscher der Natur kennst Du die vielen Arten Der Vögel, die da nisten, gross und klein, Vom mächtigen Adler bis zum Kolibri, dem zarten, Dir dürfte unbekannt kein Vogel sein. Hier findest lust’ge Vögel Du von allen Sorten, Für die im Winter selbst der Lenz nicht schied, Zur Fröhlichkeit dressiert, sogar zu ernsten Worten, Treu deutscher Kunst und echtem deutschen Lied. Als Bruder grüssen Dich hier geistverwandte Brüder Und bleiben Freunde Dir auf Lebenszeit; Drum, kehrst zurück Du in die ferne Heimat wieder, Gedenke ihrer stets mit Freundlichkeit! Ornitholog, uns allen endlos lieb und teuer, Du siehst, dass Wien so Kunst als Wissen pflegt, Und dass so mancher lust’ge Vogel goldene Eier Im scheinbar unscheinbaren Neste legt.

Dann fuhr er weiter durch Deutschland über seine Vater- stadt Danzig, die er niemals zu besuchen vergass, wenn er sich auf europäischen Boden befand, nach St. Petersburg zum inter- nationalen Botaniker-Kongress. Derartige Reisen nach der Haupt- stadt des russischen Reiches waren notwendig, um sich einmal wieder in Erinnerung zu bringen. und neue Gelder für wissen- schaftliche Expeditionen und Publicationen flüssig zu machen. Sind diese bewilligt, dann sprudelt Radde förmlich vor Freude über. So schliesst er seinen Brief vom 3. Juli 1884 in höchst characteristischer Weise, in dem er auch der schönen in Braun- schweig und Riddagshausen verlebten Tage gedenkt: „Unser neuer Etat ist am 8. Mai von Sr. Majestät bestätigt worden und haben wir die Summe von 13000 Rubel pro Jahr schon vom 1. Januar dieses Jahres zur Disposition gestellt erhalten. Damit sind denn die lahmen Flügel gesund geworden und ich werde nun auch für Spirituosen sorgen können. Nun wünsche ich Euch einen sonnigen Nachmittag und eine Ausfahrt zur Schwiegermama (diese wohnte damals auf einem grossen parkartigen Garten vor der Stadt! Bl.), einen guten Kaffe mit Kuchen, einen schönen Sonnen- untergang und vielleicht, obgleich das schon Etwas zu spät sein dürfte, den Amselschlag. Schön ist es bei Euch doch. Nehr- korn meine Empfehlungen, die ganze Familie miteingeschlossen. Die Karpfenteiche dazu! (Es war Radde’s grösstes Vergnügen,

14 Rudolf Blasius:

bei seinem Hiersein der grossen Fischerei der Riddagshäuser Teiche beizuwohnen und oben im Saale des Fischmeisterhauses in gemütlicher Gesellschaft zu frühstücken! Bl.) Ich hoffe, nächstens wieder aus Kassel etwas zu erhalten. Ich muss frei werden und dann nur an Merw und die Expedition dorthin denken. Ich mache den liebenswürdigen Damen einen tiefen Knix allerseits hin, grüsse die Kinderchen und schüttle Euch in treuer Freund- schaft die Hand. Euer Gustav der Schöne.“

Im Juli ging Radde nach den Siemens’schen Kupferwerken in Kedabeg und von dort gegen 8. S.W. in das Hochgebirge von Karabageh und an die Ostseite des Goktschai-Sees, hauptsächlich um in Höhen von 12000‘ Pflanzen zu sammeln.

Im Winter 1884/85 schrieb R. sein grosses Werk über Talysch. 17. Januar 1885 heisst es in seinem Briefe: „Täglich schreibe ich 10—12 Druckseiten, dabei wird mir aber die Hand- wurzel heiss und der Arm schmerzt, auch die Augen lamentieren schon. Erst in den Wüsten wird es mir besser gehen.“

Im Sommer 1885 durchstreifte er das südliche Daghestan vom Bogos bis zum Schach- dagh und kehrte im August nach Titlis zurück, um meinen Vetter Oberstleutnant Brenning und mich, die wir die längst verabredete Reise nach dem Kaukasus unter- nommen hatten, in seinem Hause gastlich aufzunehmen. Das waren schöne unvergessliche Wochen, die wir dort zusammen verlebten. Am 29. August trafen wir nach einer Reise durch die Krim, über das Asowsche Meer, Rostow, Wladikawkas und das Hochgebirge des Kaukasus per Post in Tiflis ein.

Ein wahres Vergnügen war es, die Räume des Museums zu durchwandern und sich von Radde in die Kenntnis der Kauka- sischen Menschen-, Tier- und Pflanzenwelt einführen zu lassen und dabei die köstlichen Schilderungen seiner Reisen von Mund zu Mund bei fast jedem Stücke des Museums zu hören. Staunens- wert ist es, was dieser eine Mann schon damals dort in diesem Muster - Museum zusammengebracht hatte. Mit Radde’s Em- pfehlungen ausgerüstet, machten wir die interessantesten Ex- kursionen in die nähere und weitere Umgebung. Am 1. September brachen wir auf nach dem Siemens’schen Kupferbergwerke Keda- beg, wo wir in dem gastfreundlichen Familienkreise Bolton, des damaligen Direktors des Werkes, köstliche und interessante Tage verlebten. Dann fuhren wir, wieder mit Empfehlungen von Radde ausgerüstet, am 11. September nach Baku und

Gustav Radde }. 15

besichtigten dort die: hochinteressanten Naphta - Quellen, den sogen. Tempel des Zoroaster und die Petroleumraffinerien. Am 15. September unternahm Radde mit uns eine gemeinschaftliche Tour nach Borshom, dem Sommer-Aufenthalte des Grossfürsten Michael Nicolajewitsch und seiner Familie. Im Kavalierhause wurden wir untergebracht und hatten die Ehre, von Seiner Kaiser- lichen Hoheit im Schlosse empfangen und auch der Grossfürstin Olga, einer Schwester des Grossherzogs von Baden, vor- gestellt zu werden. Es war ausserordentlich interessant für uns, die ganze grossfürstliche Familie, auch die Söhne, darunter den ältesten Nicolai Michailowitsch (bekannten Lepidopterologen) kennen zu lernen, die alle in so überaus entgegenkommender Weise die wissenschaftlichen Arbeiten Radde’s unterstützt hatten und seine vortrefflichen Eigenschaften als Pionier der Wissen- schaft und anregenden Gesellschafter zu schätzen wussten. Auf Freitag, den 18. September, wurden wir zu einer grossen Jagd auf Gemsen, Bären und Hirsche eingeladen. Nichts kann bezeichnender sein für das innige freundschaftliche Verhältnis, in dem Radde zu seinen grossfürstlichen Gönnern stand, als der Verlauf dieser Jagd. Ich lasse meine Tagebuchnotizen folgen: „51/, Uhr stiegen wir auf die uns vorgeführten Kaiserl. Kosakenpferde, Gewehre und Patronen erhielt der Kosak. Ich hatte glücklicher Weise ein sehr ruhiges Pferd, sehr guten Sattel und sehr gute Steig- bügel (N.B. ich bin an und für sich kein guter Reiter, hatte aber vor 8 Tagen in Kedabeg noch das Unglück gehabt, beim Sturz mit dem Pferde mir eine schwere Kontusion des rechten Schien- beines zuzuziehen, sodass ich selbst beim Gehen noch sehr be- hindert war). Auf dem Jagd-Rendez-vous an der 5. Brücke oberhalb der Schlucht, waren wir, Radde, Brenning und ich, von den Jägern die ersten, nur 1 Kosaken-Offizier mit 12 Kosaken waren bereits anwesend. 61/, Uhr kam der Grossfürst Michael mit seinem ältesten Sohne Nicolai angefahren, stieg aus, be- grüsste uns Alle, reichte Jedem von uns die Hand und liess uns aus seiner Hand die Nummern für die Stände ziehen. Die übrigen Jagdgäste, namentlich der Fürst Bariatinski, der Stallmeister Dubenski, der Gutsverwalter Wassilei, der Oberförster Kratke waren alle schon vorher eingetroffen. Der Grossfürst stieg in seinem grauen Joppen-Anzuge, nachdem er sich den Baschlik umgeschlagen hatte, zu Pferde und ergriff die T&te, dann ging es, im ganzen wohl 30—40 Pferde, einen unglaublich steilen

16 Rudolf Blasius:

Reitweg immer im Schritt bergan. Nach etwa 20 Minuten hatten wir den Bergrücken erreicht. Auf gutem Fahrwege ging es dann auf diesem zwischen beiden Flüssen liegenden Bergsattel weiter östlich etwa 1 Stunde lang. In einem kleinen Dorfe präsentierte eine Bäuerin Brot und Salz. Endlich hatten wir die Treiber und Hunde erreicht; in 2 Koppeln standen sie dort, der Rüdemann mit dem Horne daneben, einige 20 Kosaken zur Seite. In strammer Haltung wurde der Grossfürst begrüsst. Nun kam ein steiler Abritt, den Brenning und ich lieber zu Fusse machten, unten an der Borshomka angekommen, hiess es nun im reinsten Urwalde, auf einem schier unglaublichen Wege, wobei man Hals und Bein brechen konnte, seinen Stand erreichen. Ich stand in demselben kleinen Seitentale mit dem Grossfürsten Nicolai; Grossfürst Michael hatte den letzten Stand und musste noch viel weiter. Grossfürst Nicolai kam gleich auf mich zu und bat mich, ihm etwas näher zu rücken, damit ich das, was er ver- pudelte, totschiessen könnte; ich tat das aber nicht, da ich sonst. nur 20 Schritte von ihm entfernt gestanden hätte sondern entschuldigte mich und blieb auf meinem Stande (Nummern, die an den Bäumen angeschrieben waren) stehen. Vor dem lauten Rauschen der Borshomka hörte man nichts, endlich kam es mir vor, als ob Hunde über mir jagten, es dauerte fast 1 Stunde, da kamen die Hunde an mir vorbei und bellten verloren, bald erschien auch der Oberförster und teilte mit, dass das Treiben nochmals zurück genommen werden sollte. Auch nichts! Müh- seliger Weg zurück! Wir waren alle ermattet und lagerten uns auf Befehl des Grossfürsten zum Frühstück im Schatten. Köstlicher Fleck in diesem Urwalde von Nordmanns-Tannen! Radde musste, wie üblich, die Hugenotten singen und begann mit den Anfangs- takten des Raoul, die an den Lockruf der Kohlmeise erinnern. Der Grossfürst Nicolai setzte sich, wie gewöhnlich, auf seinen Hut. Sehr nette amüsante ungenierte Jagdunterhaltung, Radde wurde immer per „Du“ angeredet. Es folgte noch ein drittes Treiben, dann wurde der Rückweg, zum Teil zu Fuss, da es sehr steil war, angetreten. Unten am Flusse stiegen wir alle zu Pferde, es ging den steilen Berg hinan, dann immer auf gutem Fahrwege über den Bergrücken hin. Unten dicht über dem Orte Borshom sahen wir den Grossfürsten Michael, der voran geritten war, in schnellem Trabe ankommen. Er rief Dubensky etwas zu und schickte ausserdem einen Kosaken, wir möchten doch so, wie wir

Gustav Radde }. 17

wären, im Palais frühstücken. Ich ritt nun im Schritt direkt dorthin! Wie ich war, in meiner grauen Jagdjoppe! Radde kam bald nach in seiner famosen Joppe. Wir entschuldigten uns wegen unseres Kostüms, aber der Grossfürst hatte es ja so ge- wollt. Sehr bald erschienen der junge Grossfürst Nicolai und der Vater Michael, die sich beide umgekleidet hatten. Nun stellte es sich heraus, dass wir dort dinieren sollten. Die Hof- dame, Fräulein von Ursuff, erschien, also musste auch die Grossfürstin kommen. Wir lernten die beiden jüngsten Gross- fürsten kennen, Sergei und Alexander, den einen älteren in Kadetten-Uniform, den kleinen (ein reizender Junge, ganz wie die Mutter!) in weissem Kittel. Der Grossfürst bat uns nun, zum Diner zu kommen, die Grossfürstin erschien, ich machte meine untertänigste Verbeugung, der Grossfürst führte mich zu dem Tische mit der Sakuska, dann hörte ich, wie er fragte (es wurde immer „Deutsch“ gesprochen), wen sie zu ihrem Tischherrn zu haben wünschte, sie nannte mich und der Grossfürst befahl, dass ich mich zu ihr setzte, er sass auf der anderen Seite, Radde uns gegenüber. Das Diner war ausgezeichnet; als ich die Fisch- suppe nehmen wollte, wehrte die Grossfürstin ab, die könne ich nicht essen, und redete mir zur Bouillon zu. Ich unterhielt mich mit der Grossfürstin ausgezeichnet, gerade so lebhaft, wie mit jeder anderen Dame, viel sprachen wir über unseren verstorbenen Herzog Wilhelm, den sie sehr gut gekannt hatte. Radde nahm in der ungezwungensten Weise an der Unterhaltung teil und schrob sich etwas mit dem Hofmarschall. Nach dem Diner, das wohl 1 Stunde dauerte, bekamen wir eine ausgezeichnete Tasse Kaffee und einen Papyros (Cigarette!), dann empfahlen wir uns der Grossfürstin im Entre-Zimmer und wurden mit der grossen Dolgushka nach dem Kavalierhause gebracht. Unvergesslich schöner Tag!“

Am folgendem Tage fuhr ich mit Radde nach Abastuman über Achalzi. Unter Führung des Dr. Remmert (späteren Generalstabsarztes der russischen Armee) besichtigten wir die grossartigen Badeeinrichtungen, dann am folgenden Tage die Luftbäder für tuberkulöse russische Soldaten. Das ganze Bad liest in bezaubernd schöner Gegend, so dass man es verstehen kann, dass der kranke Grossfürst-Thronfolger hier einen grossen Teil des Jahres sich aufhielt. Am 20. September kehrten wir nach Borshom zurück, um uns der grossfürstlichen Familie mit

Journ. f. Orn, LII, Jahrg. Januar 1904. 2

18 Rudolf Blasius:

den Gefühlen des tiefsten Dankes zu empfehlen, und waren am 22. September wieder in Tiflis, um am folgenden Tage unserem liebenswürdigen Wirte zur Heimreise Lebewohl zu sagen.

Unvergesslich werden mir diese Wochen sein, die ich bei meinem alten Freund Radde zubringen durfte. Unendlich viel Interessantes haben sie mir gebracht, namentlich aber gaben sie mir einen klaren Einblick in das wirklich innige, freundschaftliche Verhältnis, das zwischen der grossfürstlichen Familie und Radde bestand und das so ausserordentlich günstig auf Raddes ganze wissenschaftliche Thätigkeit im Kaukasus einwirkte, indem vor allen Dingen immer die nötigen Geldmittel für seine wissenschaftlichen Expeditionen zur Verfügung standen.

Die schon seit Jahren geplante russische „wissenschaftliche Reise‘ nach Zentral-Asien kam zu Stande Am 28. Juli traf er wieder auf der Rückreise in Aschabad ein. Wie riesengross die Strapazen dieser Reise waren, ergibt ein Brief vom 2. August aus Aschabad: „Ich bin seit 5 Tagen wieder hier, aber halb tot. Alle Mitglieder der Expedition sind mehr oder weniger krank. Ich und Bergingenieur Kontoschin wurden von heftigen Fieber- anfällen heimgesucht. Dr. Walter hat sich am 3. Juni das rechte Bein gebrochen und ist jetzt so weit hergestellt, dass er zu gehen anfängt. Diener und Präparant sind auch leidend. Im Hospital liegen hier über 500 Soldaten an Typhus und Ruhr. Wir haben sehr schwere Reise in den letzten Monaten gehabt. Das Gebiet Murgab-Fedschen und die neue Afghanen-Grenze studiert. Wochenlang 2 Uhr nachm. 53—58° Cels. in der Sonne. Zweimal hat 60° nicht gereicht. Nachts heisse Nordstürme von den erhitzten Karakum-Sandwüsten. Tausende von Mücken und Mosquitos, sobald es still wird. Total zerstochen. Dabei infolge der Hitze prickelnden, feinen Ausschlag fast auf dem ganzen Körper. Auf 300 Werst Distanz haben wir Wasser in Schläuchen und Gerste für die Pferde mitnehmen müssen, es ging durch menschenleere Sand-, Lehm- und Salzwüsten. Immer reitend, ohne Schutz vor der Sonne. Es gibt da keine Bäume. Auf weite Strecken hin gibt es zu dieser Jahreszeit auch keinen Vogel (buchstäblich), danke Gott, dass Du solche Gebiete nicht siehst. Wir sind in wenigen Tagen auf den höchsten Punkten des Kopetdagh (10000). Mir wird Luftwechsel helfen. Ob es dann nach Mesched geht, kann ich nicht sagen. Es hängt alles von unserer Gesundheit ab.“

Gustav Radde j- 19

Im Winter 1886/87 wurde der russische Bericht über die Merw-Expedition und die Schilderungen aus dem Daghestan für Petermanns Mitteilungen fertiggestellt. Dann sandte er mir die Nachträge zur Ornis caucasica. Er schreibt unter 20./1.1887: „Dann kommt der Beitrag für Deine ‚„Ornis‘“, von mir pro 85: Daghestan und von Dr. Walter: Daghestan Ergänzungen zu Talysch, die er soeben brachte. Er fuhr nämlich zum Feste dorthin und wäre um ein Haar am 3.—4. Januar in der Mugan im Schnee umgekommen. 13 Stunden hatte er sich verirrt und die Pferde fielen. Das ist wieder so eine Szene unter dem 39° N. Br., die nur in Asien möglich ist. Walter ist der vorzüglichste Jäger, den ich kenne, und gründlicher Zoologe.“

Mitte Juli 1887 ging er mit Dr. Brückner (Seewarte von Hamburg) zu den Gletschern der Ossetischen Alpen. Hier erlitt er seinen ersten Podagra-Anfall, eine unangenehme Krankheit, die sich nun von Zeit zu Zeit wieder einstellte und ihn sehr an seinen geplanten Reisen hinderte. Er sandte infolge dessen Dr. Walter auf seine Kosten zunächst Ende Februar nach Transkaspien bis zum Amu-Darja und der neuen Afghanengrenze. W. brachte reiche Ausbeute mit, holte sich aber, wie Radde anfangs meinte, durch vieles Wassertrinken ein böses Fieber und wurde dann zum Herbste nochmals in den Kaukasus geschickt. Radde schreibt mir unter dem 8. Oktober 1887: „Dr. Walter entsandte ich ins Hochgebirge, um zu beobachten, ob irgend etwas dort wirklich drüber fortzieht. Im August fand das nicht statt und ich werde wohl contra Bogdanow recht behalten. Jedenfalls findet der Hauptzug in den von mir in der Ornis ver- zeichneten Richtungen im Tieflande statt. Der arme Walter ist ernstlich krank. Ich werde mich leider nicht getäuscht haben, wenn ich ihn lungenleidend betrachtete. Er hat in letzter Zeit fast beständig starkes Fieber und Blutauswurf. Man kann da leider gar nicht helfen. Seinen Wunsch, zu reisen, habe ich ihm erlillte. Mia... —"

Mit seinen grossfürstlichen Freunden blieb er in steter Ver- bindung. „Aus Granada (Brief vom 8./10. 1887) erhielt ich liebenswürdige Depesche vom Grossfürst Nicolai Michailo- witsch, er reist mit Dr. Sievers (einem der besten Freunde Raddes und Privatsekretär des Grossfürsten! Bl.) in Spanien und geht nach den Kanaren. Aber eine noch viel liebens-

würdigere kam vom Amur, woselbst der Grossfürst Alexander Di

20 Rudclf Blasius:

Michailowitsch (er ist Seemann und macht eine Reise um die Welt, war von Wladiwostok über Nicolajewsk dem Amur auf- wärts gereist) die von mir seit 30 Jahren gegründete Kosaken- Stanitza (Raddowka) besuchte und mir nun zum Erfolge, eingedenk meiner Erzählungen, die er als Knabe hier hörte, gratulierte. Dies war äusserst liebenswürdig vom jungen Prinzen.“

Trotzdem Radde eine so ausserordentlich angenehme Stellung in Tiflis besass, hatte er doch im Stillen oft die Sehnsucht, wieder in sein deutsches Vaterland zurückzukehren. Um ihm dazu be- hilflich zu sein, hatten im Beginn des Jahres 1888 A. Nehrkorn, mein Bruder und ich uns bemüht, ihm hier eine Stellung zu ver- schaffen. Dieselbe sagte ihm aber nicht zu. Er schrieb 24./2. 1888: „Gern würde ich mich ganz vom Dienste zurückziehen und irgendwo bei Euch meine alten Tage verleben, aber dazu bin ich doch noch zu rege und habe auch nicht reichliche Mittel.‘“ Mit einigem In- erimm lässt er sich in demselben Briefe wieder über die Arten- splitterei aus, gegenüber Bogdanow und Menzbier: „Was wir von Transkaukasien über die Vogelwelt wissen, gehört wesentlich meiner Ornis an und wird durch die Nachträge alljährlich ergänzt. Hätte ich hier zu Lande nur Ornithologie getrieben und diese auf meinen Reisen extensiv behandelt, so wäre natürlich mehr Material zusammengekommen, aber Du hast ja selbst gesehen, was Alles im Museum aufgestapelt wurde und das habe ich doch im wesent- lichen Alles selbst zusammengebracht. In der Menzbierschen Vorrede zu Lorenz’ Beiträgen zur Ornithologie der Nordseite des Kaukasus findest Du seine Musik und natürlich noch eine neue Star-Art. Nun haben wir schon 5 bis 6 Star-Arten in Europa, die sich nach dem Metallschimmer der Federn artlich und erblich unterscheiden, wobei man natürlich noch in einer bestimmten Richtung auf die Federn sehen muss und dabei auf Individuen stösst, bei denen man die Grenzen zwischen Grünblau und Blaugrün, Stahlpurpur und Purpurblau nicht auseinander halten kann. Meiner Meinung nach endet derartige Spezies- bildung, konsequent durchgeführt, ganz so wie das alljährlich durch N. N. bereicherte Verzeichnis der Rosen- oder Hyacinthen- Kataloge. In diesen Tagen schreibe ich auch an Menzbier. Ich kenne ihn zwar nicht persönlich, aber ich will gern in guten Beziehungen zu ihm bleiben.“

Am 21. Juni 1888 feierte Radde im Kreise seiner Kinder in den gastlichen Räumen seines hohen Freundes, des Gross-

Gustav Radde f. 21

fürsten Nicolai Michailowitsch, seine silberne Hochzeit und sing dann mit ihm und dem Fürsten von Mingrelien im Juli nach Hochsvanien, „eine prachtvolle, märchenhafte Reise. Der Mingrelier hat uns über alle Massen fürstlich empfangen. Ich habe dergleichen nie in meinem Leben in so wilden Gegenden gesehen‘ (Brief vom 6./8. 1888). Nach der Rückkehr stürzte er sich wieder in volle Arbeit, um das Museum zu dem bevor- stehenden Besuche des Kaisers würdig vorzubereiten. In aus- gelassener Weise beantwortet er mir einen Brief, wegen Korrektur der Ornis-Nachträge unter dem 5./9. 1888: „Liebster Freund! Umgehend Antwort! Vor 3 Tagen mit Extrazug angekommen begleitete Grossfürst Nicolai Michailowitsch und Sievers bis Mschet. Nun bis 10. September hier. Arbeit kocht im Museum. Remonte fertig. Jetzt Ergänzungen! Neue Gruppen, elegante Ausstellung. Einstweilen auf Pump, werde schon Geld bekommen, brauche Minimum 2000 Rubel. Gott ist gross und lässt einen ordentlichen Preussen nicht umkommen. Bin kreuz- fidel, Podagra schläft, Gott sei Dank, obgleich sehr viel getrunken. Warum soll man sich grämen? Bin vor kurzem Grossvater in München geworden, befinde mich dabei ganz wohl und will auch bald ernst werden, wird auch vielleicht gelingen. In London Ehrenmitglied von Geographical Society, auch vom Alpine-Club, Senckenberg in Frankfurt a. M. Mitglied und in Paris dito ernannt. Alles gut, wenn ich komme, wollen wir lustig sein. Jetzt denke ich viel an die Drosseln und im Oktober noch mehr. Schade, dass ich nicht bei Nehrkorn dem Teiche entlang die Dohnen besehen kann. Lebt alle recht wohl, grüsse die Deinigen und die Freunde und auch den famosen Hund!) und bleib gut dem lieben Gustavchen.“ Im Frühjahr 1889 reiste er über Petersburg, Danzig, Berlin nach London, um sich persönlich für die verschiedenen wissen- schaftlichen Auszeichnungen, Medailfen etc. zu bedanken. In London wurde ihm die Viktoria -Medaille mit folgender Anrede übergeben: „Für ein Leben, welches der Förderung wissenschaft- licher Geographie gewidmet war, dem Reisenden, Forscher und Autor, besonders für seine 5 jährigen &eisen in Ostsibirien (1855—60), für seine andauernde Erforschung der Kaukasischen Bergketten (1854—65 und 76—85) Mingreliens, Abchasiens, des

1) Ich besass damals einen sehr schönen Gordon-Setter. BI.

22 Rudolf Blasius:

Karatschai, Daghestans und des Armenischen Hochlandes, sowie der kaspischen Küsten-Gebiete (1875—80), für seine Dienste als Chef der Transkaspischen Expedition in 1886 und endlich für die bedeutenden Werke, in welchen er die Resultate seiner For- schungen niedergelegt hat. Besonders für das Talent, mit welchem er den verschiedenen Zweigen der Naturwissenschaft, insbesondere der Botanik, Ornithologieund Ethnographie, besondere Aufmerksam- keit schenkte und ihre Beziehungen zur Geographie im Auge behielt und sich als Hauptaufgabe gestellt hat, in einer klaren und verständlichen Form die physischen Verhältnisse der von ihm erforschten Gegenden mit ihren Ursachen und Folgen dar- zustellen. Und endlich für den Eifer, die Energie und die künstlerische Intelligenz, welche er in dem auf geographischer Grundlage ruhenden Arrangements des naturwissenschaftlichen Museums in Tiflis bewiesen hat,“

Mitte Juni war er einige Tage wieder bei uns in Braun- schweig und kehrte dann über Wien Ende August nach seinem geliebten Borshom zurück, nachdem er vorher in Bad Leuk eine Bade-Kur für sein Fussleiden gebraucht und Freund Tschusi in Hallein besucht hatte. Im September und Oktober unter- nahm er mit dem Vetter des Generals Annenkow eine sehr vergnügte Spritzfahrt nach Samarkand, die er sehr launig im Briefe vom 25./10. 1889 beschreibt: „Kaum in Tiflis angekommen, läuft Brief aus Petersburg ein, ein reicher Freund und weitläufiger Verwandter des Generals Annenkow ladet mich zu einer Spritz- fahrt nach Samarkand. Von Annenkow kommt auch Telegramm, und so bin ich denn auch bald fertig arbeite aber bis zur Abreise von früh bis spät in unserer sehr gelungenen Ausstellung, deren feierlicher Eröffnung noch beiwohne, dann ein paar hübsche Mittagstafeln gebe und abrutsche. Prachtvolles Wetter. Baku zwei Tage, herrlicher Dampfer, immer gute Sakuska und Partie

„Wint“1) Usun- ada General Annenkow. Eigener Wagen, in 60 Stunden in Samarkand. An Tamerlans Grab, alte und neue Zeit. Ich bereite eigenhändig ein Mittag in Annenkows Wohnung und bewirte sogar hübsche Damen. Wunderbare Leistungen der Russen in 18—20 Jahren. Langsamer geht es zurück. Buchara 1 Tag, leider zu wenig. Brillante Bazar-

Einkäufe, auch sehr schöne Objekte für das Museum, in Merw

!) Ein in Russland sehr beliebtes dem Whist ähnliches Spiel! BI.

Gustav Radde 7. 23

3 Tage, dann ohne Aufenthalt retour. Westlich vom Tedschen grosse Antilopen-Scharen. Zu Hunderten. Sonst Steppe und Wüste ungemein leer, jetzt der treueste Besucher des hoch- wellig gestauten Sandmeeres mit seinem festen Wogengange: Sazxicola saltatrix.

Hier nun natürlich alle Hände voll zu tun gehe morgen für 3 Tage nach Borshom. Bis jetzt köstliches Wetter mit Sommerhitze.

Mein Podagra durch Colchicum vollständig im Zaume ge- halten. Sehr lustig gestimmt.

Grus leucogeranus wurde oberhalb von Lenkoran erlegt. Alte Pallas hat immer recht, werde Exemplar kaufen.“

Am 22. April ging er mit Dr. Valentin aus Frankfurt a./M. nach Karabagh, auf 3 Wochen, wesentlich um geologische Unter- suchungen auszuführen. Kaum zurückgekehrt, erfolgte der Auf- trag, die Grossfürsten Alexander und Sergei Michailowitsch auf der Yacht „Tamara“ zu einer Reise nach Indien zu begleiten. Selbstverständlich ist Radde entzückt schon in dem Gedanken, die Tropen zu sehen. Er schreibt am 26./8. 1890: „Dass ich natürlich schwärme und jetzt schon allnächtlich von Sumatra etc. träume, könnt Ihr Euch denken. Schade nur dass ich schon bald Nr. 60 antrete! Bin aber ganz frisch an Geist und Gemüt und bis auf die Füsse noch körperlich stark. Letztere werden jetzt sachkundig täglich massagiert, was ihnen sehr gut bekommt. Der Betreffende meint, dass von Podagra keine Rede, vielmehr ein Fall von verrottetem Rheuma vorliege. Trinke daher auch täglich mein liebes Schnäpschen und lasse es mir bei Tisch äusserst behäbig und kulinarisch etwas üppig reichen. Dafür darbe ich oft auf meinen Reisen. So auch noch auf der letzten in Karabagh. Alles Wetter macht mir nichts. 9—10000° hoch im Regen genächtigt, tut mir bis dato nichts, ist aber recht un- angenehm, weil nass und kalt. Am 3. Spk. pesteigen wir die „Ta-

7. Okt. Ä & r 16. mara“ in Batum, wohin der Grossfürst Alexander M. am m

kommen will. Man wird mir Alles nachsenden. Mag es auf he Meere nur immer recht toll hergehen, je toller, je besser, nur eins: nicht ersaufen! Ich kann nun einmal das Seewasser in grossen Quantitäten nicht vertragen.“

Inzwischen ist er wieder mehrfach von den sogenannten „Artenmachern“ litterarisch angegriffen und ist der sehr richtigen Ansicht, dass man darum nicht persönliche Freundschaften auf- geben muss. So schreibt er im Briefe vom 29. Juli 1891 von

24 Rudolf Blasius :

einem seiner Gegner: „Auch diesen Herrn kenne ich kaum. Seine Unzufriedenheit hängt mit dem leidigen Artenbegriffe zu- sammen. In meinen Augen ist es lächerlich, einen Menschen deshalb schlecht zu machen, weil er sagt, Parus rieskei ist eine gelbliche Varietät von P. cyanus, oder es gibt nicht 6 europäische Stararten, sondern nur 1 und 6 Varietäten. Der biedere Nehring (Professor Dr. Alfred Nehring in Berlin! Bl.) hat Herrn Pleske (früher Konservator am Museum in St. Peters- burg! Bl.) die Wahrheit gesagt, als er über mich loszog.‘“ Bald kommt aber Frieden in sein Gemüt und so Schreibt er einem seiner litterarischen Gegner: „Der herrliche Herbstwald hat mich wie immer erquickt, meine Seele geht im Frieden dieser hin- sterbenden Natur auf und die Empfindungen in ihr sind jetzt, wie sie es immer waren, meine Gebete. Man söhnt sich mit Allem aus und es bleibt nichts auf der Seele, nichts auf dem Herzen, was wehe täte. Wem, wie mir, sein Dasein zum grössesten Teile im innigsten Umgang mit der Schöpfung dahineilte, der wird bei dem bald vollendeten 60. Jahre ruhig und dankbar zurück, frohhoffend vorwärts schauen; mögen die Schatten, welche hie und da auf den Bildern der Vergangenheit lagern, und die Ungewissheit des morgenden Tages auch immerhin der Wehmut ihren berechtigten Platz in diesen Empfindungen gewähren.‘

Am 2. Juni 1891 war Radde zurück in Tiflis. Er schreibt uns unter dem 10. Juni 1891: „Liebe Brüder in Braunschweig! Seit 8 Tagen bin ich wieder in Tiflis; ich kam nach Petersburg, ging nach Sebastopol auf die Yacht „Tamara“, packte dort alle Sammlungen in 24 Kisten ein und reiste per Dampfer nach Batum und gleich weiter. Die herrliche Reise ist damit glücklich be- endet, und werden bereits neue Pläne gemacht.

Während des fast 3wöchigen Aufenthaltes in Petersburg wurde Alles hergerichtet, um unter dem Titel „eine ideale Reise“ 2 Bände herzustellen. Es werden 40 phototypische Vollbilder und 400 Cliches den Text zieren. Die russische Ausgabe bezahlen die jungen Grossfürsten, die deutsche Parallel-Ausgabe hoffe ich selbst von Stapel zu lassen, falls ich Cliches und Tafelplatten unentgeltlich erhalte!) Wie Ihr wisst, so schrieb ich schon während der Reise das umfangreiche Buch, nämlich Alles was ich

!) Leider ist dies nicht gelungen! Nur Auszüge aus der Reise sind deutsch veröffentlicht. Bl.

Gustav Radde 7. 25

sah jetzt wird dieser Text überarbeitet und stellenweise raisonniert, was mit Hinzuziehung der einschlägigen Litteratur am Schreibtisch nicht schwer zu leisten ist. Im Spätherbste kommt der Grossfürst Nicolai Michailowitsch für 1 Monat hierher, und ich reise mit ihm nach den Jagden nach Petersburg, wo ich die Redaktion der Bücher (2 Bände) übernehme und bis Ende Mai zu beenden gedenke. Ich wohne nun im Palais und lebe natürlich in jedweder Hinsicht grossfürstlich. Wie das doch Alles so nach und nach gekommen ist! Ich verdenke es am Ende den hiesigen Neidern nicht, wenn sie ab und zu schimpfen. Meine neue Ordre, nach Petersburg zu gehen, lautet auf unbe- stimmte Zeit, ich werde wohl 7— 8 Monate dort bleiben. Meine neuen Schwärmereien gelten dem Hochnorden. Vielleicht gelingt es mir, nach 2 Jahren wieder auf derselben oder einer andern herrlichen Yacht Island und Grönland je für 8 Tage anzulaufen und dann der ostamerikanischen Küste entlang nach Süden bis Brasilien zu gehen, mit kürzerem oder längerem Aufenthalte auf dem Festlande. Ich arbeite bereits für diese meine Lieblingsidee, und möglich ist ja fast Alles auf Erden! Ich habe für das jetzt in Angriff genommene Werk den guten Titel „eine ideale Reise“ vorgeschlagen. Es war wirklich, angefangen vom Schiffchen (360 Tonnen) bis zum Palais des Vicekönigs, alles was Mensch und Natur darboten: ideal. Jeder der Grossfürsten hat 3 Elefanten erlegt. 9 wurden im Beisein des Zarewitsch (2. Mal in Colombo) in den Kraal getrieben und gefesselt. 2 Tiger, 5 Büffel, 8 Kroko- dile, 30 Affen und an 300 Vögel (erlegt wurden mehr als 1000) wurden präpariert. Kann Euch leider nicht Specialia schreiben.‘

Während seines Petersburger Aufenthaltes hatte er schwere Krankheit durchzumachen, so schreibt er mir unter dem 23. Mai 1892 von dort: ‚Lieber Freund! Ich habe schwere Zeit durch- gemacht. Seit 8 Wochen zu Hause und davon 5 im Bette. In den 3 ersten vom heftigsten Podagra befallen, dies mal ging es bis in die Knie. Dabei wird man fromm und zahm. Wen der Herr lieb hat, den züchtiget er. Nach dem Masse seiner Strafe, muss er mich sehr lieb haben. Jetzt sitze ich wieder am Arbeitstische und schaffe hurtig weiter. Übrigens hat eine ge- naue Untersuchung meines Körpers seitens der Doktoren das günstigste Resultat in jeder Hinsicht ergeben. Zwar schwellen am Tage immer noch die Füsse aber das hat nichts mit den Nieren zu tun. Wenn die Schmerzen nicht gar so entsetzlich

26 Rudolf Blasius:

wären, wollte ich noch den schlechten Witz über mein Podagra machen, dass ich nunmehr auch von dieser Seite zu den Aristo- kraten gehöre und zwar nur von dieser einzigen Seite. Ich schwelge viel in Erinnerungen. Gestern hatte ich die Pflanzen aus dem Himalaja vor. Jedes Blatt wird zum entzückenden Panorama! Sonst geht Alles gut, auch in Tiflis gern gedenke ich der alten Zeiten in der Akademie. Der junge Nachwuchs konveniert mir teilweise nicht. Enger, beschränkter Blick und viele Anmassung! Wie herrlich gross stehen Baer, Brandt und andere alte Herren diesen Pygmäen gegenüber da. Ob das wohl überall so ist?“

Nach Tiflis zurückgekehrt, werden sofort neue Pläne ge- schmiedet und wissenschaftliche Exkursionen ausgeführt, wenn auch das Podagra zuweilen hemmend auftritt. Radde schreibt mir unter dem 9. August 1892: „Es geht mir trotz aller Cholera ganz gut. Wir haben auch hier 7 Fälle und da das geängstigte Volk nicht festzuhalten ist, sondern in die Wälder läuft, so sind 2 Fälle hinübergeschleppt in die Einöden des Gebirges nach Dschichi-dsherani. Vor 10 Tagen waren wir noch mit Grossfürst Nicolai Michailowitsch dort und weilten 3 Tage hoch im Gebirge in dem Lager von Kodani (6500‘), welches man im Frühjahr für den kranken Grossfürsten Georg Alexandrowitsch (5. Sohn des Kaisers) hergerichtet hatte. Es war eine herrliche Exkursion märchenhaft schön. Abends Punsch. Eine pracht- volle Calame’sche Landschaft. Im Lager Alles aufs Beste, auch Kegelbahn. Ich lebe immer noch die herrlichsten Tage. —... 20 Bäder und 30 Massagen haben, wie Strauch!) es nennt, meine „Kiauenseuche“ soweit kuriert, dass ich 4—6 Werst gehen konnte. Sicher hat mich der Wein nicht ruiniert wohl aber das vermaledeite Petersburger Klima und meine dortige sitzende Lebensweise. Hoffentlich komme ich mit meinen Füssen glück- lich bis zum seligen Ende.“

Nach Aufarbeitung der laufenden Arbeiten, namentlich nach Fertigstellung der Ergebnisse der transkaspischen Expedition, wozu ich ihm die Vögel in der „Ornis“ gedruckt hatte, ging es März 1893 an eine neue Reise ins Kolchische Tiefland, das Nord- westende des Kaukasus, das Kuban-Tiefland, mit 3 maliger Durch- querung des Gebirges. Ganz so schlank, wie früher, ging es

1) Der jetzt verstorbene Direktor des Petersburger Museums! Bl.

Gustav Radde 7. 27

nicht mehr, aber mit eiserner Energie setzte Radde die Reise durch und schreibt uns darüber unter dem 19. September 1893: „Liebe Braunschweiger! Seit dem 13. bin ich wieder hier und habe mich von der Reise erholt. Ich wurde nämlich von bösem Fieber in Noworossiisk befallen, welches ich erst oben am Kuban los wurde. Die gesamte Ostkante des Pontus vom Tschorock bis Anapa habe ich zu Lande bereist und bin öfter tief ins Ge- birge getreten. So von Artwin bis in die basalpine Zone. Zuletzt aber machte ich die beschwerliche Tour von der Stanitza Psebai die kleine Laba hinauf in ihr Nebenthal Uruschten, wo ich die frischen Spuren des Auerochsen fand, dann zu den Quellen der Laba über das Gebirge bis fast zu denen der Msymta und nach Sotchi zum Meere. Diese Strecke, 250 Werst, legte ich im Kosakensattelim Verlauf von 5 Tagen zurück. Von Wegen in Eurem Sinne war dabei natürlich nicht die Rede. Stellenweise oben am Uruschten müssen wir mit dem Beile Durchhaue schaffen, weil der Schnee des letzten Winters alles Gebüsch ganz niedergedrückt hatte. Schlimmer kam es jedoch an der Südseite, wo die Gebirge sehr steil, die Pfade sehr glatt sind und meine geschwächten Füsse den Widerstand im Sattel nicht leisten konnten, ebensowenig auch von anhaltendem Marschieren die Rede sein konnte. Hier legten mich die Kosaken auf eine improvisierte Tragbahre und trugen an einer besonders steilen Stelle mich etwa 4 Werst weit talabwärts. Ich sehe, dass 63 nicht 36 ist und dass es mit er- müdenden Hochgebirgs-Touren für mich vorbei ist. Vollständig erschöpft kam ich in Borshom an, wo zunächst Ruhe geboten wurde. Jetzt bin ich wieder der Alte und arbeite scharf. Zug am Ostufer des Pontus bestätigt sich vollkommen. Ich werde später alles Ornithologische zusammentragen, aber jetzt komme ich dazu nicht. Ich komme wohl erst 1895 oder 96 nach Deutschland, falls ich leben bleibe. Jetzt ist es nicht möglich, ich bin, weil ich weiss, dass bald das Ende kommt, in voller Arbeit. Mit herzlichsten Grüssen Euer Aller getreuer G. Radde.“

Im November und Dezember 1894 machte Radde seine letzte grössere Tour in den Kaukasus-Ländern, am Nordfuss des Kaukasus und im Tiefland daneben am Westufer des Caspi vom Terek bis Baku. Er schreibt mir darüber am 11. Januar 1895 in der herzlichsten Weise: „Lieber Rudolf! und Alles, was in Braunschweig Blasius heisst, nebst Nehrkorn etc. etc.! Nun soll es mal losgehen! Kam gestern vom Caspi zurück, heillose „tote

28 Rudolf Blasius:

See“ während der 12 stündigen Rückreise, so dass der Extra- Dampfer bei einem Tiefgang von nur bedenklich wackelte und uns alle niederwarf. Ich kam mit heiler Haut davon, etliche andere opferten freigebig. 10 Uhr Abends Ankunft in Baku, Extrazug. Büffet im Zuge ausgezeichnet, der kleine russische Koch des Grossfürsten hat höhere Gage als ich selbst. Er- quickende Nachtruhe. 2 Uhr Nachmittag in Tiflis kalt, unfreund- lich. Grosse Post in den 8 Tagen angekommen, 28 Briefe und die Verlobungsanzeige (meine jüngste Tochter hatte sich verlobt! Bl.). Dies für gute Freunde das Hauptereignis des Tages, mehr als Japan und China, melır als des Kaisers 21/, stündige Marine- rede und allerlei sonstige „welterschütternde“ Erlebnisse. Ach möge es doch den lieben, jungen Menschen, die sich fanden, immer recht gut ergehen. Zum wirklichen Glück gehört mehr als äusseres Wohlergehen, die durch Erfahrung und Prüfung immer mehr herausgebildete und abgerundete Harmonie der Seelen ist der höchste Gewinn des Lebens, das schönste Ziel des Daseins. Wie viele suchen es?, wie wenige finden es! Bitte beiden, auch dem mir unbekannten Bräutigam, die allerherzlichsten Grüsse und Glückwünsche zu übermitteln und mir zur richtigen Zeit einen Wink über die Hochzeit zu geben.

Nun successive zur Beantwortung der gestellten Fragen. Deine Rede und Deine Nekrologe habe ich gelesen Bitte mir, wenn ich an die Reihe komme, auch so etwas Gutes, Wahres nachzurufen!

Von 1 Uhr Mittags bis 2—3 Uhr Morgens bin ich fast immer bei meinem Gönner (ich darf sagen „Freund“, da wir unter uns auf „Du“ sind) mit den Petersburgern zusammen. Dazu die Ausflüge nach Borshom, wo ich im reizenden neuen Palais den persischen Saal in allen seinen Details einrichte. Dann wieder 8 Tage Lenkoran, Beute über 200 WWasseryuren die man auch besorgen muss.

Was weitere Beiträge für die Ornis anbelangt, so habe ich wohl Material, aber jetzt absolut keine Zeit, es zum Drucke fertig zu machen. Ich arbeite

1. für Professor Engler-Drude pflanzen-physiognomisch und phytogeographisch Alles, was den Kaukasus und Hocharmenien anbelangt.

2. Jahresbericht pro 94, deutsch und russisch den Du, wie auch die früheren, in etlichen Exemplaren erhalten wirst, und Reisebericht pro 94 für Supan.

Gustav Radde }. 29

3. Allgemeinen Teil über die transkaspische Expedition (1886) mit Benutzung des Nachlasses von Alf. Walter.

4. Meine schliessliche Lebensaufgabe: Physico-Geographie der Kaukasus-Länder, mit Benutzung aller einschlägigen Litte- ratur. Dieses Werk verlangt riesigen Fleiss und Vielseitigkeit, es stehen mir dafür zur Seite für Geodäsie und Kartographie General Kühlberg, Chef der Topographen, für Meteorologie Stelling, für Geologie Simanowitch. Wo Zweifel obwalten oder Revision nötig, wollen die drei mir aushelfen und beistehen, ausserdem Weidenbaum, dessen Du Dich wohl erinnerst, mit Litteratur-Hinweisen. Für diese letzte Arbeit bemesse ich die Zeit mit 4 Jahren. Du kannst Dir wohl denken, dass ich ausserdem kaum die sehr umfangreiche Korrespondenz und die Administrations-Arbeiten bewältigen kann, um so mehr, als ich Gesellschaftsmensch bin und sein muss. Extra-Störungen alle Tage, hoher Besuch, mancherlei Exkursionen etc. Auch gestehe ich offen, dass in Hinsicht auf die unbegreiflichen Schimpfereien mir die Lust, auf ihrem Gebiete Mitteilungen zu machen, wenn auch nicht fehlt, aber doch nicht gross ist. In Lenkoran haben wir wieder aus einem Starenfluge ebensowohl polteratzkyi Finsch, als auch caucasicus Lorenz geschossen und etliche 10 Exem- plare mitgebracht; auch tachardus rufus wurde erbeutet. Klein- schmidts Arbeiten über die Häher und über Parus coeruleus, persicus, ultramarinus von P.. vertreten doch schon recht merklich meine Richtung und wenn man die gegenteilige An- schauung duldet und sich mit der immer grösser werdenden Synonymie aussöhnt, so sehe ich nicht ein, warum man so böse über die andere Ansicht ist und deshalb Feindschaft übt. In dieser Hinsicht liegt die Schuld allein bei jenen Herren. Lokal-Neider habe ich ob meiner Stellung und meiner Erfolge mehr als zu viel. Aber da ich gerade gewachsen bin und nicht viel Umstände mit denen mache, die zu mir nicht halten, so kann ich das, ganz abgesehen von meinem ausnahmsweisen Glück in Haus und Dienst, begreifen und nicht jenen zu Liebe ändern.

Ich gedenke 1896 im Herbst (Sept., Okt.) in Deutschland zu sein und zwar zum letzten Male. Natürlich gehe ich bei dieser Gelegenheit an alle lieben Plätze, um Abschied zu nehmen, auch auf die kurische Nehrung nach Rossitten. Zu Euch komme ich dann sicherlich und will mir mal die stattlichen Herren Söhne, womöglich als Offiziere ansehen, auch den Damen die Hand

30 Rudolf Blasius:

küssen und beim „Gläschen‘“ in der Sommer-Veranda den köst- lichen Heringssalat verspeisen unter Tränen der Dankbarkeit und in Erinnerung an den ersten Besuch bei Papa Blasius, als bei ihm ein A. naeviat) lebte, dann ein Beefsteak verzehrt wurde, und dann ein altes Giebelhaus in der Stadt abbrannte. Auch an „Lohengelb‘“ will ich denken an den Abend bei Vieweg?), an die Teiche und Karpfen bei Nehrkorn, an den alten Scholz°) in Wolfenbüttel und die Weinstube sogar an den Käsemarkt am Sonnabend. Nun natürlich die besten Grüsse an Alle, gross und klein, dito Haus Wilhelm Blasius und Nehrkorn. Heute Abend (31.) sind wir bei Grossfürst N. M. und werden mit ihm das Neujahr begrüssen. Gott weiss, was Kommt!

Ich muss schliessen. Eben kommen 80 Junker ins Museum, um 12 Uhr Visiten, 1 Uhr bei N. M. Frühstück, 3 Uhr Weiden- baum. 8 Uhr bei N. M. 4 Uhr früh gehe ich schlafen. O du armer, armer Kirchenrats- Präsident. ) O du armer Pomuchels- kop. Was kann nicht alles aus einem Danziger werden und zwar ohne sein Verdienst und Würdigkeit. Immer der alte G. R.“

1895 begleitete er den Grossfürst-Thronfolger und Cäsare- witsch Georg Alexandrowitsch auf einer Reise durch das Mittelmeer nach Algier.

In den nächsten Jahren wurde Radde viel von seinem Podagra gequält und verliebte den grössten Teil des Jahres bei seinen wissenschaftlichen Arbeiten in Borshom beim Grossfürsten Nicolai Michailowitsch oder im Museum in Tiflis. Im Februar 1896 schreibt er mir: „Bin seit 1 Monat fussleidend „Klauen- seuche“. Hoffe doch im Sommer zu reisen und, falls nicht sterbe, in 4—-5 Jahren meine Werke zu Ende zu bringen. Habt mich wohl ganz vergessen? Bin manchmal traurig.“ Am 17. März 1896 heisst es wieder: „Geehrteste Familie Blasius R. et W.!

1) Als Junge hatte ich aus dem Horste hier bei Braunschweig einen Schreiadler gebolt und aufgezogen! Bl.

2) Den Verlagsbuchhändler, Jäger und Ornithologen Heinrich Vie- weg! Bl.

3) Rat Scholz, vortrefflicher Naturbeobachter, dessen vorzüglich aus- gestopften Tiergruppen jetzt das Naturhistorische Museum in Braunschweig zieren! Bl.

*) Radde war kurz vorher in den Vorstand der protestantischen Gemeinde in Tiflis gewählt! Bl.

Gustav Radde F. 31

3 Wochen am Fussübel gelegen entsetzliche Schmerzen. Jetzt leidlich auf, aber natürlich verstimmt.“

Den nächsten Brief erhielt ich datiert vom 14. Januar 1897: „Lieber Freund! Dass ich so lange geschwiegen Dir und allen sonstigen Freunden gegenüber hat seinen guten Grund. Vom Anfang Mai habe ich im reizenden Likani-Schlösschen bei dem Grossfürsten Nicolai Michailowitsch gesessen und zwar fest am Schreibtisch. Nur 2 mal machte ich Touren nach Abastuman zum Thronfolger und blieb 10—14 Tage dort, wo ebenfalls un- gestört die Arbeit gefördert werden konnte. Am 11. Januar sandte ich endlich Alles an Professor Engler nach Berlin ab. Das Buch behandelt die Vegetation der Kaukasus-Länder, pflanzen- physiognomische und phytogeographische Studien. (Es erschien 1899. Bl.) Fleissig bin ich gewesen, im Sommer mit Tagesanbruch bis 1 Uhr, dann Frühstück bis 3 Uhr, daun bis 5 Uhr Ruhe. 7—8 wieder Arbeit, 9—12 Uhr Abends Essen und Unterhaltung. Likani (das neu erbaute Sommer-Schloss des Grossfürsten Nicolai Michailowitsch, bei Borshom! Bl.) ist unvergleichlich schön und friedlich nicht grossartig, aber gemütlich. Am 30. Dez., nachdem mein Werk expediert wurde, fuhren wir mit Extrazug 2 Uhr ab, kamen 6 Uhr an und blieben dort zum neuen Jahre. Am 1. Abends kehrte ich heim. Wahrscheinlich werde ich Ende Februar wieder in’s Mittelmeer mit dem Thronfolger reisen. .... Jetzt kommt man zu gar nichts, nicht einmal mehr zum Briefschreiben. Oidemia fusca Gelege und 4 Weibchen vom Tabizchuri-See. sSilta Krüperi, 6 Exemplare Borshom. Gute Sachen. Dresser hat meinen Parus minor quadrifasciatus an- erkannt, ebenso Lanius minor obscurior. An meinem Geburtstage überraschte mich Herr „Pleske“. Er hat die Akademie an den Nagel gehangen und ist Direktor eines grossen kommerziellen Unternehmens geworden. Wie doch die Menschen sich ändern! Er war sehr liebenswürdig und anerkennend hat aber jahrelang sich recht feindlich mir gegenüber benommen. Als alter Mann kann es mir nur lieb sein, wenn etliche sich bekehren.“

Da kam der Befehl, den kranken Grossfürst-Thronfolger auf der Yacht: „Sarniza“ („Wetterleuchten“) 3 Monat im Mittelmeer zu begleiten. Am 13. Februar 1897 reiste Radde ab und kehrte Mitte Mai zurück. „Es ging diesmal (Brief vom 19./6. 1897) Algier Palermo, von wo nach einwöchigem Aufenthalte dann die Reise über Messina, Charybdis, Catanea und von da direkt

32 Rudolf Blasıus:

nach Constantinopelund ohne Aufenthalt nach Batum ging. Überall gute See, sehr schöne Beleuchtung, fast immer sonniges Wetter.“ Dann schildert er mir die Arbeiten für den raisonnierenden Katalog der Sammlungen des Museums und schreibt: „Damit schliesse ich wohl mit 1900 ab und da ich dann nahe am 70. bin, will ich mich am liebsten nach Likani in den Frieden der Natur zurück- ziehen und mit meiner schönen Bibliothek und meinen reichen Erinnerungen an der Seite meines Kaiserlichen Freundes und seines Sekretärs mein Leben beschliessen und auch hier den Schlaf des Gerechten schlafen. So will ich ob es so kommt, wollen wir abwarten.“

Im Herbste 1897 hatten wir hier in Braunschweig die Ver- sammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte, in Moskau tagte der internationale Geologen - Kongress. Interessant ist es, wie Radde über derartige grosse mitgliederreiche Versammlungen dachte und wie er mit den nach Russland gereisten Geologen in Verbindung kam. Er schreibt mir darüber in einem Briefe vom 2./0. 1897: „Man wird von derartigen vielzähligen Versammlungen sehr müde und abgespannt. Jetzt sind auch die Doktoren und Geologen, welche en masse aus aller Herren Länder heranbrausten, weil Majestät sie umsonst im Russischen Reich herumfahren liess, von uns geschieden. Es kamen ihrer viele in den Kaukasus, vielleicht mehr eingeschmuggelte als wirkliche Mediziner und Geologen, allerlei Ingenieure, Beamte und Andere. Ich habe mich gefreut, etliche berühmte Männer, die mir bereits persönlich be- kannt waren, hier in Tiflis wieder zu sehen. So auch Haeckel, mit dem wir einen herrlichen Abend am gastfreien Tisch des Grossfürsten verlebten. Auch v. Richthofen kam mit Gemahlin, der Nachfolger Ferdinand Roemer’s in Breslau, Professor Frech, nebst netter Frau erschien. Mit diesen machte ich eine prächtige Fahrt zum Zra Zcharo Passe. Sie hatten sich mir anvertraut und dabei kamen sie besser fort als bei den Dispositionen des Kongresses. Überhaupt bin ich nicht für Massen-Exkursionen. Alles eilt, vieles passt nicht Jedem und oft handelt es sich nur um gemeinschaftliches Essen und Trinken. Kleine Partien sind viel angenehmer. Nun ist wieder Ruhe bei Euch und auch bei mir. Heute ist das erste Hirschtreiben in den Ständen, die Rudolf kennt. Der Grossfürst Sergei Michailowitsch, der eben von seinen herrlichen Jagden hoch an den Kuban-Quellen kommt, ist dabei. Er hat dort sehr grossen Erfolg gehabt. Ihn

Gustav Radde 2 33

begleitete Dr. Reyher, der bekannte Massagist von Dresden, der den Grossfürsten gesund machte. Dieser hat 2 Auerochsen erlegt, der Grossfürst einen starken Bullen. Es wurden 35 Gemsen, ein Dutzend Prachthirsche, darunter 20-Ender und 10 Capra cau- casica geschossen.“

Im Winter 1897/98 arbeitete er wieder fleissig an seinem grossen Kaukasus-Werke. Speziell über die Vögel schreibt er mir in einem Briefe vom 17. Januar 1898: „Wahrscheinlich geht es Ende Februar wieder in See. Unterdessen schaffe ich, soviel es angeht, am Zool. Kataloge; habe jetzt 250 N. N. Vögel und bin bei den Krähen. Habe jedes Exemplar nochmal geprüft, und da ich von Sarudny Transcaspica kaufte, welche er und somit Menzbier bestimmten, so konnte ich gut revidieren. Bei manchen Spezies halte ich meine Ansicht aufrecht. Prat. rubicola, Hemn- prichii und maura bieten vermittelnde Übergänge, die Otocorys- Arten auch, ebenso die weissen Bachstelzen und Calandrella pispoletta und brachydactyla, welche Dein Vater ebenfalls artlich nicht trennte. Bei allen den genannten kann man die extremen Formen gut auseinander halten, aber was fängt man mit den ver- mittelnden an? Ich bleibe bei meiner Überzeugung und trete dem Grundsatze Dressers, „dass man mit der Zeit mitgehen müsse“ nicht bei; man muss gegen die unsinnige Zersplitterung der Arten streiten, natürlich ohne persönlich zu werden, aber seine wohlerrungene Überzeugung auch vollauf vertreten. Du wirst sehr bald die Fortsetzung vom Lachswerk erhalten; was soll man sagen, wenn mit mathematischer Genauigkeit (nach den Massen und den relativen Verhältnissen) aus Salmo fario Salmo irutta wird und diese als Grundform auch dem Kaspilachse zu gute komnt. Hängt alles von den veränderlichen Lebensverhältnissen ab‘*

Eifrig war Radde bedacht, die reichen Schätze, die er im Museum caucasicum angesammelt hatte, für die Wissenschaft nutzbar zu machen. Was er nicht selbst machen konnte, liess er durck berufene Forscher zur Veröffentlichung durcharbeiten. So wurden die Lachse und die Cypriniden, jene von Kawraisky, diese von Kamensky herausgegeben. Durch regelmässig er- scheinende Veröffentlichungen: Mitteilungen vom Kaukasischen Museum, liess er ichthyologische (Kawraisky und Berg), geologische (Lebedew) und mammalogische (Saturnin) Arbeiten erscheinen (siehe das am Schlusse befindliche Verzeichniss der Veröffentlichungen Radde’s!).

Journ. f. Orn. LI, Jahrg. Januar 1904. 3

34 Rudolf Blasius:

In den ersten Monaten des Jahres 1898 hatte Radde wieder schwere Zeiten mit dem Podagra durchzumachen, dazu kamen traurige Gemütserregungen. Sein bester Freund, Sievers, Privat- sekretär des Grossfürsen Nicolai Michailowitsch starb; dieses ging ihm sehr nahe. Im Schlosse Likani wurde er wieder gesund. Er schrieb mir unter dem 30./5. 1898: „Wir lebten Anfang Mai 11 Tage in Likani, wohin der Grossfürst Thronfolger aus Abastuman kam. Da wurde ich bald wieder im Gemüt gesund, wenn auch nicht froh. Die Finken schlugen, die Ahorn- und Birnbäume blühten. Auch 2 Philomelen (Seltenheit!) liessen sich hören. Das hilft mir mehr als jede Predigt. Im Sommer lebe und schreibe ich in Likani und in Abastuman, wo ich ein für alle Male bei dem Thronfolger mein Zimmer habe und er es gern hat, wenn ich komme.“

Mit grossem Interesse verfolgte er die Erlanger’schen und Kleinschmidt’schen Arbeiten, so schreibt er mir unter dem 15. September 1898, nachdem er das letzte Heft vom Journal für Ornithologie erhalten: „Erlanger’s Tunesische Vögel gefallen mir, er und Kleinschmidt arbeiten ganz in meinem Sinn, Formen soll man unterscheiden, aber Spezies soll man daraus nicht machen. Sehr instruktiv ist die Tafel über F. Feldeggi. Die beiden Milwus auf Tafel VI kann ich selbst im Bilde nicht unterscheiden. Wozu diese unendliche Splitterung ?“

In ähnlichem Sinne spricht er sich in einem Briefe vom 30. November 1898 aus: „Arbeiten wie sie Baron Erlanger und Kleinschmidt liefern, atmen meinen Geist, sie beweisen das- selbe, was ich für manche Spezies behauptete, und worüber Menzbier, Pleske und, wie ich höre, auch Hartert so sehr ungehalten sind. Ich habe den Mut meiner Überzeugung und verabscheue den Autoritätsglauben. Ernst Haeckel ist mein Mann. 2 Citate aus seiner natürlichen Schöpfungsgeschichte stelle ich als Muster an die Spitze des zoologischen Bandes.“

Die beiden Citate lauten:

„Die am wenigsten bekannten Spezies sind die „besten‘“; sie werden um so schlechter, je besser wir sie kennen lernen, je weiter wir die Divergenz ihres Varietäten-Büschels verfolgen und je deutlicher wir ihren Zusammenhang mit verwandten Formen nachweisen können. Schlechte Arten im Sinne der Spezies- Fabrikanten würden alle Spezies ohne Ausnahme sein, wenn wir sie vollständig kennen würden.“ Ernst Häckel (Generelle Morpho- logie, II, S. 360).

Gustav Radde 7. 35

„Was eigentlich eine echte oder gute Art ist, diese Frage vermag kein Naturforscher zu beantworten, obgleich jeder Syste- matiker täglich diesen Ausdruck gebraucht. Wir nennen die Arten dann gut, wenn wir sie schlecht kennen, wenn uns die Übergangs- formen zu verwandten Arten unbekannt sind. Die schaffende Natur bewegt sich ewig in einem ununterbrochenen Flusse der Formen, ihre Erkenntnis gewinnt dadurch nicht, dass die be- schreibenden Systematiker sie in unzählige Arten künstlich spalten; die Erkenntnis des natürlichen Zusammenhanges geht durch diese übertriebene Zersplitterung verloren.“ Ernst Haeckel (Natürliche Schöpfungsgeschichte).

Der Winter 1898/99 war gesundheitlich schlecht für Radde. Er schreibt mir unter dem 19. Januar 1899: „Ich kann diesmal gar nicht recht auf die Beine kommen. Zwar schleppe ich mich seit Neujahr bis zum Schreibtisch, aber die Knie sind immer noch schmerzhaft, der ganze Körper unzweckmässig und namentlich der Unterkörper ermüdet. Ich weiss nicht, wann und womit das endigen wird. Dazu zaghafte, gereizte Stimmung kurz ich bin ein schlechter Kerl, der keinen Kopeken mehr wert ist.“ Dann schreibt er weiter über den Museums-Katalog und kommt wieder auf die Artenmacherei zurück: „Arbeiten, wie Kleinschmidt sie über die Häher und Baron Erlanger über F. Feldeggi publizierten, sind ganz in meinem Sinn. Sie beweisen aber das, was ich immer behauptet, dass in vielen Fällen vermittelnde Übergänge in Kolorit, Zeichnung und Plastik vorliegen und man dann nur von Formen, nicht von Arten reden darf. Darüber sind natürlich etliche kurzsichtige Systematiker recht wütend geworden und haben brav geschimpft. Der alte Gloger hat aber doch Recht und ihm folge ich auf Schritt und Tritt.“

Während Radde im Sommer 1897 und 1898 in den heissen Quellen von Tiflis Heilung von seinem Gichtleiden gesucht hatte, rieten ihm die Ärtzte 1899 nach Wien zu fahren und dort Pro- fessor Nothnagel zu konsultieren. Dieser empfahl eine Karls- bader Kur, und so reiste Radde im Sommer mit seiner Frau nach Europa und gebrauchte eine Kur in Karlsbad. Dieselbe bekam ihm gut, hatte aber im Übrigen nicht seinen Beifall. Er schrieb mir am 31. Juli 1899 aus Karlsbad: „Ich sehne mich sehr nach Likani an meinen Arbeitstisch. Das Nichtstun hier, eine Vor- schrift des Arztes, und die matte Kurkost langweilen mich. Ich will einen Hymnus auf den russischen Wudki dichten, den so ein

3*

36 Rudolf Blasius:

alter Wandersmann in den Wildnissen lieb gewonnen hat, ohne den sein Leben schläfrig wird und von dem hier kein Mensch eine richtige Vorstellung hat. Wir wollen die paar Tage (es handelt sich um den geplanten Aufenthalt bei mir in Braun- schweig! Bl.) recht gemütlich verleben, wer weiss ob man sich wiedersieht.“

Nach der Beendigung der Kur reiste er durch Thüringen nach hier und war 5 Tage mit seiner Frau bei uns. Das war eine köstliche Zeit! Alle alten Erinnerungen wurden nochmals aufgefrischt, auch die immer wiederkehrende Tour nach Wolfen- büttel unternommen, um das Haus des alten „Scholz“ zu sehen und der berühmten Bibliothek mit seinem von Alters her be- freundeten und hochverehrten Oberbibliothekar Dr. von Heine- mann einen Besuch zu machen. Mit dem Gehen wollte es nicht mehr so recht, eine Strecke von ca. 1 Kilometer erforderte fast 1/, Stunde Zeit zum Marschieren zu Fuss, da in Wolfenbüttel keine Droschken zu haben waren. Der köstliche Humor und die gottbegnadete Gabe der Unterhaltung war noch ganz dieselbe wie früher. Unvergesslich werden uns die Schilderungen seiner Tätig- keit als Kirchenrats-Präsident bleiben!

Kaum nach Tiflis zurückgekehrt, ging er wieder energisch an’s Arbeiten; nur mit einem kleinen Ausfluge nach Likani sollten die Wintermonate unterbrochen werden aber es ward nichts daraus. Unter dem 15. Januar 1900 schreibt er mir: „Es kommt alles anders als man es sich dachte und in seinem Sinn zurecht- legte. Aus der Fahrt nach Likani ist nichts geworden. Schauder- hafter Winter und das böse Erdbeben haben Alles verdorben, ich hatte mich so gefreut, in die Ruhe der Natur einzukehren und beschaulich, angesichts ihrer Herrlichkeiten, in das neue Jahr- hundert zu treten. Ich sehe so gerne, wenn die Dompfaffen ihr sauberes Kleid behaglich aufblähen und in kleinen Gesellschaften im Busche sitzen, ab und zu den kurzen trüben Pfiff erschallen lassen, und dabei die grossen Schneeflocken sich langsam senken. Es ist so andächtig still rund herum, weithin die dunkeln Tannen schauen aus den Hochschluchten herab ins Tal und unten im Weidengebüsch entlang den Ufern des Cyrus tummeln sich ein paar Familien der kaukasischen Schwanzmeisen. Aber im Villenschlösschen ist es behäbig warm, und man sitzt beim Gross- fürsten im Kabinet nach der Frühstückstafel im elastischen Leder- sessel, bei guter Habana und edlem Cognac. Was kümmert

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mich da die Gegenwart mit ihren Schrecken, mit England und Transvaal und den konfiscierten Reichspostdampfern! Wie herrlich betätigt sich die Friedens- Konferenz im Haag und wie human benimmt sich das „Ebenbild Gottes“, homo sapiens, zu Beginn des neuen Jahrhunderts! Traurige Reflexionen! Mehr gelernt und mehr erfunden hat die Menschheit, besser geworden ist sie darum nicht, die Urbestie bleibt in ihr und keine Heuchelei hält sie im Versteck, sie macht sich, wo sie kann, wichtig.

Es kam also anders! Wir blieben zu Hause, Sohn Robert mit Frau und Kindern waren zum Fest angekommen, sie teilten die Freude des Weihnachtsfestes, die hohe herrliche Nordmanns- tanne stand, steht noch in vollem Schmucke im Saal, und so haben wir denn diesmal ganz im kleinen Familienkreise das neue Jahr erwartet. Sehr verschiedene Gedanken und Gefühle, in Jedem andere! Wir Alten haben ja nicht mehr viel zu hoffen und zu wünschen, und trotz so vieler freudiger Erlebnisse hat sich doch nach und nach eine pessimistische Lebensanschauung heraus- gebildet; man sieht doch ernster auf das Getriebe rund herum und mit dem Jauchzen der übereilten und unbesonnenen Jugend ist es vorbei. Die Liebsten sind fast alle in der Erde, der Nachwuchs hat andere Ideen; er passt den Alten nicht, und so vereinsamt man. Man muss von den Erinnerungen zehren, von der Vergangenheit. Die Gegenwart bietet zwar Interessantes, aber wenig Tröstliches und die Zukunft hat keine weite Perspektive mehr. So dachte ich und so fühlte ich, als mit dem Schlage 12 1900 begann. Dann stiessen wir nach altem Brauche an!

Ende dieses Monats geht es fort. Von Batum nach Marseille braucht der Messagerie- Dampfer Minimum 14 Tage. Zum 4? Februar bin ich wohl in Paris.

Fürs Erste werde ich wohl kaum wieder nach Deutschland kommen. Die Sehnsucht nach Ruhe und Beschaulichkeit stellt sich immer häufiger und intensiver ein. Am liebsten ginge ich jetzt schon in den Frieden der Natur, mit meinen Erinnerungen, Büchern und Bildern, die ich so lieb habe. Aber die 6 Bände müssen doch erst vollendet werden und darüber stirbt man wohl, so dass mein Lieblingswunsch kaum in Erfüllung gehen wird.“

Im Februar 1900 reiste Radde zur Weltausstellung nach Paris, um dort den russischen Pavillon mit einzurichten. Wir waren zusammen während des 3. internatioralen Ornithologen-

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Kongresses und verbrachten schöne Stunden mit H. Schalow, Rittmeister von Berlepsch, Professor Dr. Nüsslin,O. Herman, v. Chernel u. A. Es sollte das letzte Mal sein, dass wir uns von Auge zu Auge sahen und zusammen plaudern durften. Sofort nacb der Rückkehr nach Tiflis stürzte sich Radde wieder in die anstrengendste Arbeit, um von seinem Kaukasus- Werke den 3. Band (Botanik) zu vollenden. Es ist erstaunlich, welche geistige Tätigkeit und Energie der bald Siebzigjährige mit seinen körperlichen Leiden noch entwickelte. Er schreibt uns unter dem 30. Januar 1901: „Liebe Freunde Rudolf und Wilhelm und was Alles an Euch dran und drum ist, als Kleider, Schuh Haus und Hof, Weib und Kind und Enkel! Jetzt kommt auch Ihr an die Reihe. Die riesigen Herbarien sind vollbracht. 220 Convolute von 50 X 33 X 20 cm. Inhalt. Ich habe in meinem Leben noch niemals so bei der Arbeit gesessen. Buchstäblich vom 42 September bis 4? Januar von 7 Uhr früh bis 11 Uhr Abends. Nur von 3—5 Essen und Schlaf. Allein die Kaukasier füllen 160 Convolute, über 3500 Phanerogamen in etlichen Hunterttausenden von Exemplaren und von X ver- schiedenen Sammelplätzen, wo ich sie meistens selbst hernahm. Der technische Teil dieser Riesenarbeit war natürlich langweilig, vieles musste berichtigt und das meiste neu signiert werden. Aber die tausendfach auftauchenden Erinnerungen an Lokalitäten und Personen haben mir das reichlich entschädigt. Ich habe von vielen Orten dabei innigen Abschied genommen, denn bei 70 Jahren kann man doch nicht wieder Hochalpen-Kraxler werden. Auch an Küp Göl, in 12000‘ Höhe auf dem Ararat, war ich wieder mit dem unglücklichen Sievers und fror ordentlich in meiner Wohnung, als ich der 9 Nächte auf dem Noah-Berge in solcher Weise gedachte. Ob wir das wohl Alles mitnehmen, wenn die letzte grosse Reise angetreten wird, von der keiner heimkehrt ? Ich bin in meinen alten Tagen doch zu der Überzeugung gekommen, dass nur reelle Arbeit bleibenden Wert am Leben hat. Alles Andere, und gerade das Angenehmste und Schönste, ist so wankend und schwankend, so veränderlich und ungewiss, so hinfällig und trügerisch, dass summa summarum das grosse Rätsel des Daseins dadurch weder klar noch befriedigend sich löst. Selbst einen so lebhaften Sanguiniker, wie ich einer bin, drängt sich zum Ende seiner Tage solche Überzeugung auf und gerne flüchtet er in die Einsamkeit der hehren, ewigen Natur

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und versenkt sich in anbetender Frömmigkeit in den Friedens- schooss Buddahs zur Ruhe.

Unterdessen packt Einen das Leben auf Schritt und Tritt; immer noch bin ich der Hammer! Die 70 haben daran nichts geändert aber ich sehne mich nach behaglicher und beschau- licher Ruhe. Mit dem letzten Federzuge von Band VI gehe ich falls der Grossfürst mir in Likani mein Heim anweist, wie das so ziemlich feststeht, so will ich mit meinen Büchern, Bildern und Erinnerungen, angesichts der schönen, heiligen Natur, dort oben am klassischen Cyrus bleiben und an dem Dir bekannten Platze (einer der sympathischsten, den ich auf Erden kenne) den Schlaf des Gerechten schlafen. Wo nicht, so breche ich mit der Vergangenheit, mit ihren Reizen und Mängeln, verwerte das weniger Teure, schenke das Liebste meinen Kindern und ziehe mich als simplicissimus homo in irgend eine liebliche Einsamkeit zurück, z. B. an den Kochel-See, der mir sehr zusagt.

Das sind Pläne! Wie alle anderen Seifenblasen. Ein Moment entscheidet Alles anders. Vor 5 Wochen z. B. speiste ich mit Konsul Oberg (Deutscher) bei dem Grossfürsten sehr gut und sehr lebhaft, ich trank den köstlichen Rheinwein allein aus, er und der Grossfürst hatten schon Angst vor ihm. Aber welch ein Ende! Nach 36 Stunden lag der liebe Oberg mausetot im Bette. Wo sind und bleiben da unsere Hoffnungen und Pläne! Ganze 4 Wochen hindurch starben die Menschen hier wie die Fliegen und dabei erschütternde Fälle. Das war der Totenmonat in meinem Leben. Und doch jauchzt die Menschheit weiter, das sprudelnde Leben tritt immer wieder in seine Rechte. Es ist ja gut, dass es so ist. Auf dem folgenden Bogen will ich nun manches Andere erwähnen, da Ihr zu allerlei Herzensergüssen und philosophischen Betrachtungen wohl kaum Zeit und Lust habt.

Girtanners Mitteilung über den Kondor in der Schweiz ist sehr interessant; ich glaube aber nicht, dass er oder die beiden entflohene Gefangene waren. KRaubvögel, die längere Zeit in Volieren, wenn auch bequem, lebten, verlieren die Wucht und Kraft des Fluges. Mir hat man entflogene Adler gewöhnlich in 2—3 Tagen zurückgebracht, sie sind, auch wenn nicht ope- riert, doch fluglahm oder matt und können sich nicht selbständig ernähren. Dass Vultur fulvus und cinereus gelegentlich vom’ Mittelmeer an die Ostsee gelangen, ist mehrfach erwiesen; dass wir etliche Amerikaner auch ab und zu in Deutschland finden,

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ist bekannt; aber vom Kondor steht das Faktum wohl ver- einzelt da.

Bis dato gibt es trotz des schweren und schneereichen Winters im Norden nur wenig Krammetsvögel auf dem Markte. Wahrscheinlich bringt sie der Februar erst en masse. Die Nahrung, die Beeren, ist im Norden in diesem Jahre im Über- fluss vorhanden; vom Seidenschwanz noch keine Spur. Von Pastor Lindner erhielt ich heute langen, begeisterten Brief, er will hierher kommen. Er soll, falls er Gewehr mitnimmt, für gesetzlichen Waffenpass sorgen; für alles Andere kann ich hier sorgen. Ich werde ihm morgen ausführlich schreiben. Die deutschen Landpastoren sind doch oft ganz famose Menschen. Gerade auf unserm Gebiete haben sie grosse Verdienste. Solche bescheidenen Existenzen sind wahrlich beneidenswert, zumal wenn sie das Dogma nicht gar zu stramm nehmen. An Andree?) einen Gruss! Die Objekte von Paris sind immer noch nicht da; doch kannst Du ihm sagen, dass ich mein Wort halten werde, doch müssen wir beide abwarten.

Dein Nachruf an Hartlaub ist vortrefflich, kommt einmal an mich die Reihe, so kaufe blaue Tinte und vergiss meinen Lehrer, Professor Menge, nicht der ruht schon lange aus.

Was soll man wohl zu diesem Jammertal sagen? Seit Neu- jahr zahle ich Logissteuer! Obwohl ich Kronswohnung habe reichlich 50 Rubel im Jahr. Nimmt man dazu noch den Buren- und Chinakrieg, den Tod der Königin Victoria und andere tausend Kleinigkeiten, so kann man wohl von einem Jammertal sprechen. Es ist 11 Uhr Abends, kalt in den hohen leeren Räumen, ich gehe einen Imbiss machen, 1-2 Wudki und 1 Bytok, gehackte Cotelette, da ich nun nach und nach meine oberen Zähne selbst verschluckt habe, sie so lange wackeln liess, bis sie selbst den Weg ins Freie fanden. Nie habe ich mich mit Zahnkünstlern befreundet und jetzt gehen die treuen Lebensgefährten, die Zähne, selbst in den Winkel. Es ist kalt und einsam. Imbiss, dann Zeitung und dann 1 Uhr Schlaf süsser Freund, Bruder des Todes. Euer alter Pappi G. Radde.“

Im Sommer 1901 war Radde hauptsächlich in Likani bei seinem Freunde dem Grossfürsten Nicolai Michailowitsch,

!) Professor Dr. R. Andree, früher Redakteur des „Globus“, hier in Braunschweig wohnend, jetzt in München! Bl.

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es wurde fleissig an dem grossen Werke über den Kaukasus weiter gearbeitet. Der Winter in Tiflis war gesundheitlich wieder sehr schlecht. Der letzte Brief vom 10. September 1902, den ich von Radde erhielt, klingt zum Teil recht melancholisch, wenn auch zuweilen der alte Humor wieder durchbricht. Er schreibt: „Liebe Braunschweiger! Zumal Rudolph und Wilhelm nebst Gemahlinnen, Kindern, Grosskindern und Grossmüttern! Aber auch alle anderen gelobten Herren und Damen aus jener Gegend! Amen! „Denn die Zeit ist erfüllet und wenn auch das Himmel- reich noch nicht näher kam, im Gegenteil der alte Mephisto sich unter den Menschen recht wichtig macht und der liebe Herrgott doch nur in der ewigen Natur waltet, so ist es doch Zeit, Euch einige Nachricht über mein Sein und Nichtsein zu geben. Von Dezember bis Mai total herunter! Nichts getrunken, wenig und nur widerwillig gegessen, tiefe Wehmuth, Melancholie, Gichtan- fälle kurz ganz auf den Hund gekommen. Allerlei Diagnosen der Aesculape! Nur elektrischer Strom und Massage halfen der Milz und Leber. Ich lief wie ein alter Kater umher und sprühte tagelang Funken aus meinem Felle. Alles andere „Innerliche“ half gar nichts. Trotz alledem habe ich leidlich gearbeitet. Meine Krankheit ist das Alter, das kann man nicht kurieren. Der ganze Mensch ist plötzlich ein anderer geworden. Esse - äusserst wenig, magere zusehends ab, rauche 1 bis 2 Cigarren (früher 12 und mehr) pro Tag, kein Bedürfnis nach edlem Trunk und niemals einen heiteren Strich mit gemütvoller Poesie. Tempi passati. Fühle mich aber nicht schwach und arbeite gerne. Von Band V sind 20 Bogen fertig, noch circa 10 beinahe vollendet. Im Januar erhaltet Ihr ihn via Friedländer Berlin, er behandelt die Archäologie bearbeitet von der Gräfin Uwarow. Unter- dessen Band 1V in Angriff genommen und zu Band VI von meinem Lebenslauf 1831—63 vollendet und schon zum Teil über- setzt, jetzt kommt 1864—19 ... an die Reihe. Möchte gern die 6 Bände vollenden und dann die Augen schliessen. Habe keine Lebensperspective mehr und singe immer die Schlussarie aus der Aida. Decoration ganz nahe, toter Stein, grau in grau und darin der schwarze Tod und das ungelöste Rätsel bei herrlicher Abschiedsmelodie. Damit will ich Band VI meinen Lebenslauf beschliessen und zwar in gestrichenen Noten.

Wir beide haben uns hier vollkommen erholt. Marie ist niemals so heiter und zufrieden gewesen wie jetzt Warum?

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Weil sie gar keine Wirtschaftssorgen hat. Wir sind in voller Pension bei dem ehemaligen Tischler des Thronfolgers, der ja in Abastuman lebte und starb. Da wo ich so oft bei ihm lebte, ist Alles absolut beim Alten geblieben. Dieselben Blumen, die- selben Menschen, nur 2 liebe Augen fehlen. Wenig oberhalb vor seinem Tusculum starb er auf der Strasse vom Velociped fallend am Blutsturz (R. meint den Grossfürst Thronfolger. Bl.). Man errichtet da aus Marmor eine kleine Kapelle auf der Stelle, sie ist von Blumen umgeben. Wenig weiter auf der Besitzung des Grossfürsten Alexander Michailowitsch starb vor einem Monat unser Freund Dr. Remmert. Er war der Generalin- spector für ganz Russland aller Kriegshospitälen und Begründer von Abastuman, als Student flotter Tänzer mit Marie und in Tiflis unser häufiger Gast und Dutzfreund. Er wusste, dass er sterben musste, er wollte in Abastuman die Augen schliessen. Man brachte ihn totkrank und ohne Besinnung hierher. Einmal vor dem Ende leuchtete es in seiner Seele noch klar auf, er wusste, dass er in Abastuman sei und schloss für immer die Augen. Merkwürdig, er hatte an Alles gedacht und Alles ange- ordnet. Der Diener packte auf sein Geheiss die Uniform und alle Orden ein, aber laut Ordre seines Herrn nur ein Hemde, das sei genügend, meinte er. Am 6/18. Sept. bringe ich Marie nach Borshom, setze sie in den Zug nach Tiflis und bleibe selbst in Likani bei meinem Grossfürstlichen Freund bis 16/28. Sept. Dann kommt das Leben in Tiflis, Alles in alter Weise, hoffentlich für Marie nicht zu strapaziös.“

Soweit die Briefe, die ja ein gutes Bild des Verstorbenen geben. Geschriebenes Wort ist aber lange nicht das, was uns das gesprochene Wort gibt.

Man musste Radde reden hören, dann erst bekam man einen Begriff von der unendlichen Vielseitigkeit, von dem enormen Wissen, von dem treuen Gemüte und dem sprudelnden Humore dieses Mannes. Wenn Einer es verstand zu schildern, dann war es Radde. Seine Vorträge im grösseren Öffentlichen Kreise, vor den Augen und Ohren von Hunderten von wissbegierigen Zuhörern, wie er sie in Wien, Dresden, Leipzig, Braunschweig, Berlin und vielen anderen Städten, namentlich in seiner Vater- stadt Danzig hielt, waren unvergleichlich interessant und fesselnd. Fast noch schöner war es, wenn er in traulichem Gespräch in vergnügter Tafelrunde von seinen Fahrten im fernem Asien oder’

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in den Hochgebirgen des Kaukasus erzählte. Niemals wird der unseren Radde vergessen, der an dem Frühstück Teil nahm, das er als Präsident des ersten internationalen Ornithologen-Kongresses seinen Freunden dort in Wien darbot, oder an die festliche Ver- anstaltung, die er seinen Freunden in Paris gelegentlich der Weltausstellung 1900 im russischen Restaurant zum Besten gab. Aber auch in kleineren Kreisen war er von einer bezaubern- den Liebenswürdigkeit und unerschöpflichen Unterhaltungsgabe. Wenn er bei mir in Braunschweig einige Tage zubrachte, pflegte ich einen Kreis von Freunden bei mir zu versammeln. Bald war der Augenblick gekommen, wo Alles den Schilderungen Radde’s lauschte und mit ihm im Geiste die Schönheiten der kaukasischen Hochalpen oder das lukullische Leben am Hofe des Fürsten von Mingrelien an sich vorüberzieheu liess.

Dabei war er selbst von einer ausserordentlichen persönlichen Bescheidenheit. In den letzten Jahrzehnten seines Lebens war er wirklicher Kaiserlich Russischer Geheimer Staatsrat mit dem Adel und Titel Excellenz. Wenn man ihn „Excellenz von Radde“ vorstellte, verwahrte er sich energisch: „Ich heisse Gustav Radde, mein Vater war Schulmeister in Danzig.“

Geradezu unerschöpflich in der Unterhaltung war er in dem, man kann wohl sagen, persönlichen Freundeskreise der russischen Grossfürsten im Kaukasus, bei dein Grossfürst Michael Nicolajewitsch und dessen Familie, ganz besonders dem ältesten Sohne Nicolai Michailowitsch, dem bekannten tüchtigen Forscher und ausgezeichneten Lepidopterologen. Ein inniges Freundschaftsverhältnis verband ihn mit dem verstorbenen Gross- fürst Thronfolger, der bis an sein Lebensende in seinen Erinnerungen fortlebte. Man muss das selbst gehört haben, wie er auf der Hirsch-, Bären- und Gemsenjagd bei Borshom, die ich die Ehre und das Glück hatte, im Sommer 1885 mitzu- machen, beim Jagd -Frühstücke im Hochwalde der Nordmanns- tannen die ganze Gesellschaft in fesselnder Weise unterhielt.

Radde war ein Gesellschaftsmann, er weilte gern bei einem suten Glase Wein im frohen Kreise aber er beschränkte sich nicht auf die materiellen Genüsse, die ihm in seiner Stellung so reichlich geboten wurden, er arbeitete unablässig und zwar mit einer Ausdauer, wie sie geradezu einzig dasteht, an seiner wissenschaftlichen Lebensaufgabe, der Erforschung des Kaukasus.

44 Rudolf Blasius:

Leider ist es ihm nicht gelungen, seine, wie er selbst sagte, letzte Lebensaufgabe zu erfüllen, das Werk über den Kaukasus, das „Museum caucasicum,“ fertig herauszugeben. Wie aus seinen oben mitgeteilten Briefeu hervorgeht, ist vieles von den noch nicht erschienenen Bänden (4 liegen vor: Zoologie, Botanik, Geologie, Archaeologie) im Manuscript vollendet und wird hoffentlich von berufenen Gelehrten fertig gestellt und veröffentlicht werden.

Der letzte Winter 1902/1903 in Tiflis sollte anders kommen, als Radde es sich gedacht hatte. Ein schweres Leiden, ein un- heilbarer Leberkrebs, entwickelte sich und seine treue Gattin Marie hatte nicht, wie Radde in seinem letzten Briefe andeutete, ein gesellschaftlich strapaziöses Leben in Tiflis vor nein am Bette ihres totkranken Mannes sass die treue Pflegerin.

Am 16. März erhielt ich die telegraphische Nachricht von ihr, dass Radde am 15. März seinem schweren Leiden erlegen sei.

Zahlreiche Auszeichnungen wurden Radde bei Lebzeiten zu Teil. Die Universitäten von Dorpat und Breslau ernannten ihn zum Doctor honoris causa, viele Grosskreuze russischer und aus- ländischer Orden schmückten seine Brust, die bedeutendsten naturwissenschaftlichen und geographischen Gesellschaften der Welt wählten ihn zum Ehrenmitgliede, so die Königliche Geographische Gesellschaft in London, die geographischen Ge- sellschaften von Berlin, Dresden, Budapest und Amsterdam, er war korrespondierendes Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften und der Kaiserlichen geographischen Gesellschaft in St. Petersburg; die höchsten wissenschaftlichen Auszeichnungen wurden ihm zu Teil, wie die Victoria - Medaille der Royal Geographical Society in London und die Konstantin-Medaille der Kaiserlichen Russischen Geographischen Gesellschaft.

In der Zoologie und Botanik ist sein Name vielfach ver- ewigt, ich erwähne nur Otomela Raddei, Fritillaria raddeana und das Pilzgenus Raddestes.

Ein unvergängliches Denkmal hat er sich aber selbst ge- setzt durch die grosse Menge von wissenschaftlichen Veröffent- lichungen, die meistens in grossangelesten inhaltsvollen Werken bestehen und von denen die wichtigsten am Schlusse aufge- führt sind.t)

1) Auch die geographischen Arbeiten habe ich mit erwähnt, nicht

bloss die zoologischen (ornithologischen) und botanischen, da gerade _ darin sehr viele naturwissenschaftliche Mitteilungen gebracht werden. Bl.

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Mit gerechtem Stolze können wir Deutsche auf unseren Landsmann zurückblicken, der im Dienste einer befreundeten und benachbarten Macht die Wissenschaft pflegte und auf den weiten Gebieten der beschreibenden Naturwissenschaften und Geographie so Grosses leistete, dabei als Mensch sich immer durch Bescheidenheit auszeichnete und treue unverbrüchliche Freundschaft seinen Freunden bewahrte.

Verzeichnis der wissenschaftlichen Veröffentlichungen von G. Radde.

(ohne Anspruch auf Vollständigkeit.)

Beiträge zur Ornithologie Süd-Russlands, nach Beobachtungen im Jahre 1852—53, in Cab. J. f. Orn. 2. Jahrgang 1854, p. 52—63. Beiträge zur Ornithologie Süd-Russlands, insbesondere die Vögel Tauriens betreffend, in Bull. Soc. Imp. Natur. Moscou. XXVI. 1854. I.

p- 131—173.

Versuch einer Pflanzenphysiognomik Tauriens. Bull. Soc. Imp. Natur. Moscou. XXVII. 1854.

Thierleben am faulen Meere, in Bull. Soc. Imp. Natur. Moseou. XXVIN. I. 1855. p. 150—184.

Krimsche Tataren (russisch) in Schriften der k. Geogr. Ges. in St. Peters- burg. 1856.

Auszüge aus seinen Briefen in Alex. v. Nordmann: Notiz über die von der K. Russischen Geographischen Gesellschaft nach dem östlichen Sibirien unternommene wissenschaftliche Expedition in Öfvers. af Finsk. Vetensk. Societ. Förhlg. III. 1856. p. 141—149.

Der Baikalsee (russisch). Schriften der K. Geogr. Ges. in St. Petersburg. 1858.

Über Arctomys bobac, dessen Winterschlaf und Temperatur seiner Baue in Bull. phys. math. Acad. St. Petersburg. Tom. 15. 1857. p. 317 —318. Melang. biolog. II, 6, 1858, p. 572 574.

2 Briefe an den Akademiker von Koeppen, russisch. Anzeiger d. K. Geogr. Ges. in St. Petersburg. 1858.

Die dauro-mongolische Grenze Transbaikaliens (russisch) in Schriften der K. Geogr. Ges. in St. Petersburg, 1858.

Brief, vom Amur, St. Petersburg, Zeit. 1859. Besteigung des Munku-Sardyk. P. M.!) 1860, S. 482.

Berichte über Reisen im Süden von Ost-Sibirien in Beiträge zur Kenntniss des russischen Reiches, Bd. XXIII, 1861.

Vorlesungen über Sibirien und das Amurland, gehalten im Saal der Kaiser- lichen Universität zu St. Petersburg März 1860 in Petermann’s Mit-

1) Abkürzung für Petermanns Mitteilungen! Bl.

46 Rudolf Blasıus:

theilungen 1860: 1. Vorlesung: Geographisch naturhistorische Skizze des südlichen Sibiriens u. s. w. p. 257—263. 2. Vorlesung: Das Nordost-Ende der Hohen Gobi in naturhistorischer und landwirthschaft- licher Beziehung, ebd. p. 386 394. Die südlichen Gebirgsgebiete von Ost-Sibirien, P. M. 1861, S. 449. Reisen im Süden von Ost-Sibirien in den Jahren 1855—59 incl. Im Auftrage der Kaiserl. geographischen Gesellschaft ausgeführt. 2 Bde. St. Petersburg 1862--63 (Leipzig, Voss.). 1. Bd. Die Säugethierfauna. f 2. Bd. Die Festlands-Ornis des südöstlichen Sibiriens. Neue Säugethierarten aus Ostsibirien in Bull. de l’Acad. imp. Se. St. Petersbourg. T. 4 1862. p. 47—55. Ornithologische Skizzen aus Nord-Asien in P. M. 1864. p. 342 —346. Forschungen im Kaukasus. P. M. 1864, S. 223 und 231. Ornithologische Skizzen aus Nord-Asien, P. M. 1864, S. 342. Reisen und Forschungen im Kaukasus 1864. P. M. 1865, S. 15 und 43. Beschreibung des Munku-Sardyk und Kossogoul. P. M. 1865, S. 356. Berichte über die biologisch-geographischen Untersuchungen in den Kau- kasus-Ländern. I. Jahrgang. Reisen im Mingrelischen Hochgebirge und in seinen 3 Längenhochthälern Rion, Tskenis-Tsgali und Ingur. Tiflis 1866. (russisch und deutsch). Reisen und Forschungen im Kaukasus 1865. P.M. 1367, S. 12 und 92. Reisen und Forschungen im Kaukasus 1867. P. M. 1868, S. 55 und 129. Die letzten Auerochsen im Kaukasus. P. M. 1868, S. 72. In Verbindung mit Sievers: Reisen im armenischen Hochlande 1871. P. M. 1872, S. 367 und 485. 1873, S. 174. Bereisung von Hocharmenien 1871. P. M. 1372, S. 206. Das kaukasische Königsrebhuhn, Megaloperdix caucasica. J.f.0.1873, 1. Über Vögel bei Tiflis, in Cab. J. f. Ornith. 21. Jahrg. 1873, p. 58. Über den faunistischen Character von Steppe und Wüste, in Cab. J. f. Ornith. 21. Jahrg. 1873, p. 457 558. Vier Vorträge über den Kaukasus, gehalten im Winter 1873/74 in den grösseren Städten Deutschlands. P. M. Ergänzungband. VIII, 1874, No. 36. In Verbindung mit Sievers: Die Vegetation von Hocharmenien. P. M. 1875, S. 58. Über den Massenuntergang von Thieren, in 11. und 12. Jahresbericht des Vereins für Erdkunde. Dresden. 1875, p. 47.

In Verbindung mit Sievers: Reisen in Hocharmenien, ausgeführt im Sommer 1874. Vorläufiger Bericht. Die Quellen des Aras, Frat und Tschorok. P. M. 1875, S. 56 und 301.

In Verbindung mit Sievers: Vorläufiger Bericht über die Reisen im Jahre 1875 in Kaukasien und dem Armenischen Hochlande. P. M. 1876, S. 139. i

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Briefliches vom Kaukasus, J. f. O0. 1876, S. 216.

Zur Berichtigung! (Nicht (ic. alba sondern Grus leucogeranus bei Irkutsk). Orn. Centralbl. 1877, S. 100.

Die Ebene des oberen Frat. P. M. 1877, S. 260.

Erdbeben von Erzerum. P. M. 1877, S. 265.

Die organische Welt im Kaukasus. Für den kaukasischen Kalender 1877. (russisch).

Flora des Quellgebietes des Aras. P. M. 1877, S. 266.

Flora der Frat-Ebene. P. M. 1878, S. 266.

Der Bin-göl-dagh, der tausend Seeen-Berg, das Quellgebiet des Aras. P. M. 1877, S. 411.

Vorläufiger Bericht über die im Sommer 1876 ausgeführten Reisen. P. M. 1878, S. 248.

Über die Chewsuren, für den kaukasischen Kalender. 1878. (russisch).

Die Chewsuren und ihr Land (ein monographischer Versuch) untersucht im Sommer 1876. Kassel. Verlag von Th. Fischer 1873. (russisch und deutsch).

Reisen in den Kaukasusländern. P. M. 1880, S. 359.

Offenes Sendschreiben an den Präsidenten der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft, Herrn E. F. von Homeyer. Tiflis 1°/,, September 1880.

Reise nach Talysch, Aderbeidschan und zum Sawalan, 1879—1880. P. M. 1881, S. 47, 169 und 261.

Über eine Sendung von Vögeln aus dem Kaukasus (in Verbindung mit A. von Pelzeln). Mitth. d. orn. V. in Wien. 1884, S. 1.

Malerisches Russland: ‚Der Kaukasus“. St. Petersburg 1884 (russisch).

Ornis caucasica. Kassel bei Theodor Fischer. 1334 (deutsch und russisch).

Reisen P. M. 1885, S. 28, 350, 393; 1887, S. 215; 1890, S. 205, 230, 252; 1894, S. 245.

Talysch, das Nordwestende des Alburs und sein Tiefland. P. M., 1885,

S. 254. Zweiter Nachtrag zur Ornis caucasica. J. f. 0. 1885, S. 74.

Vorläufiger Bericht über die Expedition nach Transkaspien und Nord- Chorassan im Jahre 1886. P. M. 1837, S. 225 und 269.

Reisen an die Persisch-Russische Grenze. Talysch und seine Bewohner. Leipzig. F. A. Brockhaus. 1886.

Die Fauna und Flora des südwestlichen Kaspi-Gebietes. Leipzig. Brock- haus. 1886.

Aus den Daghestanischen Hochalpen, vom Schah-dagh zum Dulty und Bogos. P. M. Ergzbd. XVII, No. 85; 1887.

Dritter Nachtrag zur Ornis caucasica für das Jahr 1885. Ornis, 1887, S. 457. Ornithologisches aus Transkaukasien.-. Orn. Monatsschrift. 1888, S. 97.

Die Vögel Transkaspiens (in Verein mit Dr. G. Walter). Ornis, 1889, S. 1—128 und 265— 279.

48 Rudolf Blasius:

Erwiderung auf Herrn Prof. M. N. Bogdanow’s, (f) Kritik der Ornis caucasica. Ornis, 1889, S. 336.

Sendschreiben an Herrn Professor Dr. Liebe. Orn. Monatsschrift. 1889, 8. 82.

Wissenschaftliche Ergebnisse der im Jahre 1386 in Transkaspien von Dr. 6. Radde, Dr. A. Walter und A. Konschin ausgeführten Ex- pedition.

Bd. I. Zoologische Abteilung. Jena. Gustav Fischer. 1889. (NB. Die Vögel, Separatabdruck aus Ornis, 1889).

Über das Steppenhuhn, Syrrhaptes paradoxus. Zoologischer Garten, XXX (1889), S. 154.

Vierter Nachtrag zur Ornis caucasica. Ornis. 1890, S. 400.

Bericht über die im Sommer 1890 im russischen Karabagh ausgeführte Reise. P. M. Ergzbd. XXI, No. 100. 1890.

Reise nach Ceylon, dem indischen Archipel und Vorderindien. P. M., 1390, S. 230 und 252.

Brütendes Uhuweibchen in der Voliere. Orn. Monatsschrift, 1891, S. 263.

Die Reise der Grossfürsten Alexander und Sergei Michailowitsch auf der Yacht „Tamara“. P. M. 1891, S. 29, 75, 252, 277 und 289.

On the vertical range of alpine plants in the Caucasus. Journ. Linn. Soc. Bot. XXVIII, 255. 1892.

2300 Meilen auf der Yacht Tamara. St. Petersburg 18923 und 1893 (russisch).

Bericht über das Kaukasische Museum und die öffentliche Bibliothek in Tiflis. (derartige Berichte von Radde erschienen im letzten Jahrzehnt jährlich, oder für 2 Jahre zusammengefasst). 1892 und ff.

In Verbindung mit König: Das Ostufer des Pontus und seine kulturelle Entwicklung im Verlaufe der letzten 30 Jahre. P. M. Ergzbd. XXIV, No. 112. 1895.

Zum Andenken an Maximilian Noska, Sr. Kaiserlichen Hoheit des Gross- fürsten Sergei Michailowitch Jagdmeister im Gebiete der Kau- kasischen Auerochsen. (Zwei monographische Studien: 1) Capra (Aegoceros) caucasica, Güld., 2) Capella rupicapra, Keys. et Blas. von Max. Noska). Weidmann, 1895, S. 198, 205, 213, 231, 241, 265, 273 und 281.

Ornithologisches aus Transkaukasien. Orn. Monatsschrift. 1895, S. 99.

In Verbindung mit König: Der Nordfuss des Daghestan. P.M. Ergzbd. XXV, No. 117, 1896.

Die Lachse der Kaukasusländer und ihrer angrenzenden Meere. Bearbeitet durch Kawraisky. Herausgegeben von G. Radde. 1896 u. ff.

Gustav Radde 7. 49

Mittheilungen vom Kaukasischen Museum. (halb russisch und halb deutsch) herausgegeben von G. Radde.

Tom. I. Lieferung 1. 1897. Die Kaukasischen Ucklei-Arten, Genus Alburnus von F. F. Kawraisky. Lieferung 2. 1897. Übersicht der geologischen Sammlungen des Kaukasischen Museums von L. Lebedew (übersetzt von G. Radde). Lieferung 3. 1899. Beiträge zur Ichthyofauna des Kaukasus von L. Berg. Lieferung 4. 1901. Über die Säugethiere der Steppen des nordöstlichen Kaukasus von K. A. Saturnin.

Einzelne illustrirte Artikel über die Reisen nach Algier und Tunis. Rund- schau für Geographie. Wien 1898.

Grundzüge der Pflanzenverbreitung in den Kaukasus-Ländern. Leipzig. Engelmann, 1899.

Transkaspien und Nord-Chorassan. P. M. Ergzbd. XXVII, No. 126, 1899.

Die Cypriniden des Kaukasus bearbeitet von Kamensky. 1901. Heraus- gegeben von G. Radde.

Besprechungen von dem Werke Gottfried Merzbacher’s „Aus den Hoch- regionen des Kaukasus‘, Wanderungen, Erlebnisse, Beobachtungen. Leipzig. 1901. P. M. 1901, S. 156.

Zwei Reiseberichte von G. Radde aus der Krim vom Mai und November 1852 in: Schriften der Naturforschenden Gesellschaft zu Danzig, 1902, September,"p. 1—26.

Museum caucasicum. Die Sammlungen des Kaukasischen Museums. Tiflis. Typographie der Kanzlei des Landeschefs, (russisch und deutsch).

Bd. I. Zoologie. (Radde.) 1899.

Bd. II. Botanik. (Radde.) 1901.

Bd. III. Geologie. (N. J. Lebedew.) 1901.

Bd. IV. Archaeologie. (Gräfin P. S. Uwarow.) 1902.

Journ. f. Orn, LII, Jahrg. Januar 1904, 4

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Weitere Beiträge zu der Gätkeschen Hypothese über den Zug der Vögel nach Alter und Geschlecht.

Von F. Helm.

„Was die Höhe des Wanderfluges anbetrifft, so möchte ich noch besonders herverheben, dass seit dem Frühjahr 1901, seit- dem ornithologische Beobachtungen auf den Ballonfahrten ange- rest sind und auf allen militärischen und wissenschaftlichen Fahrten stattfinden, bis heute nicht ein einziger Fall vor- liegt, in dem Vögel einmal in grösseren Höhen, d. h. in Höhen von mehreren 1000 m und ausser Sehweite über der Erde ange- troffen sind. Dies nach wie vor negative Resultat muss wohl dafür sprechen, dass eben die Zugstrassen der Vögel nicht in den hohen Regionen zu suchen sind.“

„Eine besondere Organisation der Vögel, die sie befähigt, geringen Luftdruck zu ertragen, und ihnen den Flug. in grosse Höhen gestattet, wie es Gätke in seiner „Vogelwarte Helgoland“ annimmt, trifft (also) nicht zu. Dies muss aber ebenfalls dar- auf hinweisen, dass der Vogelzug nicht sehr hoch vor sich geht, sondern in geringer Entfernung von der Erde, wo die schädlichen Einflüsse der Abnahme der Temperatur und des Luftdrucks sich noch nicht geltend machen.“ (Orn. Monatsber.) Das sind die Hauptergebnisse der durch v. Lucanus ausgeführten, von der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft vorgeschlagenen und von mir angeregten Untersuchungen. Die praktischen Erfah- rungen haben demnach vollständig bestätigt, was ich auf Grund der Resultate einer Reihe von internationalen Ballonfahrten ver- mutete (Journal f. Ornith. 1901). Zur Stütze seiner Theorie über die Höhe des Wanderfluges der Vögel führt Gätke unter anderm auch die Tatsache an, welche Humboldt in den Anden am Kondor nachgewiesen haben will. Darnach kreiste einer dieser Vögel dort stundenlang in einer Höhe von 22,000 Fuss umher. Aber ist das auch sicher? Im Annual Report of the Smithsonian Institution 1901, S. 655 urteilt Lucas darüber folgendermassen: „Humboldt will einen Kondor über dem Gipfel des Chimborasso fliegen gesehen haben, ob aber dieser oder irgend ein anderer Vogel jemals eine solche Höhe!) erreicht, ist mehr als fraglich,

1) Es ist bekannt, dass Vögel in beträchtlicher Höhe ziehen, aber man glaubt, dass bis jetzt noch keiner in einer Höhe von 4 Meilen angetroffen wurde. Die Höhe des Chimborasso beträgt 20,494 Fuss.

Zug der Vögel nach Alter und Geschlecht. 51

Whymper, der neuste und sorgfältigste Beobachter, setzt. die Grenze, bis zu welcher der Grosse Geier aufsteigt, in 7000 bis 15000 Fuss.“ Diese Annahmen werden auch von anderer Seite bestätigt. So heisst es (Bulletin of the Wisconsin Natural History Society Vol. II, No. 4 (Okt. 1902), S. 207: „Abschätzungen über die Höhe der Wanderungen mit Hilfe des Fernrohrs zeigen, dass die früheren Forscher die Höhen viel zu gross angenommen haben. Bei den Beobachtungen in Beloit befand sich die Mehr- zahl der ziehenden Vögel nicht über 1500 Fuss vom Boden ent- fernt; in Detroit angestellte Untersuchungen zeigten, dass der Zug etwas höher vor sich ging, aber trotzdem weit niedriger als frühere Forscher glaubten. Nach H. Warren folgte mehr als die Hälfte der Wanderer dem Lauf des Flusses in einer Höhe von etwas mehr als !/, Meile.

Die Fernrohrbeobachtungen führten zu dem Ergebnis, dass die wandernden Vögel in verschiedenen Höhen ziehen, aber bei weitem die grösste Zahl derselben nicht viel über eine halbe Meile von der Erde sich entfernt.“ Der Vollständig- keit wegen sei auch noch folgende hierher gehörige Angabe an- geführt. In dem offiziellen Bericht über den III. internationalen ornithologischen Congress in Paris 1900, S. 320 sagt Quinet in einem Vortrag betitelt: Consideralions sur les migration des oiseaux: „La hauteur de leur vol n’est jamais bien considerable, 1000 metres maximum, et s’explique par la la rarefaction et le refroi- dissement de l’air en altitude. Les grand Echassiers se tiennent dans la nue; la plupart de nos voyageurs, & quelques centaines de metres de hauteur; les Alouettes et les Hirondelles rasent souvent le sol.“

Einer der Leitsätze, welche Gätke in seiner Vogelwarte aufgestellt hat, lautet:

„Unter normalen Verhältnissen eröffnen von den hier vor- kommenden 398 Arten mit Ausnahme einer einzigen den Herbst- zug die jungen Vögel, welche etwa 6—8 Wochen zuvor das Nest verlassen, die Eltern derselben folgen dann erst 1—2 Monate später. „beweismaterial für diese Angaben lieferten in entscheidender Deutlichkeit solche Arten, deren ausgefärbtes Kleid so abweichend von dem ihrer Jungen gefärbt ist, dass man in einiger Entfernung schon sehr leicht zu unterscheiden vermag, welche Alterstufe man vor sich hat. ... Unter den einschlägigen Arten nehmen eine ganz besonders hervorragende Stelle die Stare ein, einer-

4*

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teils wegen der so sehr verschiedenen Färbung ihres Jugend- und Alterskleides, als auch infolge ihres so überaus massenhaften Auftretens.“ Die Wahl des Stares zur Feststellung des Zuges nach Alter und Geschlecht scheint mir aber eine sehr unglückliche zu sein, denn gerade dieser Vogel führt eine ganz eigentümliche Lebensweise nach der Brütezeit, welche vielleicht in erster Linie mit der Nahrung zusammen hängt. Ich habe schon nachgewiesen (Journ. f. Ornith. 1903, S. 259 u. ff.), dass im Herbst in verschiedenen Teilen Deutschlands ete. junge und alte Stare sich zeigen, und es liegen mir auch gegenwärtig wieder eine Reihe dies bestätigender Beobachtungen vor.!) Weil ich aber Vorkehrungen getroffen, dass der Star in verschiedenen Gegenden eingehend beobachtet wird, will ich heute auf diesen Gegenstand nicht näher ein- gehen. Überdies ist wohl auch der Ausspruch Gätkes, dass „die Eltern den jungen Vögeln erst 1—2 Monate später folgen“ nicht wörtlich zu nehmen, denn wie könnte man sonst die nach- folgenden Gätkeschen Angaben verstehen: „Der regelmässige Zug der jungen Steinschmätzer tritt aber erst mit der letzten Woche des Juli ein... und währt bis Mitte Sept., auch wohl etwas darüber hinaus, worauf er nach und nach erlischt. Die alten Vögel dieser Art sieht man während des Herbstzuges auf Helgo- land in viel geringerer Zahl. Ihre eigentliche Zugzeit ist der Oktober, jedoch stellen sich zerstreute Stücke im blaugrauen Kleide schon im Laufe des Sept. ein; so befanden sich z. B. unter 45 in der Nacht zum 1. Sept. 1881 beim Leuchtfeuer gefangenen 7 alte Vögel! In ganz gleicher Weise verläuft der Zug von Muscicapa luctuosa, Sylvia phoenicura, Emberiza hortu- lana etc..... Von Sylvia phoenicura aber, deren Junge kaum vor Ablauf der ersten Woche des August eintreffen, folgen die Alten in etwas kürzerer Zeit nach. Unter 36 während der Nacht des 4. Sept. 1881 gefangenen dieser Art befanden sich schen 11 alte Vögel. Tags vorher hatte ich in meinem Tagebuch bemerkt: Oenanthe '/, alt, Phoenicura die Hälfte alt, Hortulana sehr zahlreich, etwa der 4. Teil alt. Unter Berücksichtigung dieser Tatsachen ist es meiner Meinung nach doch gar nicht gerecht- fertigt zu behaupten, die Eltern dieser Vogelarten folgen ihren Jungen erst nach 1—2 Monaten. Dass aber auch bei anderen

1) So erhielt ich z. B. am 25. Sept, aus Sylt die Nachricht; . „Junge Stare massenhaft!“

Zug der Vögel nach Alter und Geschlecht. 53

Vögeln jung und alt zusammen die Herbstwanderung unternimmt, soll im folgenden nachgewiesen werden. Im „The Ibis“, April 1902, veröffentlicht W. Eagle Clarke eine Abhandlung unter dem Titel: A Month on the Eddystone: a Study in Bird-migration. Schon in Nummer 7, Jahrgang 1902, der Ornith. Monatsber. wurde auf die grosse Bedeutung dieser Abhandlung hingewiesen, sodass ich mir jetzt ersparen kann, darauf näher einzugehen. Nur einige der Ergebnisse dieser ungefähr 4 wöchigen Beobachtungen (vom 18. Sept. bis 19. Okt.) seien kurz angeführt. Über den Zug nach Alter und Geschlecht äussert sich Clarke in folgender Weise: „Auf die Frage, ob junge und alte Vögel zusammen oder getrennt ihre Reisen ausführen oder mit welchen Arten sie gemeinschaft- lich dies tun, verbreiten meine Beubachtungen auf Eddystone einiges Licht. Schwalben, jung und alt, wurden gemein- schaftlich während des Tages ziehend, beobachtet; junge und alte Mistel-, Rot- und Schwarzdrosseln, Steinschmätzer, schwarz- kehlige Wiesenschmätzer, gelbe Bachstelzen und Feldlerchen erhielt ich zusammen in der Nacht am Leuchtfeuer.‘

Bereits 1901 veröffentlichte Clarke eine ausführliche Arbeit über die Wanderung der Feldlerche (Alauda arvensis) und der Dorfschwalbe (Her. rustica) namentlich auf Grund der Leucht- turmbeobachtungen von 1880 bis 1887, der schottischen Berichte über den Vogelzug von 1892 bis 1900 (von Hinxman und Laidlaw) und der irländischen Berichte von 1888 bis 1897 (von Barrington). Neben diesen Unterlagen benutzte Clarke auch noch Mitteilungen von Collett (die Vögel Südnorwegens betreffend) und von Knud Andersen (über den Vogelzug auf den Färör). Es ist hier nicht der Ort, auf die höchst interessanten Ergebnisse der Studie ein- zugehen, nur einige den Zug der Schwalbe betreffende Tatsachen seien kurz angeführt. Noch in der ersten Hälfte des November kommen an der Ostküste Grossbritanniens und an der Südküste Irlands vereinzelte Individuen vor. 1880 beobachtete man selbst in der letzten Novemberwoche noch einige an der Südküste Englands, am 7. Dezember eine bei Bournemouth, am 11. 2 bei Eastbourne und 1 bei Woolwer, 1887 wurde sogar auf den Monach- Inseln ein Ex. im Januar gefangen. Hinsichtlich des Zuges nach Alter und Geschlecht kommt Clarke dabei zu folgenden Ergeb- nissen: „Die ersten Scharen,. welche man den Kanal kreuzen sah, setzten sich zusammen aus jungen und alten Vögeln. Es hat sich jedoch auch ergeben, dass die grossen, an verschiedenen Punkten

54 F. Helm:

der Südküste auftretenden Flüge, welche entweder sich zur Ab- reise vorbereiteten oder auf ihr begriffen waren, in manchen Fällen hauptsächlich oder ganz aus jungen Vögeln, in anderen Fällen ganz aus alten bestanden. Häufiger indes steht die Zahl der alten Vögel im richtigen Verhältnis zu dem der jungen.“

Wie verläuft nun der Zug der Rauchschwalbe in Mittel- europa? Aus der mir zur Verfügung stehenden Literatur habe ich die nachstehenden Angaben zusammengestellt.

Dänemark.

Kopenhagen. 1885. Eine Verminderung trat im Laufe des September ein, eine beträchtliche Anzahl zeigte sich am 30. d. M., ebenso in den ersten Oktobertagen nicht wenige, einzelne oder mehrere täglich bis zum 13, meist Junge, mehrere Alte; die letzte, eine Alte, wurde am 14. beobachtet. Bei Amager erlegte man am 12. Nov. eine Junge. Ornis 1886, 559.

Kopenhagen. 1886. Von 27. bis zum 29. Sept. zeigte sich ein Schwarm (beinahe aus lauter Jungen bestehend) bei Nord Harbour; am 9. Okt. kamen mehrere (alles Junge, wie zu dieser Zeit sehr oft) zur Beobachtung. Ornis 1888, 378 u. f.

Kopenhagen. 1887. Die Verminderung begann am 16. Sep- tember; am 3., 4., 5., 8. und 16. Okt. wurden einige, meist Junge, beobachtet, ebenso am 24. noch eine. Ornis 1890, 350.

Ostseeprovinzen. Der Abzug und zwar meist junger Exemplare ohne Schwanz- gabel wurde am 23. September beobachtet. Die Hauptzüge waren schon seit Mitte August in Bewegung. Ornis 1890, 173.

Polen.

Bis zum 10. Oktober verschwinden sie vollständig, nur einige Nachzügler, gewöhnlich Junge, bleiben noch einige Tage. Ornis 1888, 452.

. Mittelschlesien.

In Breslau zeigten sich am 10. September bei Westwind grosse durchwandernde Züge, am 11. Sept. war 3 Meilen südlich von Breslau eine deutliche Abnahme nachzuweisen. Eine grosse . Anzahl jedoch, namentlich Junge der 2. Brut mit deren Eltern

Zug der Vögel nach Alter und Geschlecht. 55

blieben noch bis zum 17. Sept. An diesem Tage war bei Südwind eine Temperatur von 422° R im Schatten; sie zogen also keines- wegs aus Nahrungsmangel, sondern von Wanderlust getrieben hin- weg. Orn. Monatsschr. 1886, 58.

Oberschlesien.

Ratibor. Am 25. September 1898 kamen noch 9 Stück Junge von demselben Jahr vor. Orn. Monatsschr. 1900, 223.

Westfalen.

Münster. Bei Schiesshaus wurden am 19. Sept. alte, am 23. Sept. junge Schwalben zuletzt gesehen. Journ. f.Ornith. 1885, 259.

Bayern. Burgpreppach. Vom 22. bis 28. Sept. wurden Familien, d. h. einige Alte mit ihren spät erbrüteten Jungen beobachtet. Journal f. Ornith. 1886, 193.

Prov. Sachsen. Bei Magdeburg beobachtete Thienemann am 28. Sept. 5 junge Rauchschwalben, die den ersten Ausflug machten; Mitte Oktober zogen die beiden Alten mit 2 Jungen fort, während die 3 anderen noch über eine Woche zurückblieben. Orn. Monatsschr. 1886, 21.

Brandenburg.

Bei Brandenburg sah Thiele amı 29. Okt. noch junge Schwalben. Journ. f. Ornith. 1896, 98.

Hessen.

Aus Kassel berichtete 1883 Walter folgendes: „Der Abzug dieser Schwalbe ist sehr verschieden. Diejenigen, die weiter im ‚Norden gebrütet haben, treffen hier ein, füttern auch hier noch ihre Jungen, wenn die hiesigen schon längst abgezogen sind ..... Am 15. Okt. morgens erschienen grosse Schwärme, von denen ein Flug von mindestens 100 Stück meinen Garten occupierte. Es befanden sich nämlich in diesem Fluge so viele junge und sichtlich ermüdete Schwalben, dass eine Rast notwendig sein musste. Die grossen Birnbäume wurden in Beschlag genommen und die trockenen und frischen Zweige von den jungen Schwalben besetzt,

‚56 F. Helm:

Die Alten brachten Nahrung und setzten sich dann auch öfter in die Zweige. Am Nachmittag waren alle verschwunden. Journ. f. Ornith. 1885, 258.

Königreich Sachsen.

Bei Waldheim wurden am 10. Okt. 1885 ca. 10, darunter einige Junge beobachtet.

Bei Grossenhain zeigte sich am 20. Sept. 1886 eine Familie, deren Junge von den Alten im Fluge gefüttert wurden.

Grimma. Den 3. Okt. 1887 sassen 30—40 auf einem Tele- graphendraht, darunter befanden sich viele Junge mit unvollständig entwickeltem Gefieder. Am 15. Okt. beim ersten Schnee suchten 2 Junge in einem geschützten Garten Nahrung. Am 27. 1 Junge, 29. Okt. 3 Junge zeigten sich in einem Garten vor der Stadt.

Bei Dresden kamen am 19. Sept. 1888 15—20 Durchzügler, darunter Junge, vor, welche Nahrung suchend nach SW. zogen; am 2. Okt. stellte sich im Grossen Gehege eine Schar von 30—40 Stück ein, darunter ebenfalls Junge, die von den Alten im Fluge gefüttert wurden. Diese Schar verweilte teilweise bis zum 14. Okt., kreiste namentlich gegen Abend in der Luft und stellte auch Flugübungen an, vom 9. Okt. ab verringerte sich ihre Zahl und am 15. Okt. konnten dort nur noch einzelne bemerkt werden. (Jahresber. orn. Beob. Kgr. Sachsen.)

Im Anschluss daran seien noch einige hierher gehörige No- tizen aus meinen ornithologischen Tagebüchern mitgeteilt. Am 16. September 1887 bei schönem Wetter zogen früh von 7—9 Uhr bei Arnoldsgrün i. V. ca. 170 Stück in kleinen Trupps nach SW, die einzelnen Individuen der Flüge waren sehr zerstreut; alle flogen sehr niedrig, 1—2 m über die Felder; am Walde ange- kommen, erhoben sie sich bis zu den Spitzen der Bäume und setzten so ihre Reise fort. Unter diesen Durchzüglern befanden sich viele Junge mit noch nicht vollkommen entwickelten Spiessen.

Auch am 29. Sept. 1888 beobachtete ich bei Dresden eine kleine aus Alten und Jungen sich zusammensetzende Schar, des- gleichen am 19. Sept. 1889, ferner am 9. Okt. 1891 einige Junge bei Moritzburg, am 2. Okt. 1901 an den Frohburger Teichen eine grössere Schar, die eifrig Nahrung suchte, darunter Junge mit noch unvollkommenem Schwanze, ebenso traf ich am 6. Okt. bei Königswartha eine grössere Anzahl Alte und Junge an, die letzteren waren bei ziemlich starkem Winde kaum im - stande, sich auf den Telegraphendrähten zu halten, Zahlreiche

Zug der Vögel nach Alter und Geschlecht. 57

andere Beobachtungen, das Vogtland, die Umgegend von Leipzig etc. betreffend, könnte ich noch anführen. Es geschehe dies aber nur noch mit einigen auf andere Länder Bezug habenden Angaben.

Böhmen.

Aus Aussig meldete Hauptvogel am 15. Sept. 1889 folgendes: „An der Mündung der Biala in die Elbe flogen Hunderte von Hirundo rustica umher, meist Junge, ganz nahe des Wasser- spiegels auf und abjagend und selbst aus dem Wasser Insekten fangend“. Schwalbe 1889, 472.

Über Starkoc bei Caslau berichtet Koresonseke ae Okt. 1894 waren meist nur junge Vögel zu sehen, am 13. Okt zeigten sich 2 Junge bei Zbyslau, 1896 beobachtete ich am 3. Okt. nur wenige und fast nur junge Rauchschwalben.“ Ornith. Jahrb. 1898, 38.

Mähren.

Über Oslawan liegen von Öapek folgende Beobachtungen vor: „Anfangs September vereinigten sich die Schwalben zu Scharen, und am 10. d. M. flogen sie fort; einige Junge trieben sich bis zum 4. Okt. herum“. Suppl. z. Ornis 1888, 85.

„Die Hauptmasse zog am 12. September ab; dann folgten kalte Tage, und man sah stets einige junge Vögel im Städtchen“. Ornis 1889, 463.

Brünn. 1900. Heuer wurden nöch am 3. Oktober 6 Stück eben fligge gewordene Junge auf einer Erle an der Schwarza gefüttert. Orn. Jahrb. 1901, 187. B%

Oberösterreich.

In Linz beobachtete Karlsberger, wie am 3. und 10. Sept. Alte die Jungen im Fluge fütterten. Ornis 1888, 85.

Salzburg. Hallein. Nach v. Tschusi waren die Rauchschwalben am 8. September grösstenteils verschwunden, und sassen am 13.d. M. ziemlich viel Alte und Junge auf Telegraphendrähten. Ornis 1888, 86.

Ungarn. Hegyfoky berichtet: „Auf ein und derselben Stelle einer Robinie unseres Hofes machte sich anfangs September bis zum 10. eine Schwalbenfamilie ansässig; die Jungen erwarteten dort

98 F. Helm:

die Alten, um Futter zu bekommen. Und siehe! Als die Stunde des Wegzuges kam, und immer mehrere und mehrere sich zu häufen anfıngen, über den Hausgiebeln, jedoch nicht sehr hoch herumflatterten, so zog nach etlichen Tagen auch die junge Brut fort.“ Aquila 1895, 143.

Über die Höhe des Schwalbenzuges macht unser Ge- währsmann nachstehende interessante Angabe: „Indem die Schwalbe sich schon bei Temperaturen um den Gefrierpunkt entfernt, kann ihr Zug nur in solchen Luftschichten stattfinden, deren Wärme- grad über Null ist. Die Höhe derselben kann leicht berechnet werden auf Grund der Temperatur, welche auf der Erdoberfläche herrscht“. ibid. S. 151.

Schweiz.

Über Zofingen liegt von Fischer-Sigwart folgender Bericht vor: „1885 war am 22. Sept. Kälte mit Schneegestöber einge- treten, das mit wenigen Unterbrechungen bis Ende September dauerte und das einen grossen Schwalbenzug im Wiggertale über- raschte und einige Tage zurückhielt. Am 28. September nun flog bei sehr dichtem Schneegestöber ein Schwarm dieser Schwalben umher, der z. T. aus Alten und Jungen, z. T. aus noch nicht iange flüggen Rauchschwalben bestand. Die alten Schwalben erhaschten über dem Wasser mühsam einige Nahrung und hoben auch hineingefallene schwimmende Insekten auf. Damit ätzten sie ihre Jungen“. Ornith. Beobachter 1902, 35.

Ferner liegt über die Schweiz noch folgender Bericht von Weber vor: „Die letzten Rauch- und Mehlschwalben zogen am 16. und 18. Okt. bei Bern durch. Am 16. war es eine etwa 100 köpfige Schar, meist Rauchschwalben, die, dem Aaretal in südlicher Richtung folgend, noch eifrig auf Insekten Jagd machten, wobei die mitreisenden Jungen geätzt wurden. Am 18. sassen 3 junge Rauchschwalben auf einem Telegraphendraht, eine schien sehr ermattet, wohl auch hungrig, während die beiden Alten Futter suchend in der Nähe umherflogen. Ornith. Beobachter 1902, 273.

Doch genug der Citate! Unzweifelhaft geht aus dem Ange- führten hervor, dass vielfach junge und alte Rauchschwalben ge- meinschaftlich im Herbst ihre Wanderungen ausführen. Das verzögerte Flugbarwerden der Jungen aus verspäteten Bruten mag oft die Ursache dieser Erscheinung sein. Grosse Wichtigkeit scheinen mir aber die nun anzuführenden Beobachtungen zu

Zug der Vögel nach Alter und Geschlecht. 99

beanspruchen. In der Rhea veröffentlichte Thienemann über seine zahme Schwalbe einen interessanten Artikel unter dem Titel „Meine Schwalbe“, in dem sich folgender Passus findet: „Sobald die ersten Jungen flugbar wurden, führte das Männchen dieselben bei mir ein, bis im Herbst alle zusammen des Nachts an die gemeinsame Schlafstelle der Umgegend sich begaben. Ein- mal blieb jedoch mein Männchen des Nachts wieder bei mir, führte auch am anderen Tage die ganze Familie ins Zimmer und sang anhaltend und lebhaft, was mich den nahen Abschied vermuten liess... . des anderen Tages waren alle Schwalben verschwunden“. Orn. Monatsschr. 1888, 314/15.

In seiner Vogelwelt des Teutoburger Waldes (Detmold 1877) S. 225—234 schildert Schacht den Verlauf des Brutgeschäftes von einem, den Flur seines Hauses bewohnenden Rauchschwalben- paare. Er sagt darin unter anderem auch folgendes: Am 5. Juli, 23 Tage nach dem Ausschlüpfen, waren die Jungen heran- gewachsen, und eins derselben wagte gegen Abend den ersten Flug aus dem Neste. Am 24. Juli 10 Uhr morgens durchsegelte die ganze Kinderschar schon draussen in Gesellschaft der Alten die Sommerlüfte..... Am 17. August fanden sich gleichzeitig die 5 Kinder der 1. Brut wieder im Hause ein, sodass heute die Familie vollzählig beieinander war. Die Liebe der Eltern schien auch gegen die Erstgeborenen noch nicht erkaltet zu sein, da sie sich durchaus nicht feindselig gegen dieselben betrugen... . Am 1. Sept. flog die 2. Brut aus... Nachgerade war nun die Zeit herangerückt, wo in der Schwalbenwelt alles Leben und Be- wegung ist und wo man sich rüstet zu der grossen Reise nach der südlichen Hemisphäre. In diesen Tagen fanden sich die Jungen der ersten Brut wieder häufig im Hause ein; schien es doch, als wollten die Kinder zusammenbleiben, um gemeinsam die weite Strecke unter Führung der erfahrenen Eltern zurückzulegen. Noch am 15. September bemerkte ich gegen Abend die Alten und auch die Jungen der letzten Brut im Hause am 16. war die ganze Familie abgereist.

Ferner mag auch auf einen im Departement de la Seine beobachteten und im Bericht über den III. internationalen orni- thologischen Kongress S. 253 u. ff. veröffentlichten gleichen Fall kurz hingewiesen sein. Es heisst da: „Das Weibchen eines Paares, das sich im Speisesaal eines Hauses angesiedelt hatte, legte 4 Eier, das Paar zog 3 Junge auf, und im Oktober wanderte die ganze

60 F. Heim:

Familie fort.“ Endlich sei aus den sächsischen Ornithologischen Jahresberichten angeführt, dass in Sebnitz 1893 bis zum 11. Sept. die Alten eines Paares mit ihren Jungen regelmässig ins Nest kamen und am 12. alle fortgezogen waren.

Den Schluss bilde eine von Emin Pascha herrührende und die Aequatorial-Provinz betreffende Mitteilung. Sie lautet: „Die Rauchschwalben kommen gewöhnlich in grossen Schwärmen an, welche eine sehr grosse Anzahl junger, noch nicht völlig ausgefärbterJahresvögelenthalten“. Zool. Jahrb. 1892, 146.

Es mögen an dieser Stelle noch einige Beobachtungen über andere Vogelarten folgen, welche den Zug nach Alter und Geschlecht betreffen. Jedem Feldornithologen ist wohl die Tatsache bekannt, dass unter den bei uns durchziehenden Seglern zuweilen Junge sich befinden, welche im Fluge von den Alten gefüttert werden. In der einschlägigen Literatur finden sich derartige Fälle nicht selten angeführt. Nur auf einen derselben, von welchem ich schon im Ill. Jahresbericht über die ornithologischen Beobachtungssta- tionen im Königreich Sachsen (S. 40) ausführlich berichtete, sei kurz eingegangen. In Arnoldsgrün bei Schoeneck i. V. bezog 1888 im Juni 1 Seglerpaar einen an einer Scheune aufgehängten „Star- kasten“. Am 30. Juni enthielt derselbe neben I faulen Ei einen kürzlich ausgeschlüpften, blinden jungen Segler. Noch am 2. Aug. hielt sich derselbe im Kasten auf, war aber schon sehr flügge und schlug, als ich eine Untersuchung vornahm, mit den Flügeln; am 3. August morgens war der Kasten leer, jung und alt verschwunden. Wenn es sich hier auch um eine verspätete Brut handeln mag, so beweist der Fall doch, dass der Segler auch familienweise seine Wanderung ausführt.

Gelbe Bachstelze. Schon 1850 berichtete in der Naumannia I, H. 2, S. 23 u. £. L. Brehm: „Nach Mitte August zeigten sich in der Nähe von Renthendorf die ersten Schafstelzen. Zu Anfang September begann ich Jagd auf sie zu machen. Am 7. Sept. traf ich eine Gesell- schaft von 15—20 Stück an. Ich schoss 3 Stück derselben: 1 altes Männchen und 2 Junge im 1. Herbstkleid“.

Weisse Bachstelze.

In der Schwalbe 1889, S. 472 teilt Hauptvogel aus der Gegend .

von Aussig mit, er habe am 15. Sept. an der Elbe neben hunderten

Zug der Vögel nach Alter und Geschlecht. 61

von meist jungen Rauchschwalben auf 10—15 junge und alte weisse Bachstelzen bemerkt.

Über den Hausrotschwanz

verdanken wir D. Berg nachstehende interessanten die Bettlacher Allmend am Jura betreffenden Mitteilungen:

„im Jahre 1900 fanden sich am 22. Sept. noch einzelne 9, am 18. Sept. trieb sich noch eine Familie bei Bettlach am Gigler umher. In andern Jahren sind nach Mitte Sept. kaum mehr @ zu sehen. Die jungen $ dagegen halten sich bis in den Oktober bei uns auf, meiden jedoch die Nähe der Häuser und bleiben beisammen an den Jurafelsen, wo sie lebhaft singen. Der Rotschwanz fügt sich über- haupt, wie mir scheint, nicht ganz den kategorischen Gesetzen der Ornithologen. Diese lassen bekanntlich nicht zu, dass junge Vögel vor den alten ankommen und nach denselben abreisen (ausgenommen der Kuckuck). Trotz diesem ornithologischem Gesetze kommt es vor, dass letzjährige Junge, erkenntlich am weibchenähnlichem Kleide vor allen andern Rot- schwänzen ankommen. So waren die ersten in Olten beob- achteten Rotschwänze alle junge d; am 15. März zeigte sich das erste in Hauenstein, am 16. 2 in Olten. Alle diese trugen das Jugendkleid. Erst am 21. März erschienen in unserer Gegend 3 prächtige alte 3.“ (Orn. Beob. 1902, 315.)

Der offizielle Bericht über den III. internationalen ornitho- logischen Kongress (Paris 1901) enthält S. 285 u. ff. eine Ab- handlung über die Kleider und Mauser von Xema sabinei von L. Bureau. Darin macht der Verfasser auch die folgenden höchst interessanten Mitteilungen über den Zug dieser Möve an den Küsten der Bretagne. Sein Bericht lautet: „Die Wanderungen dieser Möve an den Küsten von Loire-Inferieure und von Morbihan sind nicht so selten, als man vermuten könnte. Meine Beob- achtungen sind zahlreich genug, um zu beweisen, dass sie höchst, wahrscheinlich jedes Jahr stattfinden, ausserdem unterliegt es keinem Zweifel, dass dies an den andern ozeanischen Küsten Frankreichs der Fall ist.

Aber man muss auseinander halten, 1. den Zug der Alten, 2. denjenigen der Jungen im ersten Gefieder.

62 F. Helm:

1. Zug der Alten.

Die Alten bilden Scharen, die zuweilen gross sind. Wenn dieselben bis jetzt der Aufmerksamkeit der Ornithologen ent- gingen, so erklärt sich dies daraus, dass diese Flüge sich nur ausnahmsweise den Küsten nähern.“ Nachdem Bureau eine aus- führliche Übersicht der an den französischen Küsten erlegten Möven unserer Art gegeben, kommt er zu nachstehenden Schlüssen : „Der zeitigste Termin, an welchem ihr Vorkommen festgestellt wurde, ist der 15. August 1893.1) Da trotz zahlreicher, in fast jedem Jahre vor diesem Zeitpunkt nach dem gewöhnlichen Aufent- haltsorte von Larus sabinei unternommenen Excursionen nie eine Möve angetroffen wurde, so kann man dieses Datum als den Anfang des Zuges an den ozeanischen Küsten Frankreichs be- trachten. Einige Tage später, ziemlich regelmässig vom 20. bis 30. August, zeigen sich die Alten in kleinen Trupps, zuweilen auch in starken Flügen. Die Wanderung hat dann den Höhe- punkt erreicht. Sie dauert jedoch bis zum September und ver- längerte sich bis zum 5. Okt. (1896) oder gar bis zum 18. Okt. (1886). Ich kenne keinen Fall, dass nach diesem Zeitpunkt an den Küsten Frankreichs eine Alte erlest worden sei. Allerdings ist dabei zu beachten, dass vom Anfang des Septembers ab die Jahreszeit für Vergnügungsfahrten nicht mehr so günstig ist und die Beobachtungen nicht mehr so eingehend stattfinden. Wir sind deshalb nicht berechtigt zu dem Schlusse, dass nach dem oben festgestellten Zeitpunkt die Alten vollständig verschwunden seien.

2. Zug der Jungen im 1. Kleide.

Die Jungen im 1. Kleide fangen an, allein sich zu zeigen gegen Mitte September (18. Sept. 1896), das heisst also einen Monat nach dem Ankommen der Alten (15. August 1893). Zur Zeit des stärksten Zuges der letzteren (vom 20. August bis Mitte September) sind die Jungen bestimmt noch nicht angekommen. Aber bald darauf zeigen sie sich einzeln oder in kleinen Trupps von 4—5 Individuen und treffen mit den Alten zusammen, die zu dieser Zeit die Küsten des Ozeans besuchen.“ Obgleich Bureau die Abreise der Jungen nicht feststellen konnte, hat er doch dafür Beweise, dass man derartige Vögel noch Mitte Dezember (1891), ja sogar im Januar (1897) erlegt.

1) Nach Bidwell aber wurde in der Bai von Bridlington in York- - shire 1892 schon am 10. August eine Alte erlegt.

Zug der Vögel nach Alter und Geschlecht. 63

(Auf Helgoland wurde am 25. Oktober 1847 und 28. Oktober 1883 je ein junger Herbstvogel erlegt und am 10. November 1883 ein solcher beobachtet.)

In seiner Ornis von Marburg (Journal f. Ornith.) kommt O0. Kleinschmidt auch auf meine Zusammenstellung über das Auftreten des rotsternigen Blaukehlchens zu sprechen und be- zeichnet dieselbe „als eine Reihe lückenhafter und z. T. recht fraglicher Einzelangaben.‘

Ich habe darauf folgendes zu erwidern. Nachdem ich seit einer Reihe von Jahren zum Zwecke ornithologischer Beob- achtungen grössere Reise unternommen und (dabei in erster Linie mein Augenmerk darauf gerichtet, ob wohl die Gegenden, welche ich besuchte, dem durchziehenden rotsternigen Blau- kehlchen für einige Zeit Aufenthalt gewähren könnten, unterliegt es für mich keinen Zweifel mehr, dass es in unserem Vaterlande noch viele, viele Okm gibt, welche sich ganz vorzüglich für das rotsternige Blaukehlchen zum vorübergehenden Aufenthalt eignen, die aber ornithologisch gar nicht durchforscht sind. Aus diesem Grunde und dann auch deshalb, weil die Gätkeschen Be- hauptungen über Höhe und Schnelligkeit des Vogelfluges, sowie über Zug nach Alter und Geschlecht von ihm in keiner Weise logisch begründet, teilweise sogar schon als unrichtig nachge- wiesen sind, halte ich diese Hypothesen Gätkes nicht mehr für wahr. Es würde mir deshalb heute gar nicht mehr einfallen, mit Literaturstudien und -citaten denselben zu Leibe zu gehen. In der kurze Spanne Zeit, die seit der Anfertigung meiner schon genannten Zusammenstellung und der Gegenwart vergangen ist, sind so zahlreiche positive Tatsachen, die Unwahrscheinlichkeit der Gätkeschen Behauptungen beweisend, konstatiert worden, dass wir für die Zukunft das Beste zu hoffen berechtigt sind.

Weil nun aber die vielgenannte Abhandlung existiert, müssen wir uns noch einmal damit beschäftigen. Kleinschmidt nennt dieselbe, wie schon eingangs erwähnt, „eine Reihe lücken- hafter Einzelangaben.“ Kein Mensch kann dies mehr bedauern, als ich selbst! Aber es war beim besten Willen aus der Lite-% \ ratur, die mir im ziemlichem Umfange zur Verfügung stand,® / nicht mehr zu schöpfen, weil ich selbstredend nur solche An- gaben berücksichtigte, welche sich ausdrücklich auf das rot- sternige, schwedische oder Tundra-Blaukehlchen bezogen. (In solchen Fällen war das weisssternige Blaukehlehen natürlich

64 F. Helm:

gesondert behandelt.) Weil aus leicht ersichtlichen Gründen meine Gewährsmänner bei ihren Beobachtungen nicht ahnen konnten, dass es einst eine „Formenkreis- Theorie“ oder „Lebensring- Theorie‘: geben würde, haben sie unterlassen, nähere Angaben darüber zu machen, welche heute die Feststellung ermöglichen, ob die beobachteten Vögel zu Erithacus Astrologus suecicus (L.) oder zu Erithacus Astrologus cyaneculus (Wolf) oder gar zu Erithacus Astrologus discessus (Mad.) gehörten.

3. Ist für Kleinschmidt meine Zusammenstellung „eine Reihe z. T. recht fraglicher Finzelangaben“. Meiner Ansicht, nach wäre es wohl das richtige gewesen, wenn Kleinschmidt sich näher darüber geäussert hätte, welche Angaben er für fraglich hält. Da er dies nicht getan, untersuchen wir, welche er wohl gemeint haben könnte. Wir müssen dabei einen Unterschied machen zwischen Literaturangaben und Berichten von Gewährsmännern. Die Literaturangaben stammen aus unseren wichtigeren ornitho- logischen Zeitschriften.

Wie schon vorher betont, habe ich für meine Zwecke nur solche Angaben benutzt, welche auf das eigentliche rotsternige Blaukehlchen sich bezogen. Ich will ja gern zugeben, dass bei dieser Zusammenstellung meinerseits hie und da ein Versehen vorgekommen sein mag, im übrigen aber muss ich die Verant- wortung dafür, dass in Wirklichkeit in allen Fällen die richtigen rotsternigen Blaukehlehen gemeint sind, den Herausgebern der betr. Zeitschriften überlassen. Mir sind bis jetzt folgende Be- richtigungen dieser Literaturzitate bekannt geworden. In der Aquila, 1894, S. 135 weist Herman darauf hin, dass die von Kolombatovie aus Spalato gemachten Angaben, Oyanecula suecica sei am 23., 25. und 27. März dort in ungemein grossen Mengen erschienen (veröffentlicht Ornis 1885, S. 425), sich auf das weiss- sternige Blaukehlchen bezogen. Es ist also aus meiner Zusammen- stellung Dalmatien zu streichen.

Des weiteren glaubt R. v. Tschusi, die auf Böhmen bezug-

ıabenden und von Peiter und Schier herrührenden Angaben be-

; »träfen das weisssternige Blaukehlchen (Ornith. Monatsber. 1902, 4 N (3, 22 u. fl). Da von dem Gewährsmann des Herrn v. Tschusi SIR N yeitere diesbezügliche Untersuchungen in Aussicht gestellt worden sind, bleibt abzuwarten, welche Angaben die richtigen sind. Dass aber das rotsternige Blaukehlchen tatsächlich Böhmen im Früh- ling berührt, hat v. Tschusi im Ornith. Jahrbuch f. 1896 selbst

Zug der Vögel nach Alter und Geschiecht. 65

nachgewiesen. Von den durch einzelne Personen auf brieflichem etc. Wege erlangten Berichten sind 4 vorher schon durch v. Tschusi im Ornith. Jahrbuch veröffentlicht worden, mit den übrigen 5 tat ich es. Einen derselben, und zwar von Gallas jun. herrührend und den Harz betreffend, hält Lindner für nicht einwandfrei, da Gallas ‚eine in den weitesten ornithologischen Kreisen völlig unbekannte Persönlichkeit und ein durch völlige Unkenntnis in Be- ziehung auf die Vogelwelt sich auszeichnender Mann sei und keineswegs ornithologisch ernst genommen werden könne“. Obwohl es nun durchaus nicht nötig ist, dass man, um ein guter Vogel- kenner zu sein, in den „weitesten ornithologischen Kreisen be- kannt sein muss“, so mag doch wegen des 2. von Lindner ange- führten Umstandes auch diese Angabe aus meiner Zusammenstellung verschwinden. Es wird dadurch an den Tatsachen nicht viel geändert. Ist ja doch durch Lindner das rotsternige Blaukehlchen am 9. Mai 1901 bei Osterwiek, also am Harz, beobachtet worden.

Im Anschluss daran sei kurz auf einige weitere Literatur- angaben, die sich auf das rotsternige Blaukehlchen beziehen, hingewiesen.

Im Ornith. Jahrb. 1901, S. 115 wird mitgeteilt, A. Bonomi habe am 11./Ill. 1898 bei Adige ein Oyanecula suecica $ mit dem orientalis-Stern erhalten.

S. 183 derselben Zeitschrift berichtet F. Schade in seinen ornithologischen Notizen aus Mähren über das rotsternige Blau- kehlchen: „Durchzügler. Im Jahre 1898 wurden 10 Stück, 1899 2 Stück dieser Art gefangen. Heuer wurde kein rotsterniges Blaukehlchen beobachtet. Es erscheint gewöhnlich etwas früher als das weisssternige, im Frühjahr anfangs April (4.—10.) im Herbst Mitte September.‘

Schon vorher (Ornith. Jahrb. 1897, S. 186 und 187) wurde aus der Umgebung Brünns von Br. Feuereisen über Oyanecula coerulecula (Pall.), über das rotsternige Blaukehlchen gemeldet: „Im Jahre 1894 ein Stück bei Gerspitz einem Vogelfänger abgenommen. In den Jahren 1895/96 konnte weder ich noch Schade dessen Vor- kommen als Durchzügler konstatieren, trotzdem wir zur Zugzeit eifrig sowohl den Vogelmarkt als auch das Durchzugsgebiet (die Ufer der Schwarza und Zwitta) kontrollierten. Erst heuer (1897) Ende März gelangten wieder 2 Stück (3) in meinen Besitz, und das waren zuverlässlich die einzigen, welche hier gefangen wurden. Es ist dies hier ein recht seltener Durchzügler.“ In den „Vögeln

Journ. f, Orn, LIl. Jahrg. Januar 1904, 5

66 F. Helm:

des Grossherzogtums Mecklenburgs“ von C. Wüstnei und G. Clo- dius, 1900, Seite 136 heisst es: „CO. suecica L., das rotsternige Blaukehlchen brütet im höchsten Norden und zieht alljährlich durch Deutschland gegen Ende April, während (. leucoc. schon im 1. Drittel des April kommt. In Mecklenburg sind beide Arten gefunden worden. Z. (gemeintist Zander) kennt nur O. leucoe. bei uns, aber seitdem ist ©. suecica bei Rostock und von da das Warnowtal aufwärts bis Bützow nicht allein häufig auf dem Zuge beobachtet, sondern was hochinteressant ist auch ganz bestimmt brütend angetroffen worden. Ja im Archiv heisst es: „Alle bei Bützow gesammelten, sowie alle in den dortigen Gärten nicht selten brütenden Blaukehlchen sind braunsternig. Nur einmal wurde auf dem Frühlingszuge ein weisssterniges bemerkt.‘‘ Auch bei Rostock in den Warnowbrüchen scheint nach Steebock swecica allein zu brüten. Sogar bei Schwerin und Pinnow brütete swecica nach Preen. Alle bei Dömitz a. d. Unterwelde und der Elbe und bei Boizenburg nicht selten brütenden Blaukehlchen sind weisssternig, wie wir noch 1896 wieder zu konstatieren Gelegenheit hatten. Ebenso sind es die bei Grabow und manche der bei Schwerin gefundenen; wir konnten 1894—1896 bei Grabow allerdings überall keine Blau- kehlchen entdecken, und auch Haese hat dort bisher keine ge- funden. Würde das Recknitztal einmal ornithologisch durch- forscht, sowie das der Peene, so würden dort sicher Blaukehlehen gefunden, und zwar, wie wir bestimmt annehmen, vor allem suecica“ (Clodius).

Nun zum Schlusse noch einige Worte über die Kleinschmidt- schen Theorien und Folgerungen. Aus verschiedenen Stellen seiner Abhandlung (Journ. f. Ornith. 1903 S. 326, 345 und 392) ist zu ersehen, dass er glaubt, diejenigen Individuen einer Vogelart, welche sich durch etwas längere Flügel auszeichnen, vollenden ihre Wanderungen schneller als ihre Verwandten mit etwas kürzeren Flugwerkzeugen.

In dem Annual Report of the Board of Regent of the Smithsonian Institution für 1902, S. 649 u. ff. befindet sich eine von F. A. Lucas herrührende Abhandlung unter dem Titel: The greatest flying creature, the great Pterodactyl ornithostoma. Ein Referat darüber erschien in der „Umschau“ 1903, $S. 573 unter. dem Titel: Das grösste fliegende Geschöpf. Dort sind auch die

Zug der Vögel nach Alter und Geschlecht. 67

nachstehenden von Langley herrührenden Zusammenstellungen veröffentlicht. !)

Tragende

Pferdestärke

Nalıne Körperge- | Flügelbreite

wicht in kg in m Fläche in qm Langleysche Flug-

maschine, die Y,

—1/, Meile flog .| 15 5,4 1,5 Pterodactilus . . 15 4 2,5 0,036 Kondor Re | 8,5 3 1,0 0,043 Bussard 0. 2.5, 2 0,5 0,015 Wilde Gans . . . 4,5 0,265 0,026 Maubei iu. un 0,5 0,07 0,012 Kolibri... ..v. 0,0075 _ 0,0026 0,001

Dazu heisst es: „Das Gewicht steht nicht immer in gleichem Verhältnis zur tragenden Fläche, es bedürfte einer Pferdekraft um zu tragen:

Gewicht Tragfläche m Trage- Name | in kg | 2 qm ra een kg Flugmaschine . . 10 3,6 0,36 Pterodactilus . . 415 69 0,14 Wilde Gans. . . 175 10 0,057 Haube Ar m narn, 40 3 0,075 Kohlbri.as on. 13 2,5 0,35

Angenommen ist hierbei, dass die tragende Fläche zu dem Gewichte gleichbleibt.

Die Tabelle zeigt, dass die kleinen Flieger, wie z. B. der Kolibri, mit der gleichen Kraft (einer Pferdestärke) viel ge- ringere Gewichte zu tragen vermögen als die grossen, wie z. B. die wilde Gans oder der Pterodactilus, dass ferner die Tragfläche im Verhältnis zum Körpergewicht eine grössere sein muss“. (Dabei ist noch sehr bedeutungsvoll, dass mit der Zunahme der Vogel- grösse die Oberfläche sich nur im Quadrat, die Körper- masse jedoch im Kubus sich vermehrt).

1) In den Originalabhandlungen finden sich ausserdem noch spezielle Angaben über das Verhältnis der Flugfläche zur Muskeloberfläche und Brustbeingrösse, sowie über die verschiedenen Flugarten u. a.

Hr

68 F. Helm:

„Für den Flug kommt hauptsächlich in Betracht die Körper- srösse, dietragende Fläche, die Länge der Flügel und die Geschicklichkeit des Vogels.“

Soviel aus den Arbeiten von Langley und Lucas!

Gehen wir nun auf die Kleinschmidtschen Behauptungen, welche die Blaukehlchen betreffen, etwas näher ein.

Im Journal f. Ornith. 1903 S. 341 u. ff. veröffentlichte er folgende Masse:

1. Erith. Astr. suec. (L.) 2. Erith. Astr. cyan. (W.) 3. Erith. Astr.

Helgoland. discessus (Mad.) Flügellänge. Bisis 8 cm. Max. 7,7—7,8 cm. Max. 7,1 cm.

Kleinschmidt besitzt, wie er so liebenswürdig war mir mit- zuteilen, in seiner Sammlung 8 Stück E. Astr. suec. von Helgo- land, 4 Astr. cyan. von Westdeutschland, sowie 4 Stück vom alten Brehm und 1 E. Astr. discessus; ausserdem hat er noch sehr viele in andern Sammlungen gesehen. Bedauerlicher Weise fehlen nun in seiner Arbeit Angaben über das Alter der unter- suchten Blaukehlchen, und ferner ist speziell bei den Helgoländer Vögeln nicht angegeben, wie die Flügellänge bei den einzelnen Individuen sich verhält. Hat die Mehrzahl derselben eine solche von 8 cm, ist dies nur bei einzelnen der Fall, sind dies relativ junge oder alte Vögel?

Nehmen wir aber an, die grösste Länge komme allen 8 Vögeln zu. Was will das sagen ? Nichts anderes als: diese Vögel haben infolge der verlängerten Flügelspitze einen 2 mm resp. 3 mm längeren Flügel als Asir. cyan., der Flügel ist demnach bei ihnen 1/,, resp. Yss mal länger als bei letzteren. Nun klagt aber Kleinschmidt selbst: „Die Schwingenverhältnisse der Blau- kehlchen sind schwer zu beurteilen, denn wenn die Vögel im Frühjahre ankommen, sind die Schwingfedern oft schon abgenutzt, und im Herbst ist man oft zweifelhaft, ob die Schwingen schon völlig ausgewachsen sind.“ Ferner: „Das Längenverhältnis der ersten Schwinge scheint bei den Blaukehlchen ganz individuell zu variieren. Ich messe:

bei suecicus 17—20 mm, euaneculus 14—21 mm, discessus 14 mm.“

Aus diesen Zitaten geht doch wohl zur Genüge hervor, dass die in Frage kommenden Verhältnisse noch sehr wenig geklärt sind.

Zug der Vögel nach Alter und Geschlecht. 69

Aber ganz abgesehen davon! Glaubt denn Kleinschmidt wirklich, das ein Flügel, der 2—-3 mm oder !/,, bis 1, länger als ein anderer ist, einen Vogel zu einem viel schnelleren Fluge befähigt? Zudem ist die Flügellänge gar nicht ausschliesslich massgebend für die Fluggeschwindigkeit, sie nimmt nicht einmal unter den massgebenden Faktoren die erste Stelle ein Sondern dies tut die Körpergrösse bezw. -schwere! Hat nun Kleinschmidt dieselbe bei seinen Vögeln festgestellt? Ich finde darüber keine Angabe!

Deshalb dürfte die Annahme, ein um wenige Millimeter längerer Flügel befähige das nordische Blaukehlchen zu einer bedeutenderen Flugfähigkeit auf nicht ganz sicherer Grundlage beruhen. Denn von massgebendem Einfluss dabei sind eben auch andere Teile des Vogels (wie Körpergewicht, Musku- latur, Flugfläche, vielleicht auch die Elasticität der Schwingen, die Pneumaticität der Knochen u. s. w.). Zu einer derartigen Entscheidung genügt nicht allein ein „Balgstudium.“

Ich finde auch wenigstens bei einheimischen Vögeln, welche ja vielfach ohne besondere Schwierigkeiten beschafft werden können durchaus keinen Grund, warum man nur die „Bälge“ untersucht, um über biologische Probleme Urteileabzugeben.

Ich kann mich überhaupt nicht ganz des Gedankens er- wehren, dass manchmal viel zu viel Gewicht auf die Beschaffen- heit des Federkleides gelegt werde. Dasselbe ist jedes Jahr ganz oder zum Teil einem Wechsel unterworfen, sieht bei jugendlichen Individuen anders als im Alter aus und ändert zudem auch leicht ab (infolge anderer Lebensweise u. s. w.) ist also bei seiner Entwicklung sicher manchen Zufälligkeiten unterworfen. Dieselbe Aufmerksamkeit aber wie die äussere Körperbedeckung kann überdies zum mindesten auch der Körper selbst beanspruchen. Erstrecken sich die Studien deshalb auch auf ihn, so werden auf viel breiterer Grundlage beruhende Resultate sicherlich die Folge sein, wie dies ja schon Fürbringer vor anderthalb Jahrzehnten durch seine klassischen „Untersuchungen zur Morphologie und Systematik der Vögel, zugleich ein Beitrag zur Anatomie der Stütz- und Bewegungsorgane‘“‘ so schlagend bewiesen hat.

70

Übersicht der Formen der Gattung Ithaginis Wagler. Von V. Bianchi.

(Übersetzt aus dem Russischen!) von Rich. Schmidt.)

Bei der Bearbeitung der Sammlungen, einerseits derjenigen der letzten Tibetexpedition unter Leitung von P. K. Kozlov, andrerseits der vom verstorbenen N. M. Przevaljski zusammen gebrachten Materialien, war ich genötigt, alles in unserem Museum vorhandene Material an Arten der Gattung Ithaginis Wagler, die zur Familie der Phasianidae gehört, durchzusehen. Das Ergebnis dieser Durchsicht war die Überzeugung, dass eine der zu dieser Gattung gehörigen Arten in mehrere Formen zerfällt, welche zum mindesten die Bedeutung von Unterarten haben. Die Darlegung dieser Formen ist der Zweck dieser Zeilen.

Zur Gattung Ithaginis, welche der Nadelwaldzone des öst- lichen Himalaja und den Tannenwäldern am Ostrande des tibeta- nischen Hochlandes eigentümlich ist, gehörten bis jetzt 3 Arten: nämlich J. cruentus (Hardw.), dessen Wohngebiet sich auf Nepal, Sikkim und West-Butan mit den angrenzenden Teilen Tibets er- streckt; I. geoffroyi Verr., welcher in Südost-Tibet und den be- nachbarten Teilen West-Chinas lebt und schliesslich ]. sinensis David, der den ganzen Nordost-Rand des tibetanischen Hoch- plateaus, von I-schang am Blauen Fluss und dem nördlichen Sy-tschuan bis zum Nordabhang des Nan-schangebirges bewohnt. Alle drei Arten sind in unserem Museum vertreten, aber nicht gleichmässig stark. Wir besitzen im ganzen 6 Exemplare von J. eruentus, davon 5 aus Sikkim und eins ohne genauen Fundort, nämlich bloss mit der Bezeichnung „Tibet“. Eine glänzende Serie von Exemplaren (25 St.) von J. geoffroyi aus verschiedenen Ge- genden von Kam (Süd- u. Ost-Tibet) hat die Tibetexpedition P. K. Kozlovs mitgebracht; ausserdem haben wir ein Exemplar dieser Art aus Ost-Tibet ohne genauere Fundortangabe. Unser Material an J. sinensis besteht aus den Sammlungen N. M. Przevaljskis (8 Exemplare aus Kan-su), P. K. Kozlovs (14 Exemplare aus Kan-su), der Gebrüder Grum-Grzimailo (3 Exemplare aus dem nördlichen Nan-schan) und M. M. Berezovskis (5 Exemplare aus

!) Annuaire du Mussde Zoologique de l’Acad6mie Imp6riale des

Sciences & St. Pötersbourg. t. VIII, 1903, pag. 1. (Presents a l’Aca- .

dömie le 23 Octobre 1902.)

Die Formen der Gattung Ithaginis. 71

Süd-Kan-su und Nord-Sytschuan). Ausserdem gingen durch meine Hände alle übrigen 25 Exemplare der Kan-su-Expedition G. N. Potanins, von denen die Mehrzahl sich nun im Irkutsker natur- historischen Museum befindet.

Die Durchsicht dieses reichen Materials an 1. sinensis über- zeugte mich nun davon, dass die Vögel aus verschiedenen Gegenden bei weitem nicht identisch sind.

Diese Art wurde zuerst vom Erforscher Chinas, dem fran- zösischen Missionar Armand David, nach Exemplaren, die im Dezember 1872 in den Bergen Lao-ling in der Provinz Schen-si, d. bh. am Nordabhang des Gebirgszuges Tsing-ling (östl. Kuen-lun), erbeutet waren, beschrieben. In der Originalbeschreibung nennt David die Farbe der grossen Flügeldeckfedern goldgelb (roux-dor£) und bemerkt, dass die weissen Schaftstreifen der oberen Körper- seite bei einigen Exemplaren auf dem Bürzel und den oberen Deckfedern des Schwanzes grünlich sind.

Die Exemplare N. M. Przevaljskis und P. K. Kozlovs sind alle an einem und demselben Orte des nördlichen Kan-su in der Umgebung des Tempels Tschortentän, d.h. am Südabhang des östlichen Nan-schan erbeutet. Sie passen vollständig zu der Be- schreibung von David und müssen zur typischen Form ge- rechnet werden. Sie lassen sich charakterisieren: durch goldgelbe Färbung des Fiügelfleckes, dessen goldene Nuance von einer geringen Beimischung grünen Pigmentes abhängt; durch Fehlen des grünen Pigmentes auf den weissen Schaftstreifen der Rücken- federn: eine grössere oder geringere Entwicklung des grünen Pigments ist nur an den oberen Schwanzdeckfedern und zwar von 14 ©@ nur bei 5 zu bemerken; schliesslich durch starke Ent- wicklung der karminroten Farbe an den Rändern der Steuerfedern.

Von den Vögeln aus Tschortentän unterscheidet sich scharf ein von der Expedition der Gebrüder Grum-Grzimailo erbeutetes Männchen, das vom Flusse Chy-cho, also nördlich vom Haupt- sebirgszug des Nan-schan, stammt. Es ist grösser und merklich blasser als die Vögel vom Südabhang des Nan-schan, sein Haupt- unterschied aber besteht in der aussergewöhnlich starken Ent- wicklung des grünen Pigmentes auf den weissen Schaftstreifen der oberen Körperseite; eine Beimischung von grünem Pigment ist schon am hinteren Teile des Interscapulariums gut sichtbar, auf den Schulterfedern, dem unteren Rücken, dem Bürzel und den oberen Schwanzdeckfedern aber sind die Schaftstreifen auf dem

72 V. Bianchi:

Teile der Federn ganz grün, welcher nicht durch die höher gelegenen Federn verdeckt ist. Ebenso ist das grüne Pigment viel stärker als bei den typischen Stücken aus Schen-si und Tschortentän auch auf den roten Federn des Flügels, besonders auf den grossen Deckfedern entwickelt. Andrerseits ist die karminrote Färbung an den Rändern der Steuerfedern bei dieser Form viel schwächer ausgebildet, als bei den typischen Vögeln.

Das wichtigste Unterscheidungsmerkmal der Nord-Nan-schan- Form ist also die Ausdehnung des grünen Pigmentes auf die Federn des Unterrückens und der Interscapularregion. M. E.Grum- Grzimailo teilte mir mit, dass der lebende Vogel dieser Form von oben ganz grün erscheint. Es ist deswegen sogar möglich, dass bei dem einzigen mitgebrachten Stücke die Entwicklung des grünen Pigments nicht einmal ihr Maximum erreicht hatte. Ich nenne diese Form zu Ehren des Sammlers, Michael Efimovitsch Grum- Grzimailo: Ithaginis sinensis michaelis.

Als ich zusammen mit M. M. Berezovski die Vögel der Kan-su-Expedition G. N. Potanins bearbeitete, hatten wir zu wenig Vögel der typischen Form, um der zimmtroten Färbung des Flügelfleckes eine diagnostische Bedeutung beizulegen, umsomehr, da wir bei den Vögeln aus Süd-Kan-su eine Neigung zum va- riieren überhaupt, sowie speziell die Veränderlichkeit der zimmt- roten Färbung bemerkten. Wir sagen unter anderen: „Alle unsere Vögel sind nur an zwei Stellen des Kreises Sigu erbeutet worden, nämlich in der Nähe des Dorfes Dsju-juan und des Dorfes Sätani. Diese Dörfer sind von einander nur 40 Kilometer in der Luftlinie entfernt, aber durch das tiefe Flusstal des Siguflusses getrennt, Die Vögel aus diesen beiden Orten sind etwas verschieden: die Männchen aus Dsju-juan sind etwas grösser, haben eine sehr grelle, kastanienbraune Flügelfärbung, der lichte Brustfleck ist aber sehr schwach ausgeprägt, kaum entwickelt; die Stücke aus Sätani sind dunkler, die kastanienbraune Flügelfärbung schmutziger, der Brust - fleck scharf ausgeprägt . . .“ Gegenwärtig sind zu den 26 Vögeln mit zimmtrotem Flügelfleck aus Süd-Kan-su noch 5 Stück aus Nord-Sy-tschuan dazu gekommen, die von M. M. Berezovski 1893 gesammelt wurden und auch Flügel mit zimmtroten Flecken haben. Diese rote Farbe variiert etwas, wie wir schon bemerkt haben. von kastanienbraun bis hell zimmtrot, aber dennoch bleibt sie, bei allen 23 $$ aus dem Gebiete des Blauen Flusses zimmtfarben und geht bei keinem ins Goldgelb über, wie wir dieses bei den

Die Formen der Gattung Ithaginis. 73

14 dd aus dem Bassin des Gelben Flusses und dem 1 ZJ vom Nordabhang des Nan-schan sehen. Bei der typischen Form so- wohl, als auch bei der aus dem Nan-schan sehen wir eine Neigung zur Ablagerung des grünen Pigmentes in den fuchsroten Bezirken der Flügelfedern, jedoch können wir bei keinem der 23 aus dem Bassin des Blauen Flusses stammenden Exemplare auf den fuchsroten Flügeldeckfedern auch nur eine Spur des grünen Pigments wahr- nehmen; dagegen tritt bei der Mehrzahl der Stücke deutlich eine Beimengung karminroten Pigmentes hervor, welches zuweilen einen breiten Streifen längs der äusseren Fahne der Schwungfedern bildet. Hinsichtlich des grünen Pigmentes auf den weissen Schaftstreifen der oberen Körperseite schliesst sich diese Form an die typische an; es erstreckt sich nicht weiter nach oben als bis zum hinteren Teil des Bürzels, bei einigen Exemplaren ist es nicht einmal auf den oberen Schwanzdeckfedern bemerkbar. Die rote Farbe an den Rändern der Steuerfedern ist bei dieser Form sehr stark und intensiv entwickelt. Überhaupt ist dies die dunkelste und im all- gemeinen die kleinste von den drei ]. sinensis-Formen. Ihr unter- scheidendes Merkmal ist also der zimmtbraune und nicht goldig- fuchsrote Flügelfleck. Ich nenne sie Itkaginis sinensis berezowskin.

Die Weibchen der drei Formen sind natürlich schwerer als die Männchen zu unterscheiden, dennoch kann das Weibchen von

Ith. berezowskii von den Weibchen der beiden übrigen Formen

ohne Vergleich der Exemplare unterschieden werden, was jedoch

bei der Unterscheidung des Weibchens von Ih. michaelis von dem der typischen Form nötig ist. Die diagnostischen Merkmale der

Weibchen werden aus der weiter unten angeführten synoptischen

Tabelle ersichtlich sein.

Die Diagnose dieser drei Formen lässt sich also folgender- massen resumieren:

Ithaginis sinensis sinensis: $ Ithaginis plaga alari aureo-fulva (non cinnamomea vel castanea) pigmento viridi plus minusve tincta, striis medianis plumarum dorsi medi albis, ne minime quidem colore viridi pigmentatis; @ lateribus colli cinereis (non cin- namomeis), plumis ingluviei et pectoris unicoloribus, haud transversim brunneo (uti plumis dorsi) variegatis, collo postico plumisque cristae occipitalis fere concoloribus, ceinereis, ga- straeo chocolatino- (non castaneo-vel cinnamomeo) brunneo.

Ithaginis sinensis michaelis: $ Iihaginis plaga alari pallide aureo- fulva (non cinnamomea vel castanea) pigmento viridi valde

74 V. Bianchi:

perfusa, striis medianis plumarum dorsi medii viridibus (non

albis); © lateribus colli cinereis (non cinnamomeis), plumis

ingluviei et pectoris unicoloribus, haud transversim brunneo

(uti plumis dorsi) variegatis, collo postico plumisque cristae

oceipitalis fere concoloribus, cinereis, gastraeo pallide choco-

latino- (non castaneo- vel cinnamomeo-) brunneo.

Ithaginis sinensis berezowskü: g Ithaginis plaga alari cinnamomea vel castanea (non aureoflava), pigmento viridi perfecte destituta, sed saepe pigmento rubro admixta, striis me- dianis plumarum dorsi medii albis, ne minime quidem colore viridi pigmentatis; 2 lateribus colli brunnescentibus (non cinnamomeis, non distincte cinereis), plumis ingluviei et pectoris unicoloribus, haud transversim brunneo, (uti plumis dorsi) variegatis, collo postico fere interscapulario concolori, brunneo, a plumis cristae oceipitalis cinereis Sat diverso, colore praevalescenti gastraei obscure cinnamomeo. Die Entscheidung der Frage, ob diese drei Formen nah-

verwandte Arten oder noch nicht genügend differenzierte Unter-

arten sind, kann nur dann endgültig gelöst werden, wenn wir die

Vögel auch aus allen zwischengelegenen Gebieten erhalten werden.

Das zu meiner Verfügung stehende Material war ganz genügend,

um sich davon zu überzeugen, dass jede dieser drei Formen ver-

schiedenen Distrikten der nordöstlichen Grenzgebiete Tibets angehört, aber es ist nicht genügend, um zur vollen Überzeugung zu gelangen, dass zwischen ihnen keine Übergänge existieren.

Wie es auch sein möge, die taxonomische Bedeutung dieser drei

Formen ist kaum geringer, als die der verschiedenen Formen

der Gattung Phasianus oder der zwei Teiraophasis- Formen

(T. obscurus und T. szechenyi), die von der Mehrzal der Orni-

thologen für Arten angesehen werden.

Zur Beurteilung der geographischen Variabilität der beiden andern Arten der Gattung (]. cruentus und 1. geoffroyi) ist unser Material zu geringfügig. In betreff der ersten sagt W. R. Ogilvie-Grant, dass bei den Vögeln aus Nepal und den oberen Regionen Sikkims die rote Farbe an den Rändern der Kropf- und Brustfedern stärker entwickelt ist als bei den Vögeln aus dem brittischen Sikkim, bei welchen sie nur in kleinen Fleckchen oder garnicht vorhanden ist. Alle Männchen von 1. geoffroyi stammen vom Flussgebiet des oberen Mekong, und bei ihnen allen

haben die Steuerfedern stark entwickelte karminrote Ränder e]

Die Formen der Gattung Ithaginis. 75

während Ogilvie-Grant den Schwanz des im British Museum of Natural History aufbewahrten Typus-Exemplar, als „uniform whitish grey‘ beschreibt.

Die Synonymie und die bis jetzt bekannten Fundorte der drei Formen von 1. sinensis und von I. geoffroyi lassen sich folgendermassen zusammenfassen:

Ithaginis sinensis David.

Ithaginis sinensis, David, Ann. Sc. Nat. (5) XVIIL, 1893, Art. 5, p. 1; XIX, 1874, Art 9, p. 1. David, Journ. III roy. Emp. Chinois i, p. 174 (1875.) David et Oustalet, Ois. Chine, p. 402, pl. 114 (1877). Ogilvie-Grant, Cat. B. Brit. Mus. XXH, p. 270 (1893, partim; Ithagenes). Styan, Ibis, 1899, p- 292.

Ithaginis geoffroyi (nec Verr.), Przewalski, Mongolia i strana Tangut., II, Aves, p. 122 (1876) Przewalski in Rowley’s Orn. Misc., I, 1877, p. 471. Przewalski, Tretje puteschestv. v Central. Asii, p. 114 (1883). Deditius, J. Orn., 1884, pp: 538, 540.

Fundorte: Hochland des Gelben-Flussgebietes. Süd- Abhang des östlichen Nan-schan in der Provinz Kan-su: Umgebung des Tempels Tschortentäan am Flusse Tetung-gol (Przevaljskij, Februar; Kozlov, Februar). Nord-Abhang des Gebirgszuges Tsin-ling in der Provinz Schen-si: Lao-lingge- birge und von hier an demselben Abhang bis Cho-nan (Hu- nan) in der Provinz gleichen Namens (David, Dezember; Styan, Winter).

Ithaginis sinensis michaelis, subsp. nov.

Ithaginis sinensis (nec Verr.) Pleske, Bull. Acad. St. Petersb., XIII, 1892, p. 297. Ogilvie-Grant, Cat. B. Brit. Mus., XXII, p. 270 (1893, partim Ithagenes).

Fundorte: Nord-Abhang des Nan-schan. Flüsse: Babo- che (eine der Verzweigungen des Edzin-gol) und Chy-cho (Grum-Grzimailo, August).

Ithaginis sinensis berezowskiü, subsp. nov. Ithaginis sinensis (nec Verr.) Berezowski u. Bianchi, Aves expe- dit. Potanini, p. 15 (1891, eitat. et distr. geogr. exclus.) Ogilvie-Grant, Cat. B. Brit. Mus., XXII, p. 270 (1893, par-

76 V. Bianchi:

tim; Ithagenes). Deditius, J. Orn. 1897, p. 62. Styan, Ibis, 1899, p. 298. Ogilvie-Grant, Ibis, 1900, p. 606.

Fundorte: Hochland des Blauen-Flussgebietes: Süd- lichster Teil der Provinz Kan-su: Umgebung der Dörfer Dzju-juan und Sätani am Flusse Si-gu im Bezirk gleichen Namens (Berezovskij, August und November bis Januar). Nordwestlicher Teil der Provinz Sy-tschuan: Schlucht Cho- azi-gou in der Nähe von Lung-n’gan-fu (Berezovskij, Mai und Juni); Sung-pan (Ogilvie-Grant, März); Tung-pei (Oktober, November), 20 Meilen südwestlich und Yang-lin- pan (August, September), 100 Meilen südlich von Sung-pan (Styan). Süd-Abhang des Tsin-ling im südlichen Teil!) der Provinz Schen-si: Hing-ko-yu in der Nähe von Han-tschung- fu (Ogilvie-Grant).

Ithaginis geoffroyi.

Ithaginis geoffroyi, Verreaux, Bull. Soc. Acclim. (2) IV, 1867, p. 706. Gray, Handlist B., II, p. 264 (1870). Selater, Ibis, 1870, p. 297. David, N. Arch. Mus. Paris, VII, 1871, 3ull. p. 11, no. 358 Swinhoe, P. Z. S., 1871, p. 400. Gould, B. As., VII, pl. 42 (1872). Elliott, Mon. Phas., II, pl. 31 (1872). Selater, Ibis, 1874, p. 169. David et Oustalet, Ois. Chine, p. 401, pl. 113 (1877). Oustalet, Naturaliste, 1886, p. 276. Seebohm, Ibis, 1891, p. 381. Oustalet, Ann. sc. nat. Zovl., (7), XII, 1892, p. 313. Ogilvie-Grant, Cat. B. Brit. Mus, XXIL, p. 269 (1893, Ithagenes). Oustalet, Nouv. Arch. Mus. Paris (3), VI, 1894, p. 77. Bower, Diary Journ. across Tibet, pp. 235 s. 244 (V...). Davies, Ibis. 1901, p. 408.

Fundorte: Südöstliches Tibet und Hochländer des Blauen-Flussgebietes. ? Weit verbreitet in (Süd-) Tibet (Bower). ? Route des Prinzen von Orleans und Bonvalot vom Tengri-nor bis Batang (Oustalet),. Bassin des oberen Mekong: Kumtatchie?) (7. V. 90) am westlichen Nebeniluss des Mekong, südlich von Rutschi (prince H. d’Orleans und Bonvalot: Oustalet). Flüsse Dze-tschju (1-6. IX), Bar-

1) Wenn ich die Fundortsangabe Ogilvie-Grant’s richtig verstehe (Ibis, 1900, p. 606).

2) Bull. Soc. Gö6ograph. (7) XII, 1891: Karte der: Voy. de la Siberie au Tonkin par Bonvalot et pr. H. d’Orleans.

Die Formen der Gattung Ithaginis. 77

tschju (September und erste Hälfte Oktober), N’omu-tschju (27—30. X), Dza-tschju (Hauptquellfluss des Mekong, 4—11. November), De-tschjun (November) und Re-tschju (Januar, Kozlov). Jer-ka-lo (290 2‘30° n. Br. und ca. 99° ö. L.) am Mekong (ÖOustalet, Natur. 1886; Davies). Bassin des Blauen Flusses: überall gemein im nordwestlichen Teile der Provinz Jü-nan und dem westlichen Teile der Provinz Sy-tschuan (Davies) in den Umgebungen von Ta- tzin-lu (Scelater, Seebohm, Oustalet.. Mupin (David). Ge- biet der Mausen, nahe von Lung-n’gan-fu? (David).

Zum Schluss halte ich es noch für nötig, eine synoptische Tabelle anzufügen, welche die Möglichkeit gewährt, die alten Männchen und Weibchen aller Formen der von uns betrachteten Gattung leicht zu diagnostizieren.

1 (10) Die Brust grün gefärbt (Männchen).

2 (3) Scheitelfedern mehr oder weniger rot. Kinn und Kehle durchgehends dunkel karminrot, nur die Enden der Federn sind weiss oder fahlgelb. Flügeldeckfedern ohne rötliche oder zimmtrote Färbung. Flügellänge 202—206 mm.

I. eruentus.

‚3. (2) Scheitelfedern grau oder grau mit weiss. Kinn und Kehle höchstens nur mit Spuren roter Färbung.

4(5) Die grossen Flügeldeckfedern und die Schwungfedern 3. Ordnung ohne Spuren rötlicher oder zimmtbrauner Färbung. Flügellänge 210—231 mm. J. geoffroyi.

5(4) Die grossen Flügeldeckfedern und die Schwungfedern 3. Ordnung zeigen viel rötlichere oder zimmtbraune Farbe.

6 (9) Auf dem zusammengelegten Flügel prävaliert die rötliche Farbe mit goldgelber Nuance infolge stärkerer oder ge- ringerer Beimischung grünen Pigmentes.

7(8) Auf den weissen Schaftstreifen der Federn des unteren Teils der Interscapularregion eine deutliche Beimischung grüner Farbe, auf den Schulterfedern, dem hinteren Teile des Rückens, dem Bürzel und den oberen Schwanzdeck- federn sind die Schaftstreifen in ihrem Endteil durch- gehends grün gefärbt. Rote Flügelfärbung sehr blass mit bedeutender Beimengung von grün, besonders auf

78

8 (7)

9 (6)

10.(1) 11 (12)

12 (11)

V. Bianchi:

den grossen Deckfedern. An den Rändern der Steuer- federn sehr wenig rote Farbe. Allgemeine Färbung des Gefieders sehr blass. Stärkste Form: Flügellänge 5 226 mm.

J. sinensis michaelis. Auf den weissen Schaftstreifen der Schulterfedern und und des Rückens gar keine Beimengung grünen Pigmentes, selten Spuren des letzteren auf dem hinteren Teil des Bürzels, nur auf den oberen Schwanzdeckfedern ist es zuweilen deutlich entwickelt. Auf dem Flügel ist die soldig rötliche Farbe dunkler mit geringerer Beimengung von grün. Allgemeine Färbung des Gefieders dunkler als bei J. michaelis. Körpergrösse geringer als bei letzterem, aber grösser als bei I. berezowskis. Flügellänge $ 205 —213 mm. I. sinensis.

Auf dem zusammengelegten Flügel prävaliert die zimmt- rötlichen Farbe ohne jede Beimengung grünen, aber mit grosser Menge karminroten Pigmentes (Beimischung grünen Pigmentes auf den weissen Schaftstreifen der Rückenseite, falls vorhanden, nur am hinteren Teile des Bürzels und der oberen Schwanzdeckfedern. Die rote Farbe an den Rändern der Steuerfedern ist dagegen sehr stark ent- wickelt). Allgemeine Färbung des Gefieders dunkel. Schwächste Form: Flügelläinge $ 187—209 mm.

l. sinensis berezowskü. Auf der Brust kein Grün (Weibchen). Vorwiegende Färbung der Halsseiten ist hell zimmtrot; Federn der Stirn, der Halsseiten, des Kinns und der Kehle durchgehends zimmtrot. (Prävalierende Farbe der unteren Schwanzdeckfedern ist Schwarz, sie haben nicht so viel rote Quermusterung wie die Bauchfedern und sind daher bedeutend dunkler als die letzteren. Die graue Färbung des Genicks erstreckt sich nicht auf die Interscapular- region. Federn des mittleren Teiles des Kropfes und der Brust ohne kleine, schwarzbraune Quermusterung, wodurch sie sich scharf von den Rückenfedern unter- scheiden). Flügellänge 192 mm. J. eruentus.

Vorherrschende Färbung der Halsseiten Grau oder Dunkel- bräunlich; Federn der Stirn, der Kopfseiten, des Kinns

und der Kehle nicht zimmtrot, wenn sie aber rötliche

Die Formen der Gattung Ithaginis. 79

Färbung zeigen, so sind sie bunt gemustert, nicht ein- farbig.

13 (14) Aufden unteren Schwanzdeckfedern prävaliert eine schwärz- liche Färbung, in scharfem Kontrast zu den Bauchfedern. Die graue Farbe des Genicks erstreckt sich auf den an- liegenden Teil der Interscapularregion. Die Federn des ganzen Kropfes und der Brust haben dieselbe scharfe, dunkelbraune Quermusterung wie die Rückenfedern. Die Federn der Stirn, der Kopfseiten und der Kehle sind bunt: rötlich längs dem Schaft und grau an den Rändern. Flügellänge 196—205 mm. 1. geoffroyi.

14 (13) Vorwiegende Färbung der unteren Schwanzdeckfedern nicht Schwarz, da sie in starker Entwicklung helle Musterung zeigen; daher stehen sie in geringerem Kon- traste zu den Bauchfedern. Die graue Farbe des Genicks erstreckt sich nicht auf den angrenzenden Teil der Inter- scapularregion, oder aber das Genick ist fast dunkelbraun. Die Federn des mittleren Teils des Kropfes und der Brust haben keine dunkelbraune Quermusterung, deren Spuren sich auf den Seiten des Kropfes und der Brust befinden. Schaftstreifen auf den Federn der Stirn, der Kopfseiten und der Kehle schmutzig weisslich oder leicht fahlgelb, aber nicht hellrötlich. Kehlfedern zuweilen fast einfarbig, aber nicht rötlich oder zimmtrot.

15 (18) Prävalierende Farbe der Stirn, der Kopfseiten, der Kehle und der Halsseiten grau, in scharfem Kontrast zu der Farbe der Körperoberseite, auf der allerdings die zimmt- rote Nuance schwächer ausgeprägt ist als bei ]. bere- zowskii. Untere Körperseite ohne zimmtrote Nuance.

16 (17) Alle Farben dunkler und intensiver. An den Rändern der Steuerfedern zum mindesten Spuren roter Farbe. Kleiner; Flügellänge 190—199 mm. I. sinensis.

17 (16) Alle Farben bleicher. An den Rändern der Steuerfedern nicht einmal Spuren von roter Farbe. Grösser; Flügel- länge 203—210 mm. I. sinensis michaels.

18 (15) Vorwiegende Farbe der Stirn, der Kopfsseiten, der Kehle und der Halsseiten braun !); Genick braun, in schwachem

1) Bei den jungen Weibchen im frischen Gefieder ist die graue Farbe der Kehle schärfer ausgeprägt.

80 P. Kollibay:

Kontrast zur kaffeebraunen Oberseite des Körpers und nur die Schopffedern sind deutlich grau. Unterseite des Körpers hell kaffeebraun, d. h. mit starker zimmtroter Nuance. (An den Rändern der Steuerfedern keine Spur roter Farbe.) Flügellänge 178—195 mm.

I. sinensis berezowskiü.

Die Vogelfauna der Bocche di Cattaro. Von Paul Kollibay.

A. Einleitung.

Nur die Rücksicht auf wünschenswerte Kürze liess mich vor- stehende Überschrift wählen. Denn was ich auf den folgenden Seiten biete, ist weit entfernt davon, eine abschliessende Arbeit über die Vogelwelt jenes mächtigen Fjords im südlichsten Dalmatien zu liefern, beabsichtigt vielmehr im Gegenteil erst die erste Grund- lage für eine solche umfassende Abhandlung zu legen. Denn bislang sind die ornithologischen Nachrichten aus jener, in so viel- facher Beziehung hoch interessanten Gegend mehr als spärlich. Professor Brusina hat in seinem Bericht über die von ihm nach Montenegro entsendete Sammelexpedition (Ornith. Jahrb. 1891 S. 1—27) die bis damals vorhandenen Arbeiten zusammengestellt, welche ornithologische Notizen aus Montenegro und dem Gebiete von Cattaro enthalten. Scheidet man die ersteren als hier nicht interessierend aus, so bleiben nur übrig:

1. Küster, Reisebericht aus Dalmatien und Montenegro (Okens Isis, XXXIV und XXXV, 1842 und 1843) und 2. Anton Fritsch, Einige ornithologische Notizen, gesammelt auf einer Reise durch Croatien, Dalmatien und Monte- negro (Journ. f. Ornith. 1858 S. 411—415). Dazu kommt die Brusina’sche Arbeit selbst: 3. Spirid. Brusina, Beitrag zur Ornis von Cattaro und Monte- negro (Ornith. Jahrb. 1891, S. 1—27); ferner enthält Mitteilungen über die zur Bocche di Cattaro ge- hörige herzegowinische Sutorina folgender Aufsatz: 4. Othmar Reiser, Neue und seltene Arten der Vogelwelt Bosniens und der Herzegowina (Ornith. Jahrb. 1903 8. 113—118). und endlich habe ich selbst über meine vorjährige Reise berichtet:

Vogelfauna der Bocche di Cattaro. 81

5. P.R.Kollibay, Beiträge zur Kenntnis der Vogelwelt Dalma- tiens (Ornith. Jahrb. 1903 S. 22—45). Die Arbeiten von Kosice und Kolombatovic schliessen den Süd- zipfel Dalmatiens aus.

Von meiner vorjährigen Excursion hatte ich den grössten Teil auf der Insel Curzola zugebracht. Nur wenige Tage wohnte ich in Dobrota bei Cattaro und in diesen war ich durch ein körperliches Leiden an eingehenderen Beobachtungen behindert. Was ich aber von der Vogelwelt der Bocche gesehen und durch Herrn Hauptmann Grossmann, früher in Cattaro, jetzt in Castelnuovo, gehört, was ich inzwischen von diesem vorzüglichen Präparator erhalten, das legte mir den Wunsch nahe, noch ein zweites Mal jenen herrlichen, tief in das Land einschneidenden und von hohen Bergriesen eingeengten, reich verzweigten Meerbusen aufzusuchen. So fuhren wir denn (meine Frau begleitete mich abermals) am 30. April 1903 von Neisse ab, trafen am 3. Mai nach bewegter Seefahrt in Ragusa ein, wo wir die interessante Localsammlung besichtigten, und erreichten am folgenden Tage unser Reiseziel Castelnuovo. Hier verweilten wir, beobachtend, jagend und sammelnd, bis zum 26. Mai. Wenn die erzielten Ergebnisse nicht besonders reiche waren, so liegt dies zum Teil daran, dass Herr Grossmann mit der Umgebung seines neuen Wohnorts noch nicht ausreichend vertraut war, zum grössten Teil aber daran, dass wir ganz auf uns selbst angewiesen waren und jeder Unterstützung durch Einheimische entbehren mussten. Die zumeist in kümmerlichen Verhältnissen lebende ländliche Be- völkerung der Bocche zeigt offenbar (so behauptet es Herr Gross- mann und so Schien es mir selbst) für nichts ein Interesse, was ausserhalb der Sphäre ihrer Alttagsbeschäftigung liegt. Ein Be- dürfnis, sich kleine Annehmlichkeiten durch einen Nebenverdienst zu verschaffen, besteht für den Bocchesen nicht. Es ist uns wieder- holt vorgekommen, dass die Leute es ablehnten, für uns durch ‚Nestersuchen und dergl. Geld zu verdienen, obwohl ihnen Beträge versprochen wurden, welche nach ihren Verhältnissen sie hätten aus ihrer Gleichgültigkeit aufrütteln müssen. Sie lächelten nur und wandten sich ab. Ein weiteres Impediment bildeten die Terrainschwierigkeiten. Wer den Karst kennt, wenn auch nur als Tourist, der kann ermessen, was es heisst, in seinem Gestein und Getrümmer Vögel zu jagen!

Castelnuovo liegt am nördlichen Ufer desMeerbusens und wird von dem die Bocche bei Punta d’Ostro erreichenden Dampfer zuerst

Journ. f. Om. LII. Jahrg. Januar 1904. 6

82 P. Kollibay:

berührt. Die alte Feste mit ihrer kriegerischen Vergangenheit baut sich terassenförmig auf einem Gebirgsausläufer auf, der durch die enge Waldschlucht der Sawina von dem Hauptstocke getrennt wird. Durch dessen Steilhänge geschützt vor den rauhenWinden desNordens und sich öffnend dem Mittag und seinen warmen Lüften zeichnet sich die Gegend durch mildes Klima und hohe Jahrestemperatur aus. Die Durchschnittswärme des Januar erreicht die mittlere Jahrestempe- ratur von Prag. (Vergl. die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild. Band: Dalmatien. Wien 19028. 30). Dem entsprechend ist die Vegetation eine überaus üppige und wohl die reichste von ganz Dalmatien, zumal die Sutorina und die Sawina ausreichend fliessendes Wasser bieten. Verlässt man die Buchen- und Kastanien- wälder von Castelnuovo, so genügt eine Ansteigung von wenigen 100 m, um den denkbar grössten Contrast vor seinen Augen er- scheinen zu sehen. Eben noch frisches Waldesgrün und viel- stimmiger Vogelgesang und plötzlich rauhes, zerrissenes und zer- klüftetes Gestein, unabsehbare Geröilfelder, ragende Felswände und Zinnen, und das alles grau, tot und öde; nur vereinzelt steigt ein Steinschmätzer in die Luft oder ertönt die klangvolle Strofe der Blaumerle! Und eine dritte Scenerie bietet sich dem Besucher von Castelnuovo, wenn er in prachtvoller Fahrt am Meeresufer entlang, vorbei an Palmen und den im Freien reifenden Gold- orangen, vorbei an verfallenden Palastruinen, den stummen Zeugen einer glänzenderen Vergangenheit, das wenige Kilometer entfernte Schwemmland der Sutorina erreicht. Dort breiten sich, begrenzt von sanften Höhen, die mit mediterranem Strauchwerk bestanden sind, weite Brachen, Felder und Weingärten aus, durchzogen von den Armen der Sutorina und ihren Zuläufen. Dort entwickelt sich wieder ein anderes Vogelleben. Uns wohlbekannte Erscheinungen wie Stieglitz, Hänfling, Braunkehlchen und Neuntöter mischen sich mit den Charactervögeln des mittelländischen Gestades, der Kappenammer, dem Sammtköpfchen, der weissbärtigen Grasmücke, dem Heckensänger und anderen. Dort steigen auch die beiden schwarzweissen Steinschmätzer bis zur Talsohle herab, die ihnen reichlichere Nahrung bietet.

Alle diese Örtlichkeiten haben wir durchstreift, aber auch die Olivenbestände und Eichenwälder von Teodo und die weite Ebene der Zupa am südlichen Ufer des Meerbusens nicht vernachlässigt.

Es erschien mir nun aber auch wünschenswert, bei der. Bearbeitung meiner Beobachtungen mich nicht nur auf diese zu

Vogelfauna des Bocche di Cattaro. 89

beschränken, sondern überhaupt alles das grundlegend festzustellen, was bis jetzt zuverlässig über die Ornis der Bocche di Cattaro ermittelt ist. Da sind es denn, abgesehen von dem geringen, in der Literatur zerstreuten Materiale die reichen Erfahrungen, welche mein verehrter Freund Grossmann in den vielen Jahren seines Aufenthalts und seiner Sammeltätigkeit in der Bocche, und ins- besondere in der wilden Krivosije, bei Cattaro und Castelnuovo, gesammelt hat. Mit grosser Liebenswürdigkeit und Bereitwilligkeit hat er mir bei jeder einzelnen Art alles das mitgeteilt, was ihm über ihr Vorkommen in der Bocche bekannt geworden, und es mir dadurch ermöglicht, mich über eine weitaus grössere Anzahl von Arten auslassen zu können, als ich sonst im Stande gewesen wäre. Ich spreche ihm auch hier meinen herzlichen Dank für seine Mitarbeit aus. Wo ich bei seinen Mitteilungen Grossmanns Namen nicht im Contexte ausschreibe, füge ich ihn abgekürzt in Klammer bei (Gr.) 2

Eine weitere angenehme Pflicht ist es mir, auch denjenigen Herren zu danken, welche mir durch Überlassung von Vergleichs- material und Auskunftserteilung oder in anderer Art behülflich waren. Es sind dies die Herren von Tschusi, Reichenow, Schalow, Koenig, von Erlanger, von Madarasz und Schlüter. Ihnen allen danke ich nochmals auf’s herzlichste.

Ich habe möglichst alle Bocche-Vögel, die ich in die Hand bekam, gemessen und gebe die Resultate entweder ausführlich, oder, wo die Anzahl eine zu grosse ist, in der Form der Dureh- schnitts-, der Maximal- und der Minimalmasse. Dabei will ich nicht verhehlen, dass ich selbst auf Massergebnisse kein grosses Gewicht mehr lege. Durch viele Wochen habe ich jetzt einige Hundert Vogelbälge gemessen. Ich versichere, dass ich die Mes- sungen auf das sorgfältigste vorgenommen habe. Aber ich kann nur dem beistimmen, was vor kurzem Kleinschmidt sagte, dass nämlich derselbe Ornithologe an demselben Objecte bei verschie- denen Messungen häufig verschiedene Resultate erhält. Wie soll nun ein anderer Forscher, der beim Messen vielleicht etwas anders manipuliert, mit den von jenem erzielten Resultaten etwas anfangen können! Dazu kommen noch die grossen Schwankungen, die sich je nach dem Stande der Abnutzung des Gefieders zeigen! Indessen ich gebe die Resultate, weil andere vielleicht anderer Meinung sind.

Über die Art der Messung habe ich schliesslich noch folgendes zu bemerken: Der Flügel ist mit dem unterseits leicht ange-

6*

84 P. Kollibay:

drückten Stabmasse gemessen. Bei Flügeln bis zu 150 mm be- nutzte ich den feststehenden Teil eines Eiermasses, weil dessen kurzer Schenkel die sichere Fixierung des Flügelbuges gestattet.

Den Schwanz messe ich nicht nach Reichenow’scher Art, weil die Aufsuchung der Wurzeln der Schwanzfedern unterseits (nicht zum wenigsten wegen der oft darüber liegenden Tarsen) zu unsicher ist. Vielmehr fixiere ich oberseits mit dem Daumen- nagel den stets deutlich fühlbaren letzten Schwanzwirbel, bezw. wo er bei sorgfältiger Präparation zwischen den Schwanzfeder- wurzeln herausgeschnitten ist, das dann sicher fühlbare Feder- wurzelende, und messe von da ab mit dem Stabmasse. Bei der Schnabelmessung scheine ich zu grösseren Ergebnissen gekommen zu sein als andere. Wenn man aber nicht wirklich, wieich es getan, stets mit dem Zirkelende bis zur Wurzel der Stirnbefiederung zurückgeht, können zuverlässige Ergebnisse nicht erzielt werden. Auch bei der Messung der Tarsen kann man m. E. selbst bei Be- folgung der Reichenow’schen Methode, die auch ich anwendete, nie zu ganz zuverlässigen Resultaten gelangen, weil je nach der Grösse des Vogels der Ansatz des Zirkels in der hinteren Tarsal- gelenkgrube zu viel Spielraum hat.

B. Spezieller Teil.

1. Yultur monachus L. Wird hin und wieder gesehen (Gr.).

2. Gyps fulwus (Gm.). Diesen Geier konnte ich einmal am 15. Mai 1903, bei Kameno oberhalb Castelnuovo, seine Kreise ziehen sehen. Nach Gross- mann erscheint er häufiger als der vorige. |

3. Neophron percnopterus (L.).

Ich selbst habe in der Bocche den Aasgeier nicht beobachtet, Grossmann versicherte mir aber, dass er in höheren Gebirgslagen zu allen Zeiten zu treffen sei, am häufigsten während des Zuges. Ich besitze ein $ vom 1. April 1903 aus der Nähe von wen nuoVo, welches folgende Masse aufweist:

2. 489, c. 240, r. (im Bogen) 69, t. 82 mm. Die Adränhier Sammler beobachteten im Mai und Juni 1890 in den Bergen wo Montenegro 2 Stück (Brusina, a. a. O. S. 20).

Vogelfauna der Boeche di Cattaro. 85

4. Circus aeruginosus (L.). Nach Grossmann nur im Winter und Frühjahre anzutreffen.

5. Circus cyaneus (L.). 6. macrurus (L.). 1. u. Pygargus (L.). Diese 3 Weihenarten sind nach Grossmann zu den Zugzeiten sehr häufig und können am Uhu in Menge geschossen werden, namentlich die Kornweihe.

8. Astur palumbarvus (L.).

Bevorzugt die höheren Gebirgslagen, insbesondere jene Stellen, wo sich von Columba livia bevölkerte Felsenhöhlen be- finden (Gr.). |

9. Astur brevipes Sev.

Durch Brusina, Reiser und L. v. Führer ist bekannt, dass in Montenegro der Zwerghabicht ein nicht gerade seltener Brutvogel ist. Die Vermutung erschien sonach begründet, dass er auch in Süd-Dalmatien vorkommen werde. Während meiner vorjährigen Hinreise nach Cattaro teilte mir auch v. Führer, den ich in Budapest traf, mit, dass er auf dem Wege von Üettinje nach Cattaro auf der dalmatinischen Seite einen brevipes in grosser Nähe habe vorüberfliegen gesehen. Indessen Grossmann hatte ihn noch nie angetroffen. Auch in der Literatur kann ich über das Vorkommen des Zwerghabichts in Dalmatien nicht mehr finden, als dass Kolombatovic (Zoologiske vijesti iz Dalmazije. Spalato 1896. p. 8) bemerkt, er habe von Reiser erfahren, dass ein Exemplar dieser Spezies bei Spicca an der montenegrinischen Grenze erbeutet worden sei. Daher war es mir in hohem Grade interessant, auf der diesjährigen Hinreise nach der Bocche in der Sammlung zu Ragusa 2 dalmatinische Zwerghabichte vorzufinden, von denen der eine, ein d vom 21. August 1898, sogar der Bocche di Cattaro, nämlich der Zupa, entstammte. Ein viertes Exemplar gelangte endlich zu meiner grossen Freude in meine eigene Sammlung. Es ist ein prächtiges, sehr altes 9, von Grossmann am 17. Juli 1903 bei Castelnuovo erlegt. Dasselbe entspricht genau der Beschreibung, welche Ssomow im Ornith. Jahrb. (1891. 8. 131) von dem Federkleide des sehr alten d gegeben hat. Masse: a. 226, c. 165, r. 20, t. 44 mm. Grossmann teite mir ‘nachträglich mit, dass er. den Vogel bei Kameno, als er tief am Boden die Militärstrasse kreuzte, mit Vogeldunst N0.18 erlegt habe.

86 P. Kollibay:

10. Acciwiter nisus (L.). Brutvogel, im Winter sehr gemein (Gr.).

11. Buieo buieo (L.).

Grossmann hat in der Krivosije Eier erhalten, erachtet den Bussard aber auch im übrigen als Brutvogel der Bocche, da er während der Brutzeit stets zu sehen ist. Im Winter tritt er in Menge auf, z. B. in der Zupa. Ich besitze ein Exemplar aus der Bocche vom 3. November 1902, welches der dunklen Phase an- gehört.

12. Pernis apworus (L.) und 13. Circaetus gallicus (Gm.) sind nach Grossmann häufig auf dem Zuge.

14. Pandion haliaetus (L.).

Am 23. Mai 1903 beobachteten wir ein Stück in der Zupa, welches bei unserem Anblicke schleunigst hinter einem Hügel verschwand. Grossmann hat den Vogel in der Zupa und am Berge Vrmac wiederholt angetroffen uud an letzterem Orte vor dem Uhu im Jahre 1899 zwei Stück erlegt.

15. Aguila chrysaetus (L.). Brutvogel in den höheren Lagen der montenegrinischen Grenzgebirge und keine Seltenheit, wie Grossman versichert, der mehrere Stück am Aase erlegt hat.

16. Aguila pomarina Brehm. Grossmann erhielt im Jahre 1901 einen jungen Vogel lebend.

17. Falco peregrinus Tunst. Am Zuge und während des Winters. Das Horsten hat Grossmann noch nicht festgestellt. Im August betraf er einmal ein Stück, welches an einem Astur palumbarius juv. kröpfte.

18. Falco subbuteo L.

Einmal erhielt Grossmann Junge aus Budua, sonst bemerkte er den Vogel nur auf dem Zuge. Ich selbst beobachtete am 25. April 1902 bei Fort Trinita oberhalb Cattaro 5 Stück, die in nördlicher Richtung zogen.

Vogelfauna des Bocche di Cattaro. 87

19. Falco aesalon Tunst.

Auf dem Zuge, doch wurden bislang nur 929 erlegt (Gr.).

20. Cerchneis vespertina (L.).

Ziemlich regelmässiger Durchzugsvogel. Über den Zug von 1902 berichtete ich im Ornith. Jabrbuche 1903 S. 28. In diesem Jahre erlegte bei einem Ausfluge am 10. Mai nach Krtole unser Bootsführer Jvo ein nach seiner Angabe einzelnes, altes g. Meine in der Jabresversammlung der Ornithologischen Ge- sellschaft von 1902 in Berlin vorgelegten Bälge gaben Anlass zu einer Unterhaltung darüber, ob das graue Alterskleid durch Mauser oder durch Umfärbung entstehe. Ich verweise auf meine da- maligen Ausführungen (J. f. ©. 1903 S. 144), bei denen ich auch jetzt noch durchaus stehen bleibe. Ich erwarb inzwischen noch ein $ im Übergangskleide vom 5. Mai 1902 aus der Dobrudscha, welches noch instruktiver ist, als ein vorjähriges vom 18. April aus Cattaro. Bei diesem Dobrudscha-Vogel ist die ziegelrote Wölkung nicht nur auf der Brust, sondern auch noch am Bauche vorhanden. Sie besteht überall nur aus dem roten Mittel- und Basalteile der Federn, nirgends aus ganz roten Federn. Jede einzelne dieser Federn ist gleichzeitig rot und grau, und zwar tritt letztere Farbe mindestens an der Spitze, meist auch an den Säumen der einzelnen Federn auf und vielfach so stark, dass nur noch ein schmaler, nach der Basis sich verbreiternder roter Mittelstreif übrig bleibt. Solche gemischt rot-graue Feder ist keine dauernde Erscheinung. Mir ist wenigstens nicht bekannt, dass solche Übergangskleider noch unmittelbar nach der Sommer- mauser gefunden werden. Dass angesichts der Doppelfärbung der einzelnen Feder jener Erklärungsversuch des besprochenen Feder- kleides nichts besagen will, der betont, dass für verloren ge- gangene Federn solche aus dem nächstfolgenden Federkleide nachwachsen, liegt auf der Hand. Denn dann müsste zunächst der Vogel im ganzen rot mit eingesprengten einzelnen grauen Federn aussehen, nicht aber grau mit roter Wölkung; und sodann würden sich eben nur Federn finden, die entweder rot oder grau sind, nicht aber die besprochenen grau-roten. Daher gibt es keine andere Möglichkeit als meine Annahme, dass das rote Klein- gefieder sich derart ohne Mauser zum grauen umfärbt, dass jede einzelne Feder zuerst an der Spitze, dann an den

88 P. Kollibay:

seitlichen Säumen das Rot in Grau verwandelt und letzteres immer mehr nach dem Schafte und der Basis verdrängt.

Für die Richtigkeit dieser Annahme liefert mein Dobrudscha- Vogel noch einen anderen Beweis, insofern als einzelne der noch das meiste Rot tragenden Flankenfedern gleichzeitig auch noch den stärksten Rest des schwarzen Schaftfleckens des Jugendkleides aufweisen, welcher immer schmäler wird, je weiter vom Rande her das Grau vordringt, sodass schliesslich bei den fast ganz grauen Federn nur noch der Schaft selbst als feine schwarze Mittellinie übrig bleibt.

21. Cerchneis naumanni (Fleisch.).

Zieht mit C©. vespertina durch. Bei Trebinje in der Herze- gowina (nicht mehr zum Bocche-Gebiet gehörig) horstend ge- funden. (Gr.)

22. Cerchmeis tinnuncula (L.). Nach Grossmann in der Bocche ziemlich gemein.

23. Bubo bubo (L.).

Grossmann nennt den Uhu einen ziemlich gemeinen Stand- vogel, derin Felsen jeder Höhenlage horste, wenn er nur senkrechte Wände finde. Gelegentlich ahmt der Uhu das Kunststückchen des Sperbers nach, sich auf der Verfolgung einer Beute in einem Hause greifen zu lassen, wie Grossmann es einmal in Cattaro erlebt hat. Ich besitze nur ein Stück aus der Bocche, welches folgende Masse aufweist: $ 2. 11. 02, a. 438, c. 235, r. (Bogen) 39, t. 78 mm.

24. Asio accipitrinus (Pall.).

Bezieht in Mengen die Bocche als Winterquartier. (Gr.)

25. Pisorhina scops (L.).

Grossmann bezeichnet die Zwergohreule als einen, erst im späten Frühjahre ankommenden, durchaus nicht seltenen Brut- vogel, der mehr die Wälder als die Ortschaften zu seinem Auf- enthalt wähle. Ich selbst habe dennoch diese Eule jeden Abend auf dem kleinen Marktplatze von Castelnuovo gehört, wo sie von einem Dache oder Baume einzeln oder zu zweien ihren melan-

cholischen Pfiff „giu“ „giu“ ertönen liess. Aber auch am.

frühen Morgen, wenn längst die Sonne hoch stand, konnte ich

Vogelfauna der Bocche di Cattaro. 89

von meinem Zimmer aus den Ruf vernehmen. Bei einer Streife in der Sutorina sah Grossmann eine Zwergohreule in einem hohlen Ölbaume verschwinden. Er deckte schnell das Loch zu, um sich des Vogels zu versichern, als letzterer zu seinem Ärger durch eine Öffnung auf der anderen Baumseite das Weite suchte. Meine bocchesischen Exemplare von Pisorhina scops habe ich weggegeben, ohne leider die Masse zurückzubehalten. Ich besitze zur Zeit nur noch ein Junges vom 14. Juli 1902 im ersten noch unentwickelten und mit Flaum durchsetzten Gefieder.

26. Syrnium aluco (L.).

Auch der Waldkauz erscheint als Wintergast in der Bocche, zuweilen in noch grösseren Mengen als Asio accipitrinus. (Gr.)

. Athene noetua (Ritz.).

Nach en sehr häufiger Standvogel. Wenn ich nach je einem Exemplare aus der Bocche und aus Montenegro urteilen soll, sind die Steinkäuze dortiger Gegend ein wenig heller als diejenigen Mitteldeutschlands.. Auch Brusina betont (a. a. O. S. 19) die Färbungsabweichung bei den in Montenegro gesammelten ‚Stücken, unterlässt aber die Angabe, in welcher Richtung dieselbe stattfinde. Ich besitze 3, allerdings auch untereinander in der Farbentiefe recht verschiedene Individuen von Athene glaux (Savigny) aus Tunesien. Legt man diese neben meine beiden vorerwähnten Stücke aus der Bocche und Montenegro und füst dazu schlesische Exemplare, so hat man den wunderschönsten Übergang von der sehr dunklen noctua bis zur rötesten glauz.

Mein Bocche-Exemplar misst: $ 15. 3. 03. a. 156,5; c. 89; r. 19,5; t. 29 mm.

28. Erithacus luscinia (L.).

Während Brusina (a. a. O. S. 12) nach dem Berichte der Agramer Sammler bemerkt, dass die Nachtigall nicht häufig zu sein scheine, und nur ein einziges Beobachtungsdatum anführt, behauptet Grossmann im Gegenteil, dass sie im Gebiete und ins- besondere bei Castelnuovo ein äusserst häufiger Brutvogel sei, der sein Nest mit Vorliebe im Judenkirschenstrauche anlege.

Und Grossmann hat Recht. Schon 1902 hörte ich in Cattaro Ende April die Nachtigall in den Gärten und Gesträuchen am Fusse der berühmten Kunststrasse nach ' Montenegro häufig

90 P. Kollibay:

schlagen, und es machte einen unvergesslichen Eindruck, bei der nächtlichen Rückkehr aus Cettinje die trauten Heimatsklänge in so wildromantischer Umgebung über die ruhige See erschallen zu hören. Auch in diesem Jahre konnte ich die Sängerkönigin in der Bocche wieder begrüssen. In den reichen Laubwäldern der Sawina und bei Teodo, wo ausreichende Feuchtigkeit von den Hängen den Boden sättigt, war der Vogel in einer Unmenge vertreten. Aus den schlesischen Auwaldungen bin ich wahrhaftig gewöhnt, mit einer Fülle von Nachtigallen zu rechnen; aber das enge Waldtal der Sawina stellt alles in Schatten, was ich bisher in dieser Hinsicht erlebt. Von einem und demselben Standorte aus konnte ich z. B. einmal in meiner nächsten Nähe 6 schlagende Nachtigallen gleichzeitig beobachten.

Ein am 6. Mai 1903 von mir während des vollsten Gesanges erlegtes $ besitzt nur eine einzige ausgewachsene Schwanzfeder, alle übrigen beginnen zu sprossen und werden noch durch die Schwanzdecken verborgen. Eine einleuchtende Erklärung für den Verlust des Schwanzes habe ich nicht finden können.

Am 10. Juni 1903 erhielt ich ein Junges im gefleckten Nestkleide.

Ich habe 8 Nachtigallen aus der Bocche verglichen mit 26 Stück aus verschiedenen anderen Teilen des Verbreitungsge- bietes und gebe zunächst die Masse der ersteren:

g 6.5. 03. aunslee: Cat a rt... 145 t. 26 mm.

318.50 7a, a oe US H. 03T SA en Tor BE... SRRTNIEH Ola: BR TON „la, een 29.4, 030, Asse SL za: rl Ro 8 1,5, 805030 1.00 ai: Bier, oO 6.5.08. Bu 7a: En...

Bei diesem Slsinken der Flügelmasse dürften letztere ein brauchbares Unterscheidungsmerkmal für Nachtigallen überhaupt nicht abgeben. Das bestätigen auch die gleichen Masse des Vergleichsmaterials, nämlich:

2 aus Tunesien mit 82, 77 mm, 1 , Marocco 5 8l iR 3 Rumänien N 83, 84, 4 2 ,„ Ungarn 86, 86 DR. 3 Südfrankreich „, 84,184,,85u. 25,

Vogelfauna der Bocche di Cattaro. 91

3 aus Schlesien mit | : 85, 82 mm, 2 der Mark hr Siasanr 9 Rheinhessen 82, 84, ?, 84, 83, 84, 82, 85, 800 „, 2 England c Sr len

Ich habe auch die Schnäbel dieser Vögel gemessen, aber überall nur Schwankungen zwischen 13 und 14 mm gefunden. Lediglich die beiden Schlesier bleiben mit 12 und 12,5 mm da- hinter zurück.

Was die Färbung anbelangt, so scheiden bezüglich der Ober- seite die Vögel aus Tunis, England und Südfrankreich, welche abweichen, aus. Alle anderen stimmen mit einander völlig über- ein. Heller sind schon die Engländer, noch mehr aber die Tunesen, deren Rückenfärbung schon in’s Gelbliche zieht. (Vgl. auch Erlanger, Journ. f. O. 1899 S. 213.) Umgekehrt fallen die Vögel von der Riviera sofort durch ihre dunkle, ins Graue übergehende Oberseite in die Augen. Unterseits sind alle mir vorliegenden Stücke gleich bis auf diejenigen aus Südfrankreich, welche abermals eine Ausnahme bilden, indem bei ihnen die Unterschwanzdecken intensiv rostgelb sind. Diese Erscheinung tritt auch bei einem Exemplare aus Castelnuovo auf.

Wenn meine Beobachtungen bezüglich der Färbung der Oberseite sich auch sonst bestätigen, so würde dies m. E. aus- reichen, die Vögel von Tunis, Südfrankreich und England sub- specifisch zu sondern, falls dies noch nicht geschehen ist, was ich nicht weiss.

29. Erithacus rubeculus (L.)

Nach Graf von der Mühle, (Beiträge zur Ornithologie Griechenlands, Leipzig 1844, S. 74) ist das Rotkehlchen in Griechen- land überall gemein. Für die Bocche kann dasselbe nicht gesagt werden. Ich selbst habe den Vogel nie bemerkt, sodass er ‚jedenfalls nicht häufig sein kann. Das bestätigt auch Gross- mann, welcher ihn bislang nur im Winter, dann aber massenhaft, beobachtet hat. Erst dieses Jahr (1903) bemerkte er noch in den ersten Tagen des Mai einen singenden Vogel und an der- selben Örtlichkeit erlegte er am 26. Juni 1903 ein Nestjunges, welches er mir als ersten Beweis für das Brüten des Rot- kehlchens in der Bocche übersandte.

92 P. Kollibay:

30. Ruticilla phoenicurus (L). N

Ich habe den Gartenrotschwanz nie beobachtet, auch Brusina

erwähnt ihn nicht. Im Einklange damit erklärt Grossmann, dass der Vogel nur auf dem Zuge vorkomme.

31. Ruticilla titys (L.)

Grossmann bezeichnet den Hausrotschwanz als häufigen Brutvogel und massenhafte Wintererscheinung. Danach scheint er in Süddalmatien nicht Zug-, sondern Standvogel und Dalmatien Winterquartier für nordische Zuzügler zu sein. Ich beobachtete den Vogel im felsigen Gelände und erlegte am 15. Mai 1903 ein © oberhalb Castelnuovo. Brusina (a. a. O. S. 12.) berichtet über die Erbeutung einer Ruticılla titys cairei (Deg].) in der Krivosije. Auf Grund meiner Beobachtungen in Schlesien habe ich früher die Unhaltbarkeit dieser angeblichen Gebirgsform dargetan und befand mich im Einklange mit wohl der Mehrzahl der Ornith- iogen. Ohne diese Ansicht aufzugeben, glaube ich doch, folgende Mitteilung nicht unterdrücken zu sollen. Am 31. Dezember 1902 sandte mir Grossmann 3 graue Rotschwänzchen, von denen 2, erlegt am 5. 12. 1902 als $ und 9, und eines, erlegt am 20. 12. 1902 als @ .etikettiert waren. Er schrieb mir dazu: „Ich be- merkte heuer bei dem strengen Winter in den höheren Lagen und speciell dort, wo zerklüftete Felsenpartien mit steilen Wänden vorkommen, nur graue Rotschwänzchen, die schwarzen aber nur ganz unten, Sogar in den Weingärten der Talsohle. Der Zufall wollte es, dass ich eines Tages 2 graue Rotschwänzchen hoch im Gebirge bemerkte, die nach dem Beisammenhalten zu urteilen, zu einer Art gehören mussten. Da ich sofort an $Q von AR. cairei dachte, habe ich den Moment erwartet, diese mit einem Schusse zu erlegen. Da es mir gelungen, beide zu erlegen, konnte ich zu meiner grossen Freude $ und © von R. cairei, constatieren“. Es folgt dann ein Vergleich mit dem © vom 20. Dezember aus der Niederung, der nach Grossmann’s Ansicht kleine Verschiedenheiten ergibt. Ich selbst habe solche nicht feststellen können. Indessen ist der Fall deswegen interessant, weil die anatomische Ge- schlechtsbestimmung keinem Zweifel unterliegt und daher einmal die Anpaarung eines grauen g festgestellt ist, was ja nichts neues ist, aber von Wichtigkeit für die zweite Tatsache, dass nämlich in den höheren Gebirgslagen nur graue Vögel beob- achtet wurden. Damit würde wieder einmal‘ das: biologische

Vogelfauna der Bocche di Cattaro. 93

Moment der Bevorzugung höherer Gebirgslagen als Differen- zierungsmerkmal in den Vordergrund geschoben.

Masse von Bocche-Vögeln:

8 11.2:3..19027723.853 €,665 ar. 11,5; t. 237 mm: & 195 12.019025, .88:0,.0355 ul 5 22,8% 53 12, 1902 raaldsuns 6er nl 545722 808, ©5204.19.,. 19022040 7.7:,.,.04 ":., EL. 21,8... ©215-,,9.,1903.12:,:80: 262 3.5 11.5; „22%,

32. Saxicola oenanthe (L.).

Ich selbst habe den grauen Steinschmätzer nie in der Bocche angetroffen. Grossmann hat ihn allerdings schon Anfang Mai erlegt, will aber auch nicht behaupten, dass er Brutvogel sei. Nach Brusina (a. a. O0. S. 10) haben die Agramer Sammler noch am 19. Mai Exemplare erlegt, sodass man das Brüten wohl an- nehmen muss. Aber auch Brusina sagt: „Der graue Steinschmätzer scheint etwas weniger häufig als die zwei nächsten Arten vor- zukommen‘.

33. Sazxicola. amphileuca Hempr. u. Ehrenb. und 34. Saxicola melanoleuca Güld.

Die beiden schwarz-weissen Steinschmätzer des balkanischen Karstgebietes sind in Süddalmatien sehr häufige Brutvögel und charakteristische Erscheinungen der kahlen Gebirgspartieen. Sie "halten sich aber auch dort, wo die nackten Felshänge baumlos bis zur Talsohle heruntergehen, wie in der Sutorina, auf letzterer auf und liegen dann namentlich in den Weingärten und Maisfeldern auf dem Erdboden dem Insektenfange ob. Nach Grossmann ziehen beide Arten frühzeitig fort und kehren zusammen anfangs April zurück. Ihr Brutgebiet erstreckt sich bis auf die Gipfel der Berge. Nach meinen Wahrnehmungen ist der Ohrensteinschmätzer häufiger als der schwarzkehlige, denn von den erlegten kam immer 1 schwarzkehliger auf 2 Ohrensteinschmätzer. Es besteht also dasselbe Verhältnis wie bei den westlichen Formen in Tunis (vergl. v. Erlanger, Journ. für Ornith. 1899. S. 223).

Kleinschmidt regte mich in einem nach Castelnuovo an mich gerichteten Schreiben zu der Prüfung an, ob nicht die beiden Steinschmätzer artlich zusammen fielen. Schon Bonnelli und La Marmora haben diese Frage aufgeworfen. Nun ist es ja richtig,

94 P. Kollibay:

dass Zug, Lebensgewohnheiten, Aufenthalt der beiden Vögel die nämlichen sind, dass sie insbesondere ganz untereinander gemischt vorkommen. Ich kann sogar noch folgendes Vorkommnis be- richten: Am 15. Mai d. J. schoss Grossmann in meiner Gegenwart auf einer Felsplatte ein @ des Ohrensteinschmätzers, worauf als- bald auf derselben Stelle neben dem toten Vogel ein schwarz- kehliges erschien, welches mit dem zweiten Schusse erlegt wurde. Wir waren überzeugt, ein gepaartes Paar erbeutet zu haben. Indessen ist das alles doch nicht ausreichend, um die beiden so sehr verschiedenen und nie einen Übergang zeigenden Vögel zu- sammen zu werfen, zumal nach Reiser (Ornis balcanica IV S. 51) die Eier sich unterscheiden lassen. Meines Erachtens erklärt sich ein Fall wie der berichtete einfacher durch die Annahme gelegentlicher Verbastardierung.

. Die nächste Frage ist die, ob die beiden Arten je in eine östliche und eine westliche Form zu trennen und wie diese Formen systematisch zu bewerten sind. Dresser und Arrigoni trennen nur den schwarzkehligen Steinschmätzer, mit Radde, Reiser, von Erlanger und Whitaker halte ich aber diese Trennung auch beim Ohrensteinschmätzer für durchaus geboten. Wer die schöne Erlanger’sche Suite von Tunis-Vögeln und daneben meine noch zahlreicheren Reihen von Dalmatinern aus beiden Arten sieht, der kann nicht einen Moment die Berechtigung und die Verpflichtung bezweifeln, beide Arten je in eine östliche und eine westliche Form zu sondern. Und nach meiner Überzeugung sind diese östliche und westliche Form nicht als Subspezies aufzufassen, sondern als vollwertige gute Arten. Denn wenn das Kernzeichen einer solchen ist, dass der Vogel ohne Kenntnis der Herkunft und ohne Vergleichsmaterial bestimmt werden kann, so ist dieses Erfordernis hier gegeben; ich verpflichte mich, jeden mir einzeln vorgelegten Vogel, ob d, 2 oder iuv., sofort richtig zu bestimmen. Von Erlanger (Journ. für Ornith. 1899. S. 227) stellt für die Ohrensteinschmätzer die Unterschiede einander gegenüber, doch gelten dieselben ebenso für die schwarzkehligen Steinschmätzer, pur dass sich für diese die Unterscheidungsmerkmale um eins vermehren. Von Erlanger sagt:

„Sazxicola aurita aurita Sazxicola aurita amphileuca

(Temm.). (H. et E.). Oberkopf, Rücken gelb, nach Oberkopf weissgelb, je nach Bürzel zu heller werdend. Bürzel Alter noch weisser werdend,

Vogelfauna der Bocche Cattaro. 95

weissgelb. Unterseite der Rücken gelb, Bürzel weiss. Unter- Schwanzfedern grau. seite der Schwanzfedern weiss. Das Gelb des Oberkopfes geht Die beiden schwarzen Ohr- bis zum Schnabel vor und trennt flecken sind durch einen schma- die beiden schwarzen Ohrflecken. len Streifen, welcher sich über den Schnabel hinzieht, mitein-

ander verbunden.“

Unrichtig ist in dieser Gegenüberstellung, was über die Unterseite der Schwanzfedern gesagt ist, da diese bei allen in Betracht kommenden Steinschmätzern weder grau noch (einfarbig) weiss, sondern schwarz und weiss zugleich ist. Meine Vermutung, dass ein Druckfehler und ausserdem ein sonstiger lapsus vorliegen müsse, wurde mir durch Herrn von Erlanger brieflich bestätigt. Danach muss der betreffende Passus heissen:

Unterseite der Schwung- Unterseite der Schwung- federn grau (oder hell). federn schwarz (oder dunke)).

Das ist auch zutreffend. Alle von mir untersuchten Vögel, welche die sonstigen Kennzeichen der östlichen Schmätzer trugen, hatten die Unterseite der Schwungfedern so schwarz wie die Ober- seite, alle sonst als westliche charakterisierte dagegen grau.

Nach Whitaker (Ibis 1905 S. 409) soll allerdings der Ohren- steinschmätzer mit dunkler Flügelunterseite durch das ganze europäische Festland, westlich bis Frankreich und Portugal vor- kommen. Wenn das richtig ist (Nizza-Vögel fand ich stets mit heller Flügelunterseite), so ist eben die Farbe der Flügelunterseite kein geeignetes Unterscheidungsmerkmal, weiljedenfalls dieanderen, von Erlanger erwähnten und das von mir noch hervorzuhebende, konstant sind und nie im Stiche lassen. Bei den östlichen Formen beider Steinschmätzer sind die $5$ immer viel weisser, manchmal selbst auf dem Rücken kaum noch eine Spur von Gelb aufweisend, während die westlichen diese Farbe auch auf dem Kopfe an- scheinend nie verlieren. Übrigens ist die Bezeichnung der Kopf- und Rückenfarbe mit „gelb“ schlechthin doch nicht ganz ein- wandfrei. Das Gelb des Stieglitzflügels oder des Pirols oder der Goldammer u. s. w. kommt nicht in Frage: Dresser nennt die Farbe „rufous isabelline‘‘ und „rufous“, Arrigoni bezüglich „giallo- rossiccio“ und „giallo-crema“. Ich selbst würde diese Farbe „rötlich-sandgelb‘ nennen; einen Unterschied derselben beim Ohren- steinschmätzer und dem schwarzkehligen Steinschmätzer der nämlichen Herkunft kann ich nicht entdecken; ebenso wenig

96 1," 31 BD. Kollibay::

finde ich bei den gg des östlichen und westlichen Schwarzkehl- steinschmätzers in der gedachten Färbung diejenige Verschiedenheit, welcher Arrigoni durch die Bezeichnung „fulviccio“ für den Vogel des Ostens Ausdruck verliehen hat. Jedenfalls habe ich bei dem Studium dieser Farbennuancen nur durchaus dem Bedauern Finschs beipflichten können, dem er in seiner Zosteropiden - Be- arbeitung im ‚Tierreich“ bezüglich des Fehlens einer guten Farben- tafel Ausdruck verleiht. Meiner Meinung nach sollte doch das Haupthindernis für die Schaffung einer solchen Farbentafel, die Besorgnis mangelnder Standhaftigkeit der einzelnen Farben, bei dem Stande der heutigen Technik sich beseitigen lassen!

Zutreffend habe ich für beide Steinschmätzer stets auch das weitere Erlanger’sche Unterscheidungsmerkmal gefunden, nämlich die Verbindung der schwarzen Kopfseiten durch ein gleichfarbiges schmales Band über die Stirn an der Schnabelwurzel, das den Vögeln des Ostens eigen ist, denen des Westens aber fehlt.

Die von Erlanger angegebenen Kennzeichen beziehen sich nur auf alte dd. Für die 22 und jüngeren Jg gibt es aber noch ein besonderes untrügliches Unterscheidungsmerkmal, auf welches mich nach Besichtigung meiner vorjährigen Ausbeute Professor König aufmerksam machte, als ich selbst die westlichen Formen noch nicht besass und verglichen hatte, ein Merkmal, welches meines Wissens bisher noch nirgends gewürdigt worden ist. Die @@ und jüngeren Jg zeigen nämlich im Westen eine dunkelsandgelbe, zuweilen ins Braungelbe ziehende Oberseite, diejenigen im Osten dagegen eine rauchfahle Oberseite und ins- besondere einen häufig dunkelaschgrauen Scheitel.

Von der Oberseite aus sind diese Vögel sofort beoügliei ihrer Herkunft zu bestimmen.

Es handelt sich schliesslich um die Nomenclatur der 4 Stein- schmätzerarten, welche durchaus noch nicht geklärt ist. Neuer- dings hat sich im Ibis eine Auseinandersetzung zwischen Dresser und Whitaker über die richtigen Namen der Ohrensteinschmätzer entsponnen. Whitaker hat nämlich den bisher gebräuchlichen Namen für die westliche Form einen neuen hinzugefügt, indem er sie Saxicola caterinae benannte. Das hat Dresser gemissbilligt mit der kurzen Ausführung, dass dieser Form der Name albicollis (Vieill.) zustehe, während die östliche amphileuca (Hempr. u. Ehrenb.) zu heissen habe (Ibis 1903 S. 90). Demgegenüber versucht Whitaker nachzuweisen, dass diese beide Namen auf die östliche Form zu

Vogelfauna der Bocche di Cattaro. 97

beziehen seien, die westliche bisher namenlos gewesen sei und daher einer Neubenennung bedurft habe (ibis 1903 S. 408.) Ich muss sagen, dass mir die Beweisführung zutreffend erscheint. Da ich aber zur Zeit ohne ausreichendes literarisches Material nicht selbständig zu entscheiden wage, ziehe ich es vor, zunächst Dresser’s Antwort abzuwarten, untersuche auch vorläufig nicht, ob auria durch albicollis zu ersetzen, sondern folge bis auf Weiteres aus Zweckmässigkeitsgründen den von Erlanger angewendeten Namen.

Das bisher Gesagte bezog sich auf beide Steinschmätzer und beruht auf der Untersuchung eines Materiales von 62 Stück aus verschiedenen Teilen der Verbreitungsgebiete.

Im Einzelnen ist zu den beiden Arten noch folgendes zu bemerken:

Von Saxicola amphileuca wurden 20 Exemplare aus der Bocche gemessen mit folgendem Resultate:

13 dd a. C. 1% b Max. 94 75 14 24 mm. Min. 86 64 OD DD, Durchschnitt 88,5 67,4 13,2 227 ,„ 8 927 Max. 88 72 14 DB 0, Min. 83,5 56 12.537 1821 a Durchschnitt 86,5 62.60).,.18:3..221, 88},

So verschieden wie die Masse sind die Kleider der dd. Um alle Abänderungen vertreten zu haben, muss man eine grosse Reihe besitzen, da fast kein Vogel völlig dem anderen gleicht. Nach meiner Meinurg muss es mehrere Jahre dauern, bis der Vogel sein reines Prachtkleid erreicht, bis er im vollsten Con- traste des tiefen Schwarz und des silbernen Weiss erglänzt. Auch das (viel seltener zu erlangende) Herbstkleid, welches vor dem Wegzuge angelegt wird, ist sehr schön mit seinen breiten rostgelben Kanten und Säumen an den tiefschwarzen Secundarien und grossen Deckfedern.

Die 99 sind von denen von Sazwicola oenanthe (L.) mit Sicherheit nur durch die Achselfedern zu unterscheiden, denen jedes Weiss fehlt.

Ich konnte auch ein Nestjunges aus Cattaro vom 25. Juli 1902 mit einem der offensichtlich gleichalterigen vom 19. Juni 1897 aus Tunis vergleichen, welche Erlanger im Journ. f. Ornith. 1899 S. 225 beschrieben hat. Auch hier ergibt sich die speci-

Journ. f. Orn. LII. Jahrg. Januar 1904. 7

98 P. Kollibay:

fische Verschiedenheit. Das noch flaumartige Gefieder des Kopfes, Oberhalses und Rückens ist bei meinem Vogel aschgrau mit rostfahler Tropfenzeichnung auf dem Kopfe, bei dem Erlanger’schen Vogel, soweit nicht die schmutzigraue Farbe der Basalhälfte der Federn hevortritt, blass sandgelb mit noch blassereu Tropfen. Die dunkle Wellenzeichnung auf dem Rücken wird durch braune Terminalbinden erzeugt, hier auf rostfahlbraunem, dort auf blass sandgelbem Grunde. Die Säumung der Flügel und deren Deck- federn ist beim dalmatinischen Jungen von graulich-rostroter, beim tunesischen von gelblich-rostroter Färbung. Bis jetzt ist das Nestkleid von Sazxicola amphileuca anscheinend noch unbeschrieben gewesen.

Ich besitze ein Gelege von 8. amphileuca vom 10. Juni 1903 von folgenden Massen:

19,5 20 19 19,5 "16... 155.0. 155,0 DH)

Die rundlichen Eier sind über und über, jedoch nicht dicht, mit kleinen, blass rotbraunen Pünktchen bespritzt.

Von Saxicola melanoleuca habe ich 10 JS und 3 ©2 ge- messen. Das Ergebnis ist folgendes:

10 dd a. C. Tr. (B Max. 92 71 13,5 23,5 mm. Min. 87 63 1292221 3 Durchschnitt 89,7 67.2 12,8 222.

3 89

Max. 91... 64 193 930,

Min. 6 63 10.5 09 Durchschnitt 88,6 633 132 225

Die Grössenverschiedenheit der Geschlechter kommt durch vorstehende Angaben nicht zutreffend zum Ausdrucke Denn während die gemessenen $g zum grossen Teile der Brutzeit entstammen, also schon abgenutztes Gefieder tragen, befinden sich unter den 3 gemessenen 82 2 im frisch vermauserten Herbstkleide.

Je reiner das Weiss der Oberseite und Unterseite, je tiefer das Schwarz der Schwingen bei den $g, desto grösser auch die Masse von Flügel und Schwanz, ein Beweis, dass die unreinen Individuen auch die jüngeren sind. Die ersten Erlegungsdaten meiner Stücke (13. und 14. April) dürften auch die Ankunftszeit

Vogelfauna der Bocche di Cattaro. 99

darstellen. Die ganz alten 5g erscheinen dann schon im völlig ausgebildeten Prachtkleide Nur an dem einen Vogel entdeckte ich noch einige Überbleibsel der winterlichen rostgelblichen Säumung an den Secundarien.

Noch mehr wie amphileuca bildet melanoleuca eine Belebung seiner einförmig grauen Umgebung, da er durch das schwarze Kehlschild noch contrastreicher erscheint.

Dieses Kehlschild bildet für den schwarzkehligen Stein- schmätzer ein weiteres selbständiges Unterscheidungsmerkmal zwischen der östlichen und der westlichen Art neben den anderen, die ihm mit dem Ohrensteinschmätzer gemeinsam sind. Dressers Angabe (Manual S. 37), melanoleuca unterscheide sich von stapa- zina lediglich dadurch, dass das Schwarz an der Kehle ‚less extended‘ sei, muss auf einem Schreibfehler beruhen. Denn ge- rade umgekehrt ist es eben ein Kennzeichen für melanoleuca, dass das bei siapazina auf Kinn und obere Kehle beschränkte Schwarz sich auf die untere Kehle und den Kropf, sowie an den Halsseiten bis zum Flügelbuge ausdehnt.

Eine Beschreibung des @ von S. melanoleuca habe ich nirgends gefunden. Für die westlichen aurita und stapazina gibt Koenig im Journ. f. Ornith. 1895 S. 363 die Unterscheidungs- merkmale der 99. Ich kenne die 29 dieser Arten nicht, aber es fällt mir auf, dass der Unterschied nur in dem dunkleren und helleren Kolorit bestehen soll. Das würde ein sehr unsicheres Bestimmungsmittel sein, und auch Koenig betont die ausser- ordentliche Schwierigkeit der Auseinanderhaltung beider 99. Da nun Koenig ausdrücklich nur von einem „zweifellos echten“ @ spricht, das er für seine Unterscheidung benutzte, aber auch von diesem gleichzeitig bemerkt, dass er es „mit ziemlicher Sicher- heit als $. stapazina ansprechen konnte‘, so scheint es mir, dass auch dieses @ doch nicht zu stapazina, sondern zu aurita gehört hat. Denn es scheint mir ausgeschlossen, dass stapazina sich so ganz anders als melanoleuca bezüglich des weiblichen Kleides verhalten sollte. Die melanoleuca-QQ sind aber ohne weiteres von den amphileuca-29 durch die schwarzgrundierte Kehle und Gurgel zu unterscheiden, während bei amphileuca die Federn - dieser Gegenden bis an die Basis rostweisslich sind.

Das Glück hat es gewollt, dass ich auch ein Nestjunges von 8. melanoleuca erwarb, welches am 28. Juni 1902 bei Cattaro erbeutet wurde. Dieses Jugendkleid ist wohl noch nirgends be-

Mer

100 P. Kollibay:

schrieben. Es unterscheidet sich von dem oben besprochenen der Saxicola amphileuca durch viel dunkleres Gesammtkolorit. Kopf, Oberhals und Rücken sind düster rostgrau, braun gewellt, die Unterseite schmutzig graugelb, die Federn der Brust und der Bauchseiten fein dunkelgrau gerandet. Über den Kopf zieht sich von einer Halsseite zur anderen ein schmales graubraunes Band, die Grenze markierend, bis zu welcher im Alterskleide das schwarze Kehlfeld reicht.

35. Pratincola rubetra rubetra (L.) und 36. Pratincola rubeira dalmatica Koll.

Grossmann berichtet mir, dass das Braunkehlchen nicht nur auf dem Zuge gemein, sondern auch häufiger Standvogel in den ebenen Gegenden sei. Als solche kommen nach meinen Wahrnehmungen insbesondere die Sutorina und die Zupa in Betracht. Aber auch dort habe ich sie nicht oft bemerkt. Meist nahm der Vogel seinen Sitz auf Rebstockpfählen oder kräftigen Blütenstengeln.

Die am Zuge erbeuteten Braunkehlchen unterscheiden sich nicht von den mitteleuropäischen, wohl aber die in Süddalmatien einheimischen. Diese habe ich im Ornithologischem Jahrbuche 1903 S. 43 subspecifisch gesondert, da die helle Farbe der Ober- seite nicht rostbraun, sondern hellrostgelhlich und, namentlich im Nacken, leicht grau überflogen ist, und da ferner das $ die rostrote Farbe nur an Kehle und Kropf, nicht aber auch an der Brust zeigt, diese Farbe zudem erheblich bleicher erscheint als bei Mitteleuropäern.

Leider habe ich dieses Jahr nicht viel Vergleichsmaterial gesammelt. Anfangs beachteten wir die Braunkehlchen weniger in der Zuversicht, später deren noch genügend zu bekommen, und dann sah man sie nur noch selten, wohl weil sie dem Brut- geschäfte oblagen.

Ich gebe die Masse von 10 Stück:

204. 03.119 78.7750 6, 85. SR Im OR TED ne 23. 4.03: 1650. „52,597 7010322 5 25. 4. 08. 305, 12:0) 0,495 Sal > 20. 4.03. 8, 1; ee 25.14.03... 795 110,0 A737 ©, one » ION Te Aubliis 2 ae] vie

Vogelfauna der Bocche di Cattaro. 101

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37. Pratincola rubicola (L.)

Grossmann hat den Vogel nur im Winter angetroffen. Ich besitze 1 J und 2 © aus dem Oktober und November.

38. Monticola saxatilis (L.).

Den herrlichen Steinrötel habe ich bei meiner vorjährigen Exkursion auf der Fahrt von Cattaro nach Cettinje kennen gelernt und seinen prachtvollen Balzflug bewundert. Begreiflicher Weise war es in diesem Jahre mein heissester Wunsch, diesen schönen Vogel jagen zu können. Indessen nur einmal sollte es mir be- schieden sein, mit ihm zusammenzutreffen. Am 15. Mai 1903 jagten wir bei dem Gebirgsdorfe Kameno oberhalb Castelnuovo. Dieses Dorf liest am Westrande einer ungeheuren Geröllhalde, welche sich zwischen zwei mächtigen Gebirgsrücken ergossen hat. In ihrem höheren Teile ist diese Halde trostlos und öde, kein Fleckchen Erde sieht man zwischen dem blendenden Karst- getrümmer hervorlugen, und die wenigen Steinschmätzer, welche zu Gesicht kommen, dürfen ohne Furcht vor dem tötlichen Blei sich ihres Daseins freuen, da jeder Schritt, den nicht der Blick am Boden begleitet, Arm- und Beinbruch bringen kann, ein An- schleichen, eine Verfolgung also ausgeschlossen ist. Am West- rande der Halde liegt das Geröll nicht so dicht. Es lässt grössere und kleinere Flecke des Erdbodens jener ursprünglichen Hoch- ebene frei, und dort sind armselige Wein- und Getreidefelder angelegt, dort wächst auch stellenweise wieder Laubwald. An jener Stelle nun, nahe bei der Kirche des zerstreuten Ortes, trafen wir mit dem Steinrötel zusammen. Grossmann hatte dies, obwohl er die Umgegend von Castelnuovo noch nicht kannte, da er erst vor kurzem von Cattaro dorthin verzogen. war, dennoch vermutet. Denn nach seinen in der wilden Krivosije gemachten Erfahrungen entsprach die Örtlichkeit durchaus den Anforderungen des Steinrötels, der sich am liebsten auf weiten, geröllübersäten Flächen im Gebirge ansiedelt, im Gegensatz zu Monticola cyanus, welche mehr zerklüftete Wände mit einzelnen Felszinnen bevor- zugt. Im ganzen sahen wir 3 Jg, von denen Grossmann eins

102 P. Kollibay:

erlegte. Schon vorher besass ich 2 22 und 1 pull. aus der Bocche und erhielt nachträglich noch mehrere Stücke, nämlich 9 schöne d& im frischen Herbstkleide aus der zweiten Hälfte des August und dem September 1903, ferner 3 vermauserte 29 und ein mitten in der Mauser stehendes sehr interessantes altes $ vom 20. Juli 1903. Ich behalte mir vor, auf die Vermauserung dieses Vogels später zurückzukommen,